ZENTRUM FÜR AUGUSTINUS-FORSCHUNG

AN DER JULIUS-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT WÜRZBURG

Augustinus – sein Leben

Die älteste Biographie verfasste sein Zeitgenosse und Schüler Possidius von Calama ca. 431-437. Eine komplette deutsche Übersetzung der Vita Augustini bietet die Internetpräsenz der Augustiner in Österreich und Süddeutschland.

Das Leben des hl. Augustinus nach Possidius
354 (13.11.) Geburt in Thagaste (Souk Ahras (Algerien))
Schule in Thagaste
365 Wechsel an die Schule in Madaura
370 Studium der Rhetorik in Karthago, dort Verbindung mit einer Konkubine
372 Geburt seines Sohns (Adeodatus = der von Gott gegebene)
373-383 Lehrtätigkeit in Thagaste und Karthago, Zuwendung zum Manichäismus
383 Reise nach Rom, dort Lehrtätigkeit, Begegnung mit dem Manichäer Faustus von Mileve, Abwendung vom Manichäismus
384 Reise nach Mailand, dort Lehrtätigkeit
385 Offizieller Redner des Kaiserreichs, Mutter (Monnica) kommt nach Mailand
386 Studium neuplatonischer Schriften, Paulus-Lektüre,
im August: Bekehrung zum Christentum («Nimm und lies!»).
Ende August: Augustinus zieht sich mit Freunden auf sein Gut «Cassiciacum» zurück (nördlich von Mailand). Erste philosophisch- theologische Schriften:
«Contra Academicos»
«De beata uita»
«Soliloquia»
387 Rückkehr nach Mailand,
Taufe durch Bischof Ambrosius (Osternacht 24./25.4.)
Schrift: «De immortalitate animae»
im Herbst: Augustins Mutter stirbt
388 Rückkehr nach Karthago, dann nach Thagaste (Tod seiner Mutter), dort Gründung einer Gemeinschaft von Laienmönchen auf seinem Erbe.
Antimanichäische Schriften
389 Tod seines Sohns
391 Besuch in Hippo Regius. Dort auf Verlangen der Gemeinde: Priesterweihe durch Bischof Valerius von Hippo Regius (Annaba)
394 Bischofsweihe durch Bischof Valerius, Arbeit als Hilfsbischof
396 Bischof von Hippo
430 Tod Augustins (28.8.), Begräbnis in Hippo, Augustins Gebeine gelangen später nach Pavia


Die historisch gesicherten Reisen Augustins in chronologischer Folge*

Thagaste-Madaura - etwa 30 km - 365-69: Studium der Grammatik.

Thagaste- Karthago - 259 km von Thagaste - 370-383 - zunächst 370-374 Studium der Rhetorik - dann 375/76 Unterricht in Thagaste - schließlich 376-383 Dozententätigkeit für Rhetorik.

Karthago-Rom - siehe die möglichen Seewege auf der Karte - 383-384: Dozententätigkeit für Rhetorik in Rom.

Rom-Mailand - 616 km von Rom - 384-86: Professur für Rhetorik - Bekehrung im August 386.

Mailand-Cassiciacum - Ungewissheit über die geographische Lage: Cassago 35 km bzw. Casciago 55 km von Mailand - dort Aufenthalt von Herbst 386 bis Januar/Februar 387.

Mailand-Rom/Ostia - Sommer 387 Rückkehr in die Heimat mit Zwischenaufenthalt vom Herbst 387 bis Sommer 388.

Ostia-Thagaste über Karthago - im Herbst 388 - dort Gründung einer klosterähnlichen Gemeinschaft.

Thagaste-Hippo - 78 km - Winter 390/91 - Weihe zum Priester (eventuell Rückkehr nach Thagaste vor Antritt der priesterlichen Aktivitäten in Hippo).

Hippo-Mutugenna - 392/93 - ein kleinerer, geographisch nicht mehr lokalisierbarer Ort in der Umgebung von Hippo.

Hippo-Karthago - Seeweg ca. 280 km, Landweg ca. 320 km. - 394 erste Reise zum dortigen Konzil am 26. Juni - nachweislich nahm Augustin an wenigstens 16 weiteren Konzilien in Karthago teil, wobei er auf seinen Routen gelegentlich kürzere oder auch längere Aufenthalte einplante bzw. in Kauf nahm: 397, 399, 401, 403, 404, 405, 406, 407 (mit Aufenthalt in Thumursicu), 410 Route: Hippo, Sicca Veneria, Karthago, Utica, Hippo Diarrhythus, Hippo Regius), 411, 412/13 (über Utica), 413, 416, 417, 418, 419 (Aufenthalt in Hippo Diarrhythus), 424 (Hypothetisch).

