Ambrosius von Mailand (339–397) war Präfekt in Mailand und galt als guter Politiker. 374 wurde der noch Ungetaufte Bischof. In kurzer Zeit eignete er sich theologische Kenntnisse an und schaltete sich zielstrebig in die Auseinandersetzungen mit den Arianern ein. In der Osternacht 387 taufte er Augustinus von Hippo. Ambrosius gilt als Begründer des Gemeindegesangs in der Liturgie. Eine Übertragung seines Hymnus «Veni, redemptor gentium» gehört in der Fassung «Komm, du Heiland aller Welt» zum katholischen Liedgut. – Ein fiktives Interview im Rahmen einer Kirchenväter-Serie der überregionalen katholischen Wochenzeitung Die Tagespost. VON MARIANNE SCHLOSSER
Lieber Bischof Ambrosius, Sie können auf eine außerordentlich erfolgreiche Laufbahn als Bischof und theologischer Lehrer zurückblicken, Sie waren geachtet und geliebt: Wer wird schon per Akklamation vom Katechumenen zum Bischof gekürt! Aber Sie wollten zunächst die Leute mit allen Mitteln davon abbringen, und als das misslang, versuchten Sie unterzutauchen. Warum?
Ich bitte Sie, welcher vernünftige Mensch will Bischof werden? Denken Sie an Martin vonTours, Johannes Chrysostomus, Gregor von Nazianz, auch Augustinus – um lediglich ein paar meiner Zeitgenossen zu nennen! Ich selbst war ja nicht einmal Theologe gewesen, sondern kam aus der zivilen Verwaltung: «Man hat mich jählings in den Priesterdienst entführt!». Ich wusste, die Begeisterung der Bevölkerung würde nicht anhalten. Sie erwarteten von mir die Integrierung verschiedener Glaubensrichtungen. Sobald sich zeigte, dass ich keinerlei Kompromisse in Bezug auf die Konzilsbeschlüsse von Nizäa machen würde, erhielt ich Todesdrohungen. Denn die politischen Machthaber hatten großes Interesse, der arianischen Partei wieder zu Oberwasser zu verhelfen.
Im Jahr 386 eskalierte die Sache. Man hört, Sie hätten im Streit um Kirchengebäude die Besetzer unterstützt?
Die Kirche gehörte ja uns! Ich war bereit, mein persönliches Vermögen und auch mein Leben zu geben, aber nicht bereit, eine katholische Kirche zu räumen. Ich musste dem Kaiser offen sagen: «Du hast kein Recht auf Dinge, die Gott gehören!». Gott sei Dank konnte ich Straßenschlachten verhindern. Ich harrte mit den Gläubigen in der Basilika tagelang aus, predigte über die Heilige Schrift, und sang mit ihnen Hymnen und Psalmen.
Womit für immer Ihr Name verbunden sein wird! Ihr Schüler Augustinus, damals kurz vor der Taufe, beschreibt in seinen «Bekenntnissen», wie sehr ihn dieser Gesang beeindruckt hat. Wie ist es Ihnen gelungen, diesen skeptischen, karrierebewussten Intellektuellen, der von der katholischen Kirche zunächst so gut wie «nichts erwartete», zu gewinnen?
Nun, nicht ich habe ihn gewonnen, sondern die Gnade Gottes hat ihn gezogen. Das schreibt er selber. Zuerst habe er Sympathie für mich persönlich empfunden, nicht für das, was ich zu sagen hatte. Dann begann er, selber Berufsredner, meinen Predigtstil zu schätzen. Und über dieses äußerliche Interesse bekam er mehr und mehr auch etwas vom Inhalt mit – zum Beispiel was es für Christen bedeutet, dass der Mensch Abbild Gottes ist, und nicht Gott ein Abbild des Menschen! Mein Rat wäre also: Anderen auf der menschlichen Ebene in Güte zu begegnen; solide studieren – ich nützte vor und nach meiner Bischofsweihe jede freie Minute dafür; und dann «als getreuer Knecht mit der guten Speise des Glaubens die Herde Christi nähren». Die Schönheit von Sprache und Musik kann eine Tür zur Wahrheit sein: Sie weckt das Heimweh nach der Seligkeit, zu der wir berufen sind!
Zurück zur Politik. Gegen die Beschlagnahmung zweier Kirchen haben Sie sich erfolgreich gewehrt. Sie wurden dann zu einem Religionsgespräch mit dem Arianer-Bischof Auxentius eingeladen – aber Sie lehnten ab. Warum?
Weil der Kaiser, der noch nicht einmal getauft war, darin Schiedsrichter sein wollte! Das ist Anmaßung: «Wann hast du je gehört, dass in Glaubenssachen Laien über einen Bischof gerichtet hätten? Sollen wir solche Bücklinge machen, dass wir auf unser bischöfliches Recht vergessen und anderen überlassen, was Gott uns Bischöfen anvertraut hat?». Ich habe mich aber nicht gescheut, zu den irrigen Lehren des Auxentius öffentlich, in Wort und Schrift, Stellung zu beziehen.
Sie werden beschrieben als väterlich, gütig, einfühlsam und mitleidsvoll. Aber manchmal waren Sie unnachgiebig. Zum Beispiel, als römische Senatoren beim Kaiser um die Wiederaufstellung einer Statue der römischen Göttin Victoria ansuchten. Hätte man dem nicht aus Gründen der Toleranz stattgeben können?
