Rezensionen
Theologie und Philosophie 80 (2005) 273-276 (H.-J. Sieben S.J.)
Wir danken dem Herder-Verlag für die Abdruckgenehmigung.
Seit einer Reihe von Jahren schon sind die vom Würzburger Zentrum für Augustinus-Forschung zur Verfügung gestellten Arbeitsinstrumente für seriöse Arbeit über Augustinus unverzichtbar. Hierzu gehören das (leider viel zu langsam voranschreitende) Augustinus-Lexikon (vgl. unsere jeweiligen Rez. in dieser Zeitschrift), die über Internet zugängliche Literaturdatenbank und das im Verlag Schwabe 1996 veröffentlichte Corpus Augustinianum Gissense, eine elektronische Edition der Werke des Kirchenvaters, die in ihrem gegenwärtigen Bestand mehr als 100 Schriften und mehr als 5 Millionen Wörter umfassen. Die hier vorliegende CD-ROM stellt die zweite Auflage des letztgenannten Arbeitsinstrumentes dar. Es gibt bekanntlich noch zwei weitere elektronische Erfassungen der Werke Augustins, einerseits im Rahmen der PATROLOGIA LATINA DATA-BASE, andererseits der CLCLT (CETEDOC Library of Christian Latin Texts). Im Vergleich zu diesen beiden stellte schon das CAG 1 einen beträchtlichen Fortschritt dar, nicht nur, weil hier zusätzlich zu den Texten auch eine über 27.000 Titel verfügende Literaturdatenbank geboten wurde, sondern vor allem, weil die Arbeitsmöglichkeiten mit den gespeicherten Texten entschieden erweitert waren. Das jetzt vorliegende CAG 2 greift nun eine ganze Reihe von Verbesserungsvorschlägen der internationalen Forscherkommunität auf und kann ohne Zögern im Vergleich zum CAG 1 als, wie das mitgelieferte Handbuch selber sagt, „erheblich verbessert" und als .bestes Arbeitsinstrument der Augustinus-Forschung" (7) bezeichnet werden.
Zu den sehr positiven Seiten der vorliegenden CD-ROM gehört zunächst das mitgelieferte Handbuch (deutsch, englisch, französisch und spanisch). Es ist von vorbildlicher Klarheit. Auch wer nicht im Computer-Zeitalter aufgewachsen ist oder sich vielleicht überhaupt mit technischen Einrichtungen schwertut, erlernt die Grundfunktionen spielend in einer einzigen Stunde. Wer tiefer in die „Geheimnisse" eindringen will, bekommt hierzu klare Anweisungen. Bleiben wir zunächst noch bei dem Begleitbd.! Er enthält außer der genannten Einführung in die Benutzung der CD-ROM 6 Appendices: 1) Die Werke Augustins in etwa chronologischer Reihenfolge. Deren vom AugLex übernommene Abkürzungen prägt man sich übrigens am besten ein, so daß man einen schnellen Zugang zu den jeweils gewünschten Werken findet. 2) Augustins Werke in Werkgruppen. Diese Einteilung erlaubt eine Bevorzugung bestimmter Werke bei bestimmten Recherchen. 3) Eine Bibliographie zu den Tabellen der Enarrationes in psalmos. Ebenso wie auch die Briefe ist das genannte Werk in seinen einzelnen Bestandteilen, also Psalm für Psalm, aufrufbar, und dort mit speziellen Informationen versehen. Schon hier sei der Vorschlag gemacht, in einer eventuellen dritten Auflage einen ebensolchen Service auch für die lo. eu. tr. zu bieten. 4) Eine Liste der Referenzen: Sie besteht aus lateinischen Termini, unter denen die Literaturdatenbank .angezapft' werden kann. Sie ist, wie ein Vergleich ergab, nicht einfach identisch mit der (älteren) Lemmata-Liste für das AugLex. 5) Eine Liste von Augustins Werken und kritischen Editionen. 6) Eine Liste der nicht lemmatisierten Wörter.