Hippo-Thubursicu - 87 km - im Sommer 395 Treffen mit Fortunius, Bischof der Donatisten - Weiterreise nach Cirta - 102 km - Teilnahme an der Bischofsweihe des Profuturus - wahrscheinlich auf dem Rückweg Aufenthalt in Thiava (zwischen Thubursicu und Hippo) - dort Treffen mit Donatisten.

Hippo-Cirta - 139 km - Reise um 400 vermutlich in antidonatistischer Angelegenheit.

Hippo-Thiava - im Jahr 402 zur Regelung der Angelegenheit des Honoratus.

Hippo-Milev - über Cirta 139+37 km - zum Konzil am 27. August 402.

Hippo-Calama - 65 km - Intervention nach einem von Heiden inszenierten Aufruhr im Juni 408.

Hippo-Milev - 176 km - Reise über Cirta um 408/9.

Hippo-Fussala - 60 km - Ende 411 Gründung einer neuen Diözese in Fussala sowie Weihe des Bischofs Antoninus.

Hippo-Zerta (?) - 130 km (Provinzialkonzil 412).

Hippo-Thagaste - um 414 - Reisegrund unbekannt.

Hippo-Cataquas - geographisch nicht mehr lokalisierbarer Ort unweit von Hippo - Besuch des Bischofs Bonifatius um 414/15.

Hippo-Milev - Konzil im Sommer 416.

Hippo-Caesarea in Mauritanien über Karthago - Entfernung zwischen Caesarea und Karthago 1.070 km - zunächst Teilnahme am Konzil in Karthago im Mai 418 und von dort anschließend Reise nach Caesarea im Auftrag des Papstes Zosimus - Rückkehr in das von Caesarea 732 km entfernte Hippo im Spätherbst.

Hippo-Tubunae - (wenn über Cirta, dann etwa die doppelte Strecke von Hippo und Cirta, wenn über Karthago, dann etwa zusätzlich 620 km zwischen Karthago und Tubunae) - Zweck der Reise: Besuch des comes Bonifatius im Jahr 421.

Hippo-Fussala - Regelung der Affäre des Bischofs Antoninus im Jahr 422.

Hippo-Uzalis - etwa 60 km vor Karthago auf der nördlichen Route - um 424 Besuch bei Bischof Evodius.
Hippo-Milev - 426 Wahl der Nachfolge des Severus im Bischofsamt.

* Umfassendste und gründlichste Untersuchung zum Thema Reise bietet die Monographie: Othmar PERLER en collaboration avec Jean-Louis MAIER, Les voyages de saint Augustin, Paris 1959.
Eine weitere Liste mit historisch ungesicherten Daten siehe in der angegebenen Untersuchung von Othmar PERLER/Jean-Louis MAIER, Les voyages de saint Augustin, S. 476-477.
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http://downloads.kirchenserver.net/26/2506/1/72199728207159923186.pdf


Gegner Augustins und die gegen diese gerichteten Werke

Augustins philosophische und zumal theologische Überzeugungen und Lehren konstituieren sich, wie etliche dogmatische Sätze der frühen Kirche, zu guten Teilen vor dem Hintergrund und in Abgrenzung von mit dem Christentum konkurrierenden Weltanschauungen und Religionssystemen sowie von mit der katholischen Kirche konkurrierenden Sekten und kirchlichen Abspaltungen - sei es, daß die Differenzen entscheidende Glaubensinhalte betreffen (solche Gruppierungen werden traditionell als ‘Häresien’ bezeichnet), sei es, daß es sich um ein Ausscheren aus der Einheit der ‘ecclesia catholica’ handelt (sogenannte ‘Schismata’). Die verschiedenen geistigen und geistlichen Frontstellungen Augustins lassen sich meist bestimmten Lebensphasen zuordnen, teilweise weisen sie zeitliche Überlappungen auf.