Die Aufstellung dieses Altars hätte die christlichen Senatsmitglieder gezwungen, auf ihn zu schwören – andernfalls aber der Versammlung fernzubleiben! Das war die Absicht dahinter. Ich schrieb dem Kaiser, dass «niemand gezwungen werden kann, etwas zu verehren, was er nicht verehren will». Und dass er, wenn er «dem wahren Gott dient, auf keinen Fall damit einverstanden sein darf, dass den Götzen geopfert wird»; im Klartext: er darf mit öffentlichen Geldern diese Kulte und deren Priesterschaft nicht finanzieren. Ich hatte noch lebhaft in Erinnerung, dass die gleichen Leute, die jetzt ideelle und finanzielle Unterstützung forderten, «niemals unser Blut geschont, die Kirchengebäude dem Erdboden gleichgemacht und uns erst kürzlich das Recht zu reden und zu lehren, genommen hatten».
Sie haben dem Kaiser mit Exkommunikation gedroht ...
So ungefähr. Aber zuerst habe ich eine Abschrift des Antrags angefordert, um diesen gründlich zu widerlegen! Und ich habe dem Kaiser geschrieben, dass die Kirche auf seine finanzielle Förderung verzichten werde: «Die Kirche mag deine Geschenke nicht, weil du die Tempel der Heiden mit Geschenken geschmückt hast!»
Notfalls lieber eine «arme Kirche»?
«Er, der die Apostel ohne Geld aussandte (Matthäus 10,9), hat auch die Kirche ohne Geld vereinigt. Die Kirche besitzt das Geld nicht, um es aufzubewahren, sondern um der Not abzuhelfen.» Gewiss, im Gottesdienst sollen kostbare Geräte verwendet werden; aber nötig haben die Sakramente das Gold nicht! Sie sind nämlich auch für Geld und Gold nicht zu haben. «Kostbarer sind die lebendigen Gefäße Gottes, als die metallenen.» Achtet auf die Seelen, nicht auf das Geld!
Stichwort Seelsorge. Das Problem der getauften Heiden, die rapide abnehmende Kirchenbindung bedrückt uns. Können Sie uns dazu einen Rat geben?
Auch in meiner Gemeinde gab es genug Opportunisten, Mitläufer, Heuchler, Intriganten beiderlei Geschlechts. «Ich stöhnte oft, wenn ich sah, wie die Habsucht üppig wucherte – selbst unter unverheirateten Priestern und Diakonen, deren Anteil doch Gott allein ist.» Wichtig ist die gründliche Unterweisung der Täuflinge wie der Getauften: In der Taufe wird der Mensch durch Gottes Wort neu, ähnlich wie Brot und Wein in der Eucharistiefeier gewandelt werden. Das heißt aber nicht, dass mit der Initiation alles erledigt sei! Wir sind dazu berufen, durch unser Leben das empfangene Wort zur Welt zu bringen. Der Glaube ist etwas Wunderbares, nicht einfach eine Weltanschauung unter anderen. Das müsst Ihr wieder verkünden!
Jedenfalls hat Ihre Verkündigung einige Früchte getragen! Sie hatten damals offenbar keine Probleme mit mangelnden Berufungen zum zölibatären Leben. Sie selbst schrieben einmal, die Mädchen und Frauen kämen bis von Nordafrika, um von Ihnen die Jungfrauenweihe zu empfangen. Worauf führen Sie das zurück?
Was Sie eben zitierten, war an die Adresse von Eltern in Mailand gerichtet, die ihre Töchter nicht zu meinen Predigten kommen lassen wollten – aus Furcht, diese könnten sich zu einem gottgeweihten Leben entschließen! Entscheidend ist: Wie können wir ein Umfeld bereiten, das Berufungen, so Gott sie gibt, mit Freude und Dankbarkeit aufnimmt? Ich wusste mich in besonderer Weise verantwortlich für diese Frauen und ihre geistliche Formation. Ja, die Wertschätzung eines Bischofs für das gottgeweihte Leben, die Sorge um die Berufenen und deren Ermutigung, ist ungeheuer wichtig für die Blüte von Berufungen in einer Ortskirche.
Darf ich fragen: Was haben Sie für ein Frauen-Bild? Sollen Frauen in der Kirche schweigen?
(lacht) Darauf hat ja der Apostel Paulus schon eine Antwort gegeben – soll ich ihm etwa widersprechen? «Schweigen» heißt nicht «Stumm-sein»! Darum sagte ich: «Es passt sehr gut, dass Frauen in der Kirche singen»! Frauen, vor allem die Gottgeweihten, sollen sich mit dem Wort Gottes befassen und im Glauben gut unterrichtet sein. Mit meiner Schwester Marcellina – «mir teurer als mein Auge und mein Leben!» – habe ich einen regen brieflichen Austausch gepflegt, sie war eine echte Gefährtin und Vorbild für mich. Die Kirche ist weiblich. Sie ist unsere Mutter, die Braut des Herrn. Maria ist die vollkommenste Verwirklichung dessen, was die Kirche sein soll, und was jede menschliche Seele sein soll: Braut des Wortes Gottes. Auch Männern steht es gut an, im Schweigen auf Gottes Wort zu hören und es zu befolgen. Es gibt ja «ein wirksames Schweigen. Über das nutzlose Wort werden wir zur Rechenschaft gezogen, über das nutzlose, träge Schweigen aber ebenfalls.» Das habe ich in meinem Werk «Über die Pflichten» – wohlgemerkt: der Kleriker! – dargelegt.
Die Verfasserin lehrt Christliche Spiritualität an der Universität Wien.
LESETIPPSDas Interview bezieht sich auf «Das Leben des heiligen Ambrosius», verfasst von Paulinus von Mailand, die «Bekenntnisse» des hl. Augustinus, Briefe und verschiedene Schriften des Ambrosius, darunter seine Psalmen-Auslegung und Katechesen. Quellen
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© Die Tagespost vom 27.08.2020, Seite 12 (siehe Online-Fassung unter www.die-tagespost.de)
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