Der heilige Basilius von Cäsarea (330–379) erlebte den Trinitätsstreit. Geprägt von gläubigen Verwandten erkannte er im asketischen Leben seinen Weg der Nachfolge. – Ein fiktives Interview im Rahmen einer Kirchenväter-Serie der überregionalen katholischen Wochenzeitung Die Tagespost. VON CLAUDIA KOCK
Guten Tag, ehrwürdiger Vater! Es ist eine Ehre, Sie interviewen zu dürfen. Danke, dass Sie sich dafür die Zeit nehmen.
(lacht): Zeit habe ich hier in der Ewigkeit in Hülle und Fülle …
Im irdischen Leben war das anders, oder? Sie haben so viel geschrieben ...
Nun ja. Leider war mir kein sehr langes Leben beschieden, gerade mal knapp 50 Jahre. Meine Gesundheit hat mir immer sehr zu schaffen gemacht, vor allem meine Leber. Einmal geriet ich in Streit mit einem Präfekten, und im Zorn drohte er mir, er würde mir die Leber aus dem Leib schneiden. Ich antwortete, dass ich ihm dafür sehr dankbar wäre. (lacht) Da ich nur von Brot, Wasser und Gemüse lebte, war ich sehr mager. Nach Ihrem heutigen Verständnis war es Mangelernährung, für mich dagegen ein Verzicht, der mich näher zu Gott bringen sollte. Aus demselben Grund trug ich – auch als Bischof – immer sehr einfache Kleidung und badete fast nie. Die Menschen waren sicher dankbar, dass ich sehr zurückgezogen lebte.
Ich war etwas in Sorge, dass Sie als einer der vier «großen östlichen Kirchenlehrer» es vielleicht als unter Ihrer Würde betrachten würden, von einer Frau interviewt zu werden.
Aber wo denken Sie hin! Immer diese Vorurteile! Ich habe gerade den Frauen in meiner Familie so viel in meinem Glaubensleben zu verdanken.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel meiner Großmutter Makrina. Sie war eine sehr gebildete Frau. In ihrer Jugend gab es in ihrer Heimatstadt Neocaesarea einen Bischof Gregor, genannt «der Wundertäter», der die Menschen für den Glauben begeisterte. Unter ihm konvertierte fast die ganze Stadt zum Christentum. Meine Großmutter war eine Schülerin von ihm. Als sie etwa 40 Jahre alt war, kam Kaiser Diokletian an die Macht. Er ließ die Christen unbarmherzig verfolgen, um den alten Götterkult wiederherzustellen. Makrina verlor damals ihren Mann, meinen Großvater, der als Märtyrer starb. Die Eltern meines Vaters hatten ebenfalls ein hartes Schicksal erlitten: Sie waren in die Berge geflohen und mussten sich sieben Jahre lang in der Wildnis durchschlagen.
Welche Rolle spielte Makrina in Ihrem Leben?
Von Makrina habe ich als kleiner Junge die Grundlagen des Glaubens gelernt. Meine älteste Schwester wurde nach ihr benannt, und auch von ihr habe ich viel im geistlichen Leben gelernt. Sie war später Oberin einer Gemeinschaft geweihter Jungfrauen. Übrigens wurden alle drei – meine Großmutter, meine Mutter und meine Schwester – nach ihrem Tod heiliggesprochen, ebenso wie mein Vater, dessen Namen ich trage, und meine jüngeren Brüder Gregor, der spätere Bischof von Nyssa, und Peter, Bischof von Sebaste. Wir waren sozusagen eine «Familie von Heiligen», in der Männer und Frauen eine bedeutende Rolle spielten.
Die Suche nach Gott stand in Ihrem Leben also immer im Mittelpunkt?
Nicht von Anfang an. Als junger Mann träumte ich von einer Karriere als Rhetor. Ich wollte auf der politischen Bühne glänzen, weltlichen Einfluss nehmen, viel Geld verdienen.
Und dann?
Dann erlebte ich mit Mitte 20 eine innere Umkehr. Es war, als würde dieses ganze schillernde Leben wie eine Seifenblase zerplatzen. Meine Schwester Makrina hatte sich schon lange dem asketischen Leben zugewandt und redete mir immer wieder ins Gewissen. Eines Tages stand mir plötzlich das Licht vor Augen, das vom Evangelium ausstrahlte, und ich erkannte, wie erbärmlich die ganzen Eitelkeiten waren, nach denen ich gestrebt hatte: Macht, politischer Einfluss, ein Leben im Luxus. Ich ließ mich taufen, verschenkte meinen Besitz an die Armen und beschloss, Mönch zu werden.
Sie haben sich also aus der Welt zurückgezogen?