Gegen die Manichäer (ca. 388-400)
Der Manichäismus geht auf den Religionsstifter Mani (216-276) zurück und breitete sich im 3. und 4. Jahrh. vom Nahen Osten ausgehend über den Mittelmeerraum und nach Asien aus. Seine Lehre verbindet biblisch-christliche und persisch-zoroastrische Elemente und ist unter anderem von einer dualistischen Weltsicht und von der Leugnung des freien Willens gekennzeichnet. Der junge Augustinus war etliche Jahre lang Mitglied dieser Sekte und besonders von deren Welterklärungsanspruch fasziniert, bevor er sich durch stärkere Hinwendung zur neuplatonischen Philosophie und zum Christentum aus ihr lösen konnte. Wichtige antimanichäische Werke Augustins:

- De moribus ecclesiae catholicae et de moribus Manicheorum (388-390)
- De libero arbitrio (388 bzw. 394-395 (Buch 3)
- De Genesi aduersus Manicheos (389)
- De uera religione (390)
- De utilitate credendi (391)
- De duabus animabus (392)
- Acta contra Fortunatum Manicheum (393)
- Contra Adimantum (394)
- Contra epistulam Manichaei quam uocant fundamenti (396)
- Contra Faustum Manicheum (397-398)
- Contra Felicem Manicheum (397-398)
- De natura boni (399)
- Contra Secundinum Manicheum (399)
Gegen die Donatisten (ca. 394-420)

Der Donatismus, benannt nach seinem Kopf Bischof Donatus (gest. 355), formierte sich im Laufe des 4. Jahrhunderts vornehmlich in Nordafrika als zum Teil äußerst mitglieder- und gemeindestarke Abspaltung von der katholischen Kirche. Die Donatisten verstanden sich als die wahre und reine Kirche in Lossagung und Abgrenzung von der Tradition und Sukzession derjenigen katholischen Amtsträger und Bischöfe, die in der vorausgegangenen diokletianischen Christenverfolgung Kompromisse mit dem Römischen Reich eingegangen waren. Aufgrund kirchlicher und staatlicher Ächtung und schließlich Verfolgung verliert der Donatismus ab 420 schnell an Bedeutung. Wichtige antidonatistische Werke Augustins:
- Psalmus contra partem Donati (394)
- Contra epistulam Parmeniani (400)
- De baptismo (401)
- Contra litteras Petiliani (401-405)
- Ad Cresconium grammaticum partis Donati (405-406)
- De unico baptismo (412)
- Gesta cum Emerito Donatistarum episcopo(418)
- Sermo ad Caesariensis ecclesiae plebem (418)
- Contra Gaudentium Donatistarum episcopum(419-420)

Gegen die Pelagianer (ca. 412-430)
Als Pelagianer bezeichnet man die Anhänger und Schüler des britannischen Laienchristen und Theologen Pelagius (ca. 350/360- vor 431), der gegen Ende des 4. Jahrhunderts von Rom ausgehend zu strengerer christlicher Sittlichkeit aufrief und dabei besonders an den freien Willen des Menschen appellierte. Mit seinem idealistisch-optimistischen Menschenbild geriet er zunehmend in Konflikt mit Augustinus, der ihn erbittert bekämpfte und nicht unerheblich zu seiner kirchlichen Verurteilung - endgültig 418 - beitrug. Mit Julian von Aeclanum erwuchs dem Pelagius jedoch ein starker Nachfolger, mit dem Augustinus sich bis zu seinem Lebensende auseinandersetzten mußte. Gegen ihn wie gegen die abgeschwächte Spielart des Semi-Pelagianismus unterstreicht Augustin radikal und immer neu die Verderbtheit und Schwäche des menschlichen Willens und die unbedingte Notwendigkeit und Souveränität der göttlichen Gnade. Wichtige antipelagianische Werke Augustins:

- De peccatorum meritis et remissione et de baptismo paruulorum (411-412)
- De spiritu et littera (412)
- De natura et gratia (415)
- De anima et eius origine (415)
- De perfectione iustitiae hominis (415?)
- De gestis Pelagii (417)
- De gratia Christi et de peccato originali (418)
- De nuptiis et concupiscentia (418-420)
- Contra duas epistulas Pelagianorum (419/420)
- Contra Iulianum (421)
- De gratia et libero arbitrio (425)
- De correptione et gratia (426)
- De praedestinatione sanctorum (429)
- De dono perseuerantiae (429)
- Contra Iulianum opus imperfectum (428-430)

