ZENTRUM FÜR AUGUSTINUS-FORSCHUNG

AN DER JULIUS-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT WÜRZBURG

Kirchenvater Augustinus und seine Zeit (Folge 4)
Der Weg in die Kirche

Von Claudia Kock

Über den inneren Weg des heiligen Augustinus sprach Papst Benedikt XVI. in seiner Mittwochskatechese am 27. Februar. Als junger Mann wandte er sich vom christlichen Glauben, der ihm von seiner Mutter vermittelt worden war, ab und suchte die Wahrheit in der Philosophie und dann in der Sekte der Manichäer. Schließlich fand er durch den Einfluss des heiligen Ambrosius und durch ein persönliches Bekehrungserlebnis in den Schoß der Kirche zurück. In dieser Folge der Reihe über den Kirchenvater soll gezeigt werden, wie damals der Weg eines Christen in die Kirche und zur Teilnahme am sakramentalen Leben aussah.

Augustinus wurde, wie in der Alten Kirche üblich, als Kind nicht getauft, sondern von seiner Mutter in die Liste der Katechumenen eingeschrieben. Das Katechumenat konnte sich über viele Jahre erstrecken, solange bis der Katechumene sich entschloss, die Taufe zu empfangen. Ein besonderer Unterricht fand in dieser Zeit nicht statt, aber die Katechumenen – Jungen und Mädchen, Männer und Frauen – wurden angehalten, den sonntäglichen Gottesdienst zu besuchen und wurden durch die Liturgie in die Gemeinschaft der Gläubigen eingeführt. Sie hörten gemeinsam mit den Getauften die Lesungen aus der Heiligen Schrift, sangen die Psalmen und hörten die Predigt. So wuchsen sie langsam in die christliche Gemeinschaft hinein, lernten ihre bereits getauften oder noch ungetauften Brüder und Schwestern kennen, beteten mit ihnen, hörten mit ihnen das Wort Gottes und lernten auch im Alltagsleben von ihnen.

Von der Eucharistiefeier, die auf den Wortgottesdienst folgte, blieben die Katechumenen ausgeschlossen. Nach der Predigt verließen sie die Kirche. Der Gottesdienst hatte zur Zeit Augustins noch den Charakter eines Mysterienkultes: Der wesentliche Teil der heiligen Handlung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt; die Teilnahme war nur den Initiierten, also den Getauften, gestattet.

Wenn die Fastenzeit sich näherte, wurden die Katechumenen ermutigt, sich für die kommende Osternacht zur Taufe anzumelden. Für die Taufbewerber fand in der Fastenzeit eine intensivere Vorbereitung statt. Sie wurden in der christlichen Lehre unterwiesen, waren einer asketischen Disziplin unterworfen und mussten sich einem Exorzismus unterziehen, um den alten Menschen abzulegen und dem Satan zu widersagen. Sie fasteten täglich bis drei Uhr nachmittags und verzichteten auf Fleisch und Wein. Sie mussten eheliche Enthaltsamkeit üben und durften bis zum Gründonnerstag nicht baden. Es wurde von ihnen erwartet, an nächtlichen Gebetsvigilien teilzunehmen und den Armen Almosen zu geben.

Zwei Wochen vor dem Karsamstag rezitierte der Bischof in einer feierlichen Zeremonie vor den Taufbewerbern das Glaubensbekenntnis und erklärte es ihnen. Es gehörte ebenso wie die Eucharistie zum Mysterium und wurde nicht im öffentlichen Teil der Liturgie gesprochen. Die Taufbewerber lernten es mit Hilfe ihrer Paten auswendig und rezitierten es in der Osternacht vor der versammelten Gemeinde. Dann wurden sie getauft, mit dem Chrisam-Öl bezeichnet und empfingen zum ersten Mal die heilige Eucharistie. Dadurch waren sie aufgenommen in die christliche Gemeinde, hineingenommen in das Mysterium, das nur den Eingeweihten vorbehalten war. Den Ausklang ihrer Initiation bildete die Osteroktav, in der sie ihr Taufkleid trugen und über die Eucharistie unterwiesen wurden.

Die Taufe war ein radikaler Bruch mit dem alten Leben und der Beginn eines neuen Lebens in Christus. Entsprechend wurde vom getauften Christen ein Lebenswandel erwartet, der der Lehre Christi entsprach. War dies offensichtlich nicht der Fall, so konnte er aus der Gemeinde ausgeschlossen und nur dann wieder aufgenommen werden, wenn er eine Zeit der öffentlichen Buße auf sich nahm.

Der Getaufte, der sich einer schweren Sünde bewusst war, konnte auch selbst um Aufnahme unter die Büßer bitten. Die Büßer waren von der Eucharistie ausgeschlossen, nahmen einen gesonderten Platz in der Kirche ein und mussten durch Gebet, Fasten und Almosengeben Buße tun, bis sie wieder zur Eucharistie zugelassen wurden. Die öffentliche Buße wurde jedoch nur einmal im Leben gewährt; danach blieb derjenige, der eine schwere Sünde begangen hatte, von der christlichen Gemeinschaft ausgeschlossen.

Die strenge Bußpraxis führte dazu, dass immer mehr Menschen die Taufe Jahr für Jahr aufschoben, oft bis zum Sterbebett, und ihr Leben lang Katechumenen blieben. Nachdem Augustinus den Manichäern den Rücken gekehrt und durch die Predigten des Ambrosius wieder zum christlichen Glauben zurückgefunden hatte, schob auch er zunächst die Taufe vor sich her. Erst sein tiefes Bekehrungserlebnis weckte in ihm den Wunsch, ganz in Christus zu leben und Teil seines mystischen Leibes, der Kirche, zu sein.

Hier traf sich sein innerer Weg mit dem äußeren Weg der Kirche. Seine persönliche Bekehrung mündete ein in die Taufe und damit in das öffentliche Bekenntnis zu Christus. Diesen Weg sollte er bis zu seinem Tod immer mehr verinnerlichen und vertiefen.

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© Würzburger Katholisches Sonntagsblatt - Nr. 31 vom 3.8.2008, Seite 8

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