ZENTRUM FÜR AUGUSTINUS-FORSCHUNG

AN DER JULIUS-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT WÜRZBURG

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Fecisti nos ad te, domine, et inquietum est cor nostrum donec requiescat in te.

Confessiones 1,1

Geschaffen hast du uns auf dich hin, o Herr, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.

Bekenntnisse 1,1

2. Die doppelte Geburt Christi aufgrund seiner zweifachen Natur

Um den rechten Glauben über Christi Person hat die frühe Christenheit Jahrhunderte lang gerungen. Obgleich das Konzil von Chalkedon, das die Lehre von den zwei Naturen in Christus definierte, erst im Jahre 451 stattfand, sprach Augustinus in bezug auf Christus zuvor schon völlig orthodox von einer Person in zwei Naturen. Um diesen Festgehalt der Weihnacht den Gläubigen zu erklären, zitierte der Prediger gerne Jesaja 53,8: «Generationem eius quis enarrabit ? Seinen Ursprung (seine Herkunft), wer wird sie (erschöpfend) erzählen?», denn dieser Satz bot ihm Gelegenheit, die Doppelgeburt Christi den Hörern zu verdeutlichen. Schon vor Augustin verglich man in der Kirche die innertrinitarische Beziehung zwischen der ersten Person 'dem Vater' und der zweiten 'dem Wort, dem Einziggeborenen', mit einer zeitlosen Geburt. Diese ist also eine im Prinzip unsagbare, lediglich in Analogien erzählbare Geburt. Die andere, die Menschwerdung des Wortes Gottes ist nicht nur eine ans Wunder grenzende, sondern allein als Wunder erzählbare. Der Prediger verbindet beide - rhetorisch höchst wirksam: die innertrinitarische kennt keine Mutter, die irdische keinen Vater -, um die Bedeutung der Menschwerdung Christi zu unterstreichen. Ja, Augustinus scheint die These zu vertreten, erst vom Glauben an die ewige Geburt des Wortes Gottes falle Licht auch auf den Glauben an die Menschwerdung des Wortes Gottes. Wohl deshalb nimmt dieses Thema in seinen Weihnachtspredigten einen so breiten Raum ein.

Sermo 190,2

debemus enim fide catholica retinere duas esse natiuitates domini: unam diuinam, alteram humanam; illam sine tempore, hanc in tempore.

 

Nach katholischem Glauben muss man an zwei Geburten des Herrn festhalten, an einer göttlichen und an einer menschlichen; jene vollzieht sich zeitlos, diese in der Zeit.

ambas autem mirabiles: illam sine matre, istam sine patre. Beide sind indes wunderbar: jene ohne Mutter, diese ohne Vater.

Sermo 190,3

infirma est Christi ex matre natiuitas; sed ex patre ampla maiestas.

 

In Schwäche vollzieht sich Christi Geburt aus der Mutter; jedoch die aus dem Vater in erlauchter Majestät.

Sermo 184,3

denique natus est Christus et de patre, et de matre;

 

 

 

 

 

 

 

 

Infolgedessen ist Christus (im Blick auf die Personeneinheit in zwei Naturen) sowohl vom Vater (Gott) wie von der Mutter (Maria) geboren;

et sine patre, et sine matre: auch ist er ohne (irdischen) Vater (als Mensch) und ohne Mutter (als Gottes ewiges Wort):
de patre deus, de matre homo; vom Vater (her) ist er Gott, von der Mutter (her) ist er Mensch;
sine matre deus, sine patre homo. ohne Mutter ist er Gott, ohne (irdischen) Vater Mensch.

Sermo 194,1

natus est Christus, deus de patre, homo de matre.

 

Geboren ist Christus, Gott vom Vater, Mensch von der Mutter.

de patris immortalitate, de matris uirginitate.
Aus der Unsterblichkeit des Vaters, aus der Unversehrtheit der Mutter.
de patre sine matre, de matre sine patre.
Aus dem Vater ohne Mutter, aus der Mutter ohne Vater.
de patre sine tempore, de matre sine semine.
Aus dem Vater ohne Zeit, aus der Mutter ohne Samen.
de patre principium uitae, de matre finis mortis. Aus dem Vater (ist er ) Prinzip des Lebens, aus der Mutter (ist er) des Todes Ende.
de patre ordinans omnem diem, de matre consecrans istum diem. Aus dem Vater ordnet er die Tage, aus der Mutter heiligt er jenen Tag (seiner Geburt).