Werfen wir jetzt einen Blick auf die ‚Leistungen' der beiden Hauptfunktionen, der Text- und der Literaturdatenbank! Die Texte werden natürlich nach den neuesten kritischen Editionen geboten, dort wo es sie gibt, sonst nach der Patrologia Latina. Nach Auskunft der Einleitung konnten die „gelegentlichen Fehler" der verwendeten Druckvorlagen „zum größten Teil korrigiert werden". Farblich unterschieden können dabei kenntlich gemacht werden: l. Bibelzitate, 2. Fremdzitate, 3. Selbstzitate, 4. Bibelzitate innerhalb von Fremdzitaten, 5. Bibelzitate in Selbstzitaten, 6. Augustinuszitate in Fremdzitaten, 7. Fremdzitate in Fremdzitaten, 8. Bibelzitate in Fremdzitaten, 9. Selbstzitate in Fremdzitaten! Ein wichtiger Vorteil für die Wortrecherche in den Texten sind die Lemmatisierung einerseits, d.h. die Zuweisung des Wortmaterials an Grundformen, die verschiedenen Eingrenzungsmöglichkeiten innerhalb der zu durchsuchenden Texte andererseits. Was die Lemmatisierung angeht, so charakterisiert sie das Handbuch näherhin als „Roh-Lemmatisierung", d. h. extrem häufig vorkommende Vokabeln, die ebenda eigens in einer Liste aufgeführt werden, sind nicht berücksichtigt. Diese Lemmatisierung erlaubt es, mit einem einzigen Zugriff ausschließlich die für die gewünschte Recherche interessanten Stellen und eben nicht das gesamte Wortmaterial vorgelegt zu bekommen, aus dem dann noch in mühsamer Unterscheidung die relevanten auszuwählen sind.
Was die Eingrenzung des zu durchsuchenden Textes angeht, so kann man außer im gesamten Text in einzelnen Werken und in Werkgruppen suchen. Da die Texte in etwa chronologischer Reihenfolge angeordnet sind, lassen sich so Entwicklungen im Gebrauch bestimmter Termini relativ leicht feststellen. Besonders hilfreich ist in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, sich für jedes lemmatisierte Wort Auskunft über seine Frequenz geben zu lassen, d. h. näherhin über seine absolute Frequenz im Gesamtwerk bzw. in einem bestimmten opus, seine prozentual relative im Bezug auf das Gesamtwerk und seine aufgrund des Umfangs des bestimmten Werkes an sich zu erwartende. Ein Kennwort nennt schließlich das Verhältnis zwischen der erwarteten und der tatsächlichen Frequenz. Natürlich können bei der Wortsuche auch alle aus anderen Programmen bekannten logischen Operatoren eingesetzt werden.
Im Rahmen dieser Vorstellung ist es leider nicht möglich, auch nur annähernd die Optionen und Operationen im einzelnen zu beschreiben, die die vorliegende CD-ROM dem Forscher eröffnet. Nennen wir jedoch noch zwei wichtige Angebote: die Liste der griechischen Wörter und den Index der Zitate. Mit zwei oder drei Mausklicks läßt sich jetzt die Verwendung von ,homousios" im Werk Augustins ermitteln. Freilich ist hier zu beachten, daß in der betreffenden Liste nur diejenigen griechischen Termini erfaßt sind, die in den benutzten Ausgaben auf griechisch vorkommen, die übrigen lateinisch geschriebenen Formen von homousios sind über die lateinische Lemmataliste oder über die Volltextsuche zu ermitteln.
Wichtiger als die Liste der griechischen Begriffe ist für den Forscher wohl der außerordentlich umfangreiche Zitatenindex, in dem alle im Werk Augustins vorkommenden Zitate als solche markiert und in ihren Quellen nachgewiesen sind. Er enthält im Grunde drei Teile: l. die Bibelzitate aus dem Alten und Neuen Testament, 2. die Fremdzitate, 3. die Selbstzitate. Die Bibelzitate werden in der Reihenfolge der biblischen Bücher geboten. Diese Funktion ist so angelegt, daß man nicht nur, sagen wir, Dtn 6,4 in einem knappen Kontext in der Reihenfolge der chronologisch angeordneten einzelnen Werke im Navigationsfenster vor Augen geführt bekommt, sondern daß mit einem einzigen weiteren Mausklick sofort auch die ganze Seite des Werkes, auf der Dtn 6,4 vorkommt, im Textfenster erscheint. Die Liste der Fremdzitate ist zweiteilig: Ein erster Teil enthält eine Liste der wichtigeren antiken und spätantiken nichtbiblischen von Augustinus zitierten Autoren. Diese Funktion ermöglicht mit einem einzigen Mausklick die Ermittlung aller Stellen im Werk Augustins, an denen Ambrosius oder irgend ein anderer Kirchenvater oder paganer Autor zitiert wird, und zwar jeweils unter genauer Angabe der einzelnen Werke. Ein zweiter Mausklick führt auf dem Textfenster die gesamte Seite vor Augen, in der das betreffende Zitat vorkommt. Im zweiten Teil der Fremdzitate werden unter der Überschrift „Sonstige" (und nicht wie es im Begleitbuch heißt: „Andere"!) weniger wichtige nichtbiblische Autoren bzw. von Kollektiven erstellte Texte wie z. B. Konzilsprodukte aufgeführt. Der dritte Teil der Zitate, die Selbstzitate, besteht einerseits aus den Bezugnahmen der retr. auf Augustins Werke, andererseits aus sonstigen Wiederholungen eigener Aussagen z. B. in seinen Diskussionen mit seinen verschiedenen Kontrahenten, z. B. mit dem Arianerbischof Maximinus.