Zunächst ja. Ich bin viel herumgereist, in Syrien, Palästina, Ägypten, um die dortigen Mönche zu besuchen und von ihnen zu lernen. Dabei machte ich eine wichtige Entdeckung: dass das Mönchtum ein großes Potenzial für die ganze Kirche haben kann, wenn es in die Ortskirche integriert ist. Mönche können Schulen und Spitäler führen, sich der Armenfürsorge widmen. Mit dieser Erkenntnis kehrte ich in meine Heimat zurück und gründete eine Gemeinschaft, für die ich eine Regel verfasste, an der sich die Mönche im Osten bis heute orientieren. Im Westen hat der heilige Benedikt knapp 200 Jahre später meine Regel aufgegriffen und eine eigene Form des westlichen Mönchtums daraus entwickelt.
364 wurden Sie zum Priester geweiht…
Ja. Ich empfing die Weihe aus der Hand von Dianius, damals Erzbischof meiner Heimatstadt Caesarea. Uns verband eine enge Freundschaft, die jedoch daran zerbrach, dass er sich von den Beschlüssen des Konzils von Nizäa abwandte und sich zum arianischen Glauben bekannte – ein schwerer Schlag für mich.
Warum war das so wichtig? Waren das nicht nur theologische Spitzfindigkeiten? Konnten Sie nicht trotzdem befreundet sein?
Das muss man aus der Zeit heraus verstehen. Wir lebten in einer Epoche, in der das Christentum dabei war, sich als Religion der Mehrheit in der Gesellschaft durchzusetzen. Viele Fragen mussten theologisch geklärt werden: Wer ist dieser Christus, dem wir nachfolgen? Ein besonders begnadeter Mensch? Oder ein Gott? Der Sohn Gottes, wie er selbst gesagt hatte? Und wie konnte Gott einen Sohn haben? All diese Dinge galt es theologisch, vor allem auf der Grundlage der Heiligen Schrift, zu klären. Denn man konnte die Christusnachfolge ja nicht einfach der Phantasie des Einzelnen überlassen – mit allem, was damit verbunden war: das Verständnis von Ehe und Familie, karitative Werke, das Totengedenken, die staatliche Ordnung und vieles mehr. Das Konzil von Nizäa hatte im Jahr 325 die Grundlagen für die Trinitätslehre gelegt. Gregor der Wundertäter war seinerzeit ein energischer Verfechter der göttlichen Natur Christi gewesen, gehörte also zu den Theologen, die das nizänische Glaubensbekenntnis vorbereiteten.
Wie reagierte Ihre Familie auf die Entwicklung?
Meine Großmutter Makrina hatte von ihm den trinitarischen Glauben übernommen. Für sie und meine ganze Familie war es eine große Freude, als das Konzil von Nizäa die Trinitätslehre für die ganze Kirche verbindlich festlegte. Das war etwa fünf Jahre vor meiner Geburt: Ich wuchs also in einem Umfeld heran, in dem der Glaube von Nizäa hoch geachtet wurde. Dass Dianius sich einer Strömung anschloss, die diesen Glauben in Frage stellte, erschütterte mich sehr. Wir haben uns allerdings an seinem Totenbett wieder versöhnt, als er den nizänischen Glauben wieder annahm. Auch in drei Büchern gegen den Arianer Eunomius habe ich die Trinitätslehre von Nizäa verteidigt.
Nach Ihrer Bischofsweihe im Jahr 370 haben Sie außerdem ein großes Werk über den Heiligen Geist geschrieben und damit den nächsten wichtigen Schritt in der Entwicklung der kirchlichen Lehre vorbereitet: das Konzil von Konstantinopel im Jahr 381. Können Sie uns abschließend etwas dazu sagen?
Das Konzil von Nizäa hatte zwar anerkannt, dass der Heilige Geist neben dem Vater und dem Sohn die dritte Person der göttlichen Dreifaltigkeit sei, aber es bedurfte noch einer weiteren Vertiefung – vor allem im Hinblick darauf, was der Heilige Geist für die Gläubigen, für die Kirche bedeutet. Er ist es, der die Kirche mit seinen Gaben erfüllt, sie beseelt und sie heilig macht: Dieses Thema wollte ich vertiefen. Das Konzil von Konstantinopel hat dann die Göttlichkeit des Heiligen Geistes endgültig als Dogma festgelegt – unter dem entscheidenden Einfluss meines Bruders Gregor von Nyssa und unseres Freundes Gregor von Nazianz. Ich selbst war schon zwei Jahre zuvor meiner Krankheit erlegen. So durfte ich das Konzil von der Ewigkeit her begleiten.
LESETIPPS
|
© Die Tagespost vom 20.08.2020, Seite 12 (siehe Online-Fassung unter www.die-tagespost.de)
Wir danken der Redaktion der Tagespost und der Johann Wilhelm Naumann Verlag GmbH für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung in unserem Webportal.