Sermo 192,1

... homo factus est, qui deus erat: nec amittens quod erat, fieri uoluit ipse quod fecerat.

 

... der Gott war, wurde Mensch: ohne einzubüßen, was er war, wollte er selbst werden, was er erschaffen hatte (Mensch).

ipse fecit quod esset, quia hominem deo addidit, non deum in homine perdidit. Er selber bewirkte, was er sein sollte, denn er fügte den Menschen dem Gott hinzu, ohne Gott im Menschen zu vernichten.

Sermo 196,3

ecce qui in praesepi iacebat, diminutus est, sed non perdidit se: accepit quod non erat, sed mansit quod erat.

 

Siehe, der in der Krippe lag, hat sich (zwar) gering gemacht, aber nicht vernichtet: er nahm an, was er nicht war, blieb jedoch, was er war.

Sermo 196,1:

natiuitates domini nostri Iesu Christi, duae sunt; una diuina, altera humana:

 

Es gibt zwei Geburten unseres Herrn Jesus Christus: die eine ist göttlich, die andere menschlich.

ambae mirabiles; illa sine femina matre, ista sine uiro patre.
Beide sind wunderbar: jene ohne Frau als Mutter, diese ohne Mann als Vater.
quod ait sanctus Isaias propheta, «generationem eius quis enarrabit?» ad ambas generationes referri potest.
Was der Prophet Jesaja sagt, «Wer wird imstande sein, seinen Herkunft zu erzählen?», lässt sich auf beide Geburten beziehen.
quis digne enarret generantem deum? Wer ist wohl imstande, von einem zeugenden Gott angemessen zu reden?
quis digne enarret uirginis partum?
(Und) wer ist wohl imstande, von einer gebärenden Jungfrau angemessen zu reden?
illud sine die, hoc certo die: utrumque sine humana aestimatione, et cum magna admiratione.
Jenes ereignet sich ohne einen Tag, dieses an einem bestimmten Tag: beides übersteigt die Grenze menschlicher Vorstellung und ruft staunende Bewunderung hervor.
illam primam attendite generationem: «in principio erat uerbum, et uerbum erat apud deum, et deus erat uerbum».
Achtet auf jene erste Zeugung: «Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort» (Io 1,1).
cuius uerbum? ipsius patris.
quod uerbum? ipse filius.
nunquam pater sine filio.
Wessen Wort? Des Vaters selbst.
Was war das Wort? Der Sohn selbst.
Niemals gibt es den Vater ohne den Sohn.
et tamen qui nunquam sine filio, genuit filium.
Und dennoch zeugte er, der niemals ohne Sohn war, den Sohn.
et genuit, et non coepit.
Er (der Vater) zeugte, und er (der Sohn) begann nicht.
sine initio generato nullum est initium.
Der ohne Anfang Gezeugte hat keinen Anfang.
et tamen filius, et tamen genitus.
Und dennoch ist er der Sohn, und dennoch ist er der Gezeugte.
dicturus est homo: quomodo genitus, et non habet initium?
Nun mag jemand einwenden: Wie kann einer gezeugt sein, und dennoch keinen Anfang haben?
si genitus, habet initium: si non habet initium, quomodo genitus?
Ist er gezeugt, hat er einen Anfang: wenn er keinen Anfang hat, wie kann er gezeugt sein?
quomodo, nescio.
Wie, das weiß ich nicht.
quaeris ab homine quomodo sit genitus deus?
Du fragst einen Menschen, auf welche Weise Gott gezeugt worden sei?
interrogatione tua laboro; sed prophetam appello: «generationem eius quis enarrabit?»
Ich mühe mich ab mit deiner Frage; indes, ich appelliere an den Propheten (der sagt): «Wer wird imstande sein, seine Herkunft zu erzählen?» (Is 53,8).
ueni mecum ad istam generationem humanam, ueni mecum ad istam, in qua se ipsum exinaniuit formam serui accipiens: si forte uel ipsam capere possimus, si forte uel de ipsa aliquid loqui ualeamus.
Wende dich (nun) mit mir dieser menschlichen Zeugung zu, folge mir zu der, in welcher er (Gottes Sohn) sich entäußert hat, indem er die Gestalt eines Knechtes annahm (cf. Phil 2,6sq.): um zu sehen, ob wir es vermögen, sie zu begreifen, ob wir in der Lage sind, darüber etwas zu sagen.
etenim quis capiat, «qui cum in forma dei esset, non rapinam arbitratus est esse aequalis deo»?
Wer jedoch begreift dies: «der, als er in der Gestalt Gottes war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein» (Phil 2,6)?
quis hoc capiat?
Wer mag dies verstehen?
quis hoc digne cogitet?
Wer mag dies angemessen bedenken?
cuius mens hoc audeat perscrutari?
cuius lingua audeat pronuntiare?
cuius ualeat cogitatio capere?
Wessen Geist wagte es, dies zu durchschauen? Wessen Zunge wagte es, dies zu verkünden?
Wessen Denkfähigkeit vermag es wohl, sich darüber eine Vorstellung zu machen?
interim hoc omittamus: multum est ad nos.
Lassen wir dies für einen Augenblick: es überschreitet unseren Horizont.
ut autem non multum esset ad nos, «semetipsum exinaniuit, formam serui accipiens, in similitudinem hominum factus».
Damit es aber nicht dabei bleibe, (heißt es Phil 2,7 weiter), «er hat sich selbst entäußert; indem er die Gestalt eines Knechtes annahm, wurde er den Menschen gleich».
ubi? in uirgine Maria. Wo? In der Jungfrau Maria.