Wir kommen zur zweiten Hauptfunktion, der Literaturdatenbank, die nach Angabe des begleitenden Handbuches schon über 27.000 der auf insgesamt ca. 50.000 geschätzten Titel der Forschungsliteratur zu Augustinus enthält. Einige Stichproben ergaben, daß sie nicht einfach mit der im Internet zugänglichen Würzburger Literaturdatenbank identisch ist. Sie bietet meistens, aber nicht immer, mehr Treffer als die Internet-Version. Probleme scheint es bei der vorliegenden CAG 2-Version noch beim Zugang zu einigen schon gespeicherten Titeln zu geben. Während die Internet-Version z. B. bei Eingabe von concilium in der Sparte „Referenz" 193 Treffer und von concilia sogar 207 Treffer ergibt, erschien beim CAG 2 beide Male eine Null. Ähnlich ergeht es einem bei der Eingabe von concilium (concilia), also der Eingabe des entsprechenden Lemmas des AugLex. Bei dem Stichwort massa ergab es bei der Internet-Version in der Sparte „Referenz" 52, in der Sparte „Titel" 14 Treffer, im CAG 2 dagegen 0 und 13. Probleme gibt es auch bei dem Begriff „abortion". Über die „Referenz" abortus erhält man im CAG 2 zwar 21 Treffer, darunter auch Titel, in denen „abortion" vorkommt. An diese Titel gelangt man aber nicht bei Eingabe von „abortion" unter der Sparte „Titel". Hier befindet sich das CAG 2 ganz offensichtlich noch im Aufbau!
Die sofort und nicht erst nach einem weiteren Mausklick sichtbaren Schriftzitate sind sicher ein Fortschritt gegenüber der ersten Auflage; soweit die Texte jedoch aus der Patrologia Latina übernommen wurden, ist Mißtrauen, was ihre Richtigkeit angeht, angebracht. Hier ergaben Stichproben im Bereich der antiarianischen Werke Augustins nicht wenige falsche Angaben. Dies ist um so mehr zu bedauern, als das Internet eine Version dieser Texte mit entsprechenden Korrekturen enthält.
Selbstverständlich bietet das CAG 2 alle Arbeitsmöglichkeiten mit den im Textfenster aktualisierten Texten, die man von anderen Programmen her gewohnt ist, d.h., man kann ganze Textseiten kopieren, bearbeiten, speichern usw. Man kann Lesezeichen im Text anbringen, speichern und später wieder abrufen usw. Alles in allem, mit dem CAG 2 stellt das Würzburger Institut der internationalen Forschergemeinschaft ein Top-Arbeitsinstrument zur Verfügung, für das der deutschen Patrologie, in allererster Linie natürlich dem merito praestantissimo auctori des Unternehmens selbst und seinem Team tiefer Dank geschuldet ist. Nachzutragen ist noch eine wichtige Information des Herausgebers: „Der Erwerb einer CAG 2-Lizenz eröffnet Ihnen die Möglichkeit, die im CAG 2 enthaltene Literatur-Datenbank durch Updates zu aktualisieren, die wir auf unserem Server oder auf CD-ROM kostenfrei für Sie bereitstellen werden. Wir werden Sie zu gegebener Zeit informieren, daß neue Daten zur Verfügung stehen und wie Sie sie in Ihr CAG 2 integrieren können. So können wir Ihr CAG 2 auch bei eventuellen Verbesserungen oder Weiterentwicklungen der Software immer auf dem neuesten Stand halten."