Gegen die Arianer (ca. 418-428)
Die Arianer sind nach dem alexandrinischen Presbyter Arius benannt, der ab 321 einen grundlegenden christologischen Streit auslöste. Arius und seine Anhänger betonten dabei die Geschöpflichkeit und Menschlichkeit Christi auf Kosten seiner Göttlichkeit in einem Maße, das schließlich 325 zur Verurteilung und zum Kirchenausschluß des Arius im Konzil von Nizäa führte. Auf Drängen Kaiser Konstantins sollte er 336 wieder in die Kirche aufgenommen werden, verstarb aber kurz zuvor. Seine christologische Lehre wirkte indes noch lange nach und fand immer wieder neue Anhängerschaft. Wichtige antiarianische Werke Augustins:
- Contra sermonem Arrianorum (418?)
- Collatio cum Maximino Arrianorum episcopo (427)
- Contra Maximinum Arrianum (428)

Weitere gelegentliche Frontstellungen
- Sermo de excidio urbis Romae (410?) (gegen antike Mythologie)
- De ciuitate dei (413-427) (‘contra paganos’ - gegen die Heiden)
- Contra Priscillianistas (415) (gegen Anhänger des Origenes)
- Contra aduersarium legis et prophetarum (ab 419) (gegen Verächter des Alten Testamentes)
- De haeresibus ad Quoduultdeum (428-429) (gegen verschiedenste Häresien)
- Aduersos Iudaeos (429/430?) (gegen die Juden)


Augustins Denken

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Inhaltsverzeichnis des PDF-Dokumentes
000 VORSPANN

001 DAS PHILOSOPHISCHE DENKEN AUGUSTINS

001.1 Die ersten Kontakte zur Philosophie

001.2 Die Begegnung mit den Neuplatonikern in Mailand

001.3 Der Neuplatonismus Augustins

001.4 Die Philosophie, Gipfel der in den ‹freien Künsten - artes liberales› vermittelten Bildung

001.5 Die drei Teile der Philosophie: Physik, Logik und Ethik

001.6 Die ‹philosophia naturalis seu physica› - Ontologie

001.6.1 Exodus 3,14: ‹hjh - ich werde für euch da sein› unter hermeneutischem Vorverständnis der platonischen Ontologie in der exegetischen Tradition vor Augustin

001.6.2 Aneignung der Zwei-Welten-Lehre Platons in De Academicis

001.6.3 Begriffliche Klärung des ‹Nichtseins - non esse›

001.6.4 ‹Das Sein im höchsten Grad - summe esse›

001.6.5 ‹Das veränderliche Sein - mutabile esse›

001.6.5.1 Das dem Veränderlichen zugeteilte Sein - ‹participatio - Teilhabe›

001.6.5.2 ‹Ähnlichkeit - similitudo› und ‹Unähnlichkeit - dissimilitudo› des Veränderlichen mit seiner transzendenten Urform

001.6.5.3 Begrenzung des veränderlich Seienden durch die Ternare ontologischer Strukturelemente wie ‹Maß - mensura›, ‹Zahl - numerus› und ‹Gewicht -pondus›

001.6.5.3.1 Das dem Veränderlichen zugedachte ‹Maß›

001.6.5.3.2 Die dem Veränderlichen zugedachte ‹Zahl›

001.6.5.3.3 Das dem Veränderlichen zugedachte ‹Gewicht›

001.6.6 Ontologie der drei Stufen und des zweigeteilten Seins

001.7 Die ‹philosophia rationalis seu logica› - Erkenntnislehre

001.7.1 Die wichtigeren Termini der augustinischen Erkenntnislehre

001.7.2 Die prinzipielle Zweiteilung der stets objektbezogenen Erkenntnis

001.7.3 Die Sinneserkenntnis

001.7.3.1 Die fünf Sinne

001.7.3.2 Die vier Elemente und die dominierende Rolle des Feuers bzw. des Lichtes

001.7.3.3 Das Gehirn mit seinen drei Kammern

001.7.3.4 Die Sinnesempfindung

001.7.3.5 ‹Der innere Sinn - sensus interior›

001.7.3.6 Die Rolle des Gedächtnisses bei der Sinneswahrnehmung und die Reproduzierbarkeit der im Gedächtnis aufbewahrten Sinneseindrücke durch die Erinnerung

001.7.3.7 Die fantasíai und die fantásmata - Aktivitäten des sinnlichen Gedächtnisses

001.7.3.8 Die Gewissheit der Sinneserkenntnis

001.8 Die ‹philosophia moralis seu ethica› - Ethik
Dieser Text über Augustins Denken wird laufend erweitert (aktueller Stand: 26.6.00).

Bei Fragen, Anmerkungen, Anregungen usw. schreiben Sie bitte an

Cornelius Mayer