Sermo 186,1:

antequam enim fieret, erat: et quia
omnipotens erat, fieri potuit manens quod erat.

 

Bevor er (Mensch) wurde, war er: und weil er allmächtig war, konnte er (Mensch) werden, wobei er blieb, was er war.

fecit sibi matrem, cum esset apud patrem: et cum fieret ex matre, mansit in patre.
Er schuf sich eine Mutter, als er beim Vater war: und als er aus der Mutter (Mensch) wurde, blieb er im Vater.
quomodo deus esse desisteret, cum homo esse coepit, qui genitrici suae praestitit ne desisteret uirgo esse, cum peperit?
Wie sollte er auch aufhören Gott zu sein, als er begann, Mensch zu sein, er, der es seiner Gebärerin gewährte, nicht aufzuhören, Jungfrau zu sein, als sie gebar?
proinde quod uerbum caro factum est, non uerbum in carnem pereundo cessit; sed caro ad uerbum, ne ipsa periret, accessit: ut quemadmodum homo est anima et caro, sic esset Christus deus et homo.
Daher wich das Wort, als es Fleisch wurde, nicht aus dem Fleisch, sondern das Fleisch kam zum Wort hinzu, damit es selbst nicht zugrunde gehe. Denn so wie der Mensch aus Seele und Fleisch besteht, so sollte Christus Gott und Mensch sein.
idem deus qui homo, et qui deus idem homo: non confusione naturae, sed unitate personae.
Derselbe Gott, der Mensch ist, und der selbe Mensch, der Gott ist: nicht durch Vermischung der Naturen, aber in der Einheit der Person.
denique qui filius dei generanti est coaeternus semper ex patre, idem filius hominis esse coepit ex uirgine.
Schließlich begann der, der als immer aus dem Vater hervorgehende Sohn Gottes, der dem Erzeuger gleich ewig ist, Sohn eines Menschen zu werden aus der Jungfrau.
ac sic et filii diuinitati est addita humanitas; et tamen non est personarum facta quaternitas, sed permanet trinitas Und so wurde der Gottheit des Sohnes, die Menschheit hinzugefügt; auf keinen Fall kam es dadurch zur Quaternität, sondern es bleibt die Trinität.