5-teilige Serie im "Würzburger katholischen Sonntagsblatt"
Kirchenvater Augustinus und seine Zeit
Für viele Rompilger ist dies ein Pflichttermin: am Mittwoch die Teilnahme an der Generalaudienz mit dem Papst. Benedikt XVI. beschäftigt sich seit einigen Monaten mit den Kirchenvätern. Dem heiligen Augustinus (354-430) hat er fünf Katechesen gewidmet. Anknüpfend an diese Predigten des Papstes will das „Würzburger katholische Sonntagsblatt“ mit einer Artikelserie dazu beitragen, den heiligen Augustinus, sein Leben und seine Bedeutung besser zu verstehen. Der heilige Augustinus starb am 28. August 430 im Alter von 76 Jahren. Sein Tod fällt in eine Zeit, in der sich die Welt der römischen Antike dem Ende zuneigte. Diese Parallele machte Papst Benedikt XVI. zur Grundlage seiner (zweiten) Katechese über den heiligen Augustinus am 16. Januar 2008. Der nachfolgende erste Artikel beleuchtet die politischen Ereignisse der Zeit, im zweiten wird das tägliche Leben genauer betrachtet. Der dritte und vierte Beitrag sind der Kirche zur Zeit Augustins gewidmet und beim letzten geht es um die Frage, auf welchem Weg uns Augustins Werk erreicht hat.
Übersicht der einzelnen Beiträge:
Augustinus und seine Zeit (Sonntagsblatt Nr. 16/2008)
Der Umbruch durch das Christentum (Sonntagsblatt Nr. 22/2008)
Die kirchliche Lehre (Sonntagsblatt Nr. 27/2008)
Der Weg in die Kirche (Sonntagsblatt Nr. 31/2008)
Die Überlieferung der Werke des hl. Augustinus (Sonntagsblatt Nr. 35/2008)
Augustinus und seine Zeit (1)
Der Untergang der antiken Welt
Von Claudia Kock
Als Augustinus 354 geboren wurde, war Rom bereits über 1000 Jahre alt und herrschte über ein Weltreich. Das einstige nordafrikanische Königreich Numidien, in dem Augustins Geburtsort Thagaste lag, war unter Julius Caesar der römischen Provinz Afrika einverleibt geworden und stand nunmehr seit 400 Jahren unter dem Einfluss der römischen Kultur, die die ursprüngliche berberische Kultur an den Rand gedrängt, wenn auch nicht völlig zerstört hatte. Einige Bevölkerungsteile sprachen noch die berberische Sprache, und auch Augustins Mutter Monnica – die wir heute als die hl. Monika verehren – kam vielleicht aus diesem Volksstamm. Das römische Element überwog jedoch bei weitem. Augustins Muttersprache war Latein, und die Familie besaß die römische Staatsbürgerschaft, die Kaiser Caracalla 212 n. Chr. allen freigeborenen Einwohnern der römischen Provinzen zuerkannt hatte.
Rom war zur Zeit der Geburt Augustins allerdings schon seit einer Generation nicht mehr Reichshauptstadt, denn diese hatte Kaiser Konstantin 330 nach Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, verlegt. Er war der erste Christ auf dem römischen Kaiserthron. Obgleich er sich vielleicht erst auf dem Sterbebett taufen ließ, weisen schriftliche und archäologische Quellen ihn als überzeugten Christen aus.
Von herausragender Wirkung war das Toleranzedikt von Mailand (313), das den Christen im Reich die volle Religionsfreiheit gab und die Verfolgungen beendete. Augustinus wurde also in ein christliches Kaiserreich hineingeboren, auch wenn in seine Kindheit die kurze Herrschaft von Kaiser Julian Apostata (361-363) fällt, der erfolglos versuchte, den Siegeszug des Christentums aufzuhalten.
Während sich innenpolitisch die kaiserliche Macht im neuen christlichen Reich festigte, zeichneten sich außerhalb der Reichsgrenzen Schatten ab, die gegen Ende des 4. Jahrhunderts immer drohender wurden: die Ereignisse der Völkerwanderung. Eingesetzt hatte diese bereits Jahrhunderte zuvor. Bedingt durch Klimawandel und Bevölkerungszuwachs, aber auch aus Eroberungs- und Abenteuerlust hatten sich bereits seit dem 2. Jahrhundert vor Christus einige Völkerschaften nördlich und östlich des Reiches in Bewegung gesetzt, auf der Suche nach neuen Siedlungsgebieten. Verhängnisvoll für das Römische Reich wurden diese Wanderungsbewegungen jedoch erst ab 375. In diesem Jahr fielen die aus China vertriebenen Hunnen in das Schwarzmeergebiet ein, wo sie das Ostgotenreich zerstörten. Nur drei Jahre später kam es zur ersten Niederlage der Römer im Reichsgebiet selbst: Nachdem die Hunnen das Ostgotenreich überrannt hatten, griffen sie auch die Westgoten im Gebiet des heutigen Transsilvanien an. Diese setzten über die Donau in das Römische Reich. 378 besiegten und töteten sie Kaiser Valens in der Schlacht bei Hadrianopel. Dieses Ereignis wurde für die Zeitgenossen zum Symbol der drohenden Gefahr. Die Goten waren im Begriff, den Balkan zu erobern und waren dann nicht mehr fern von Italien und von Rom selbst. Der junge Augustinus erfuhr von diesen Vorgängen in Karthago, wo er Rhetorik lehrte und zur Sekte der Manichäer gehörte.
386 bekehrte er sich jedoch zum Christentum, das Kaiser Theodosius I. fünf Jahre später – dem Jahr der Priesterweihe Augustins – zur Staatsreligion erklärte. 395 wurde Augustin Bischof von Hippo, und im selben Jahr starb Theodosius. Auf dem Sterbebett teilte er das Reich: Den Osten erhielt sein älterer Sohn Arcadius, den Westen dagegen Honorius, der noch ein Kind war und unter der Vormundschaft des Generals Stilicho stand. Dieser versuchte vergeblich, den Vormarsch der Westgoten aufzuhalten. 410 plünderten sie unter Alarich Rom – ein Ereignis, das sich in das Bewusstsein der Zeit tief einprägte und das Augustinus zu seinem tiefgründigen geschichtstheologischen Monumentalwerk veranlasste: „De Civitate Dei“ – Vom Gottesstaat.
Schließlich erreichte die Völkerwanderungswelle auch Afrika. Die von den Westgoten aus ihren Siedlungsgebieten verdrängten Vandalen wurden von Stilicho – selbst ein Halbvandale und damit ein Kind der Völkerwanderung – in Spanien angesiedelt, von wo aus sie 429 nach Afrika übersetzten. Im August 430 standen sie vor den Toren von Hippo. Während der Belagerung starb Augustinus in der Hoffnung auf die Auferstehung in der neuen Welt. Wenige Jahrzehnte später setzte der germanische Heerführer Odoaker den letzten weströmischen Kaiser ab: Die antiken Welt ging zu Ende und eine neue Zeit brach an.
Folge 2 >
© Würzburger Katholisches Sonntagsblatt - Nr. 16 vom 20.4.2008, Seite 8
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