Dieser Artikel entstammt dem Augustinus-Lexikon und wurde in dessen 2. Band (1996-2002) auf den Spalten 861-865 publiziert.
I. Begriff – II. Die Feier von e. in Nordafrika – III. Festinhalt – 1. Das Verhältnis von Weihnachten und e. – 2. Kindermord und Kanawunder als Festinhalt – 3. Weitere Motive der Verkündigung an e.
I. Begriff. – A. bezeichnet das Fest mit dem ursprünglich griechischen Wort e. (cf. ep. 16*,1; s. 355,6sq.), dem, wie er in den Festpredigten regelmäßig erläutert, der lateinische Begriff ‹manifestatio› entspricht [1]. Letzteren gebraucht A. über den hier betreffenden Kontext hinaus auch für andere ‹Erscheinungen›: die Selbstoffenbarung Jesu vor seinen Jüngern (cf. Io. eu. tr. 76,2), seine Erscheinungen nach Ostern [2] und das endzeitliche Offenbarwerden der Herrlichkeit und Herrschaft Gottes oder Christi [3]. Die singuläre Bezeichnung ‹apparitio› im Titel von s. 204 ist der späteren Überlieferung zuzurechnen [4].
Anmerkungen. – [1] Cf. s. 200,1; 201,3; 202,1; 203,1; 204,1; 373,1; 375; s. Dolbeau 23,23. Zur Wortgeschichte von ἐπιφάνεια cf. Mohrmann; Vermeulen; zu e. in der lateinischen Sprache cf. Kapp/Meyer. Der in frühen liturgischen Quellen aufgrund gallischen Einflusses begegnende Begriff ‹theophania› ist bei A. nicht belegt. – [2] Cf. cons. eu. 3,79.82; Io. eu. tr. 123,3; 124,4; diu. qu. 62. – [3] Cf. z.B. diu. qu. 69,5; ep. 199,1.37.52-54; en. Ps. 51,13; s. 299,4. Zum gesamten Wortfeld von ‹manifestatio› cf. die Artikel von Hey. – [4] Zu ‹apparitio› cf. Mohrmann 264sq.
II. Die Feier von e. in Nordafrika. – Das aus dem Osten stammende und im Laufe des 4. Jh.s in der ganzen Kirche für den 6. Januar eingeführte Fest [5] wird in Nordafrika nach 360 aufgekommen sein [6]. In ep. 54,1 zählt A. es nicht zu den wichtigsten Feiern des Christusmysteriums; nach ib. 55,2 hat es für ihn nicht die zentrale Bedeutung wie Weihnachten. Doch zeigen die größere Zahl der e.-Predigten A.s [7] sowie seine Hinweise auf das jährliche Begehen des Festes [8], daß es zu seiner Zeit bereits fest verankert ist. Die Donatisten feiern es hingegen nicht wie die übrige Kirche, weil sie, so behauptet A., mit ihr und speziell mit den Kirchen des Ostens keine Gemeinschaft haben wollen [9]. Zur Liturgie des Tages gehören als Lesungen die Magierperikope Mt 2,1-12 sowie Eph 2,11-22 und Ps 18, eventuell auch Is 60,1-6 [10]. Das Kanawunder (Io 2,1-11) findet sich unter den Festmotiven, doch ist die Verwendung der entsprechenden Perikope ungewiß. Nach der Historia persecutionis Africanae prouinciae des Victor von Vita [11] ist e. im 5. Jh. (vermutlich durch östlichen Einfluß) auch Tauftermin.
Anmerkungen. – [5] Cf. s. 202,1: «per uniuersum mundum nota solemnitas». – [6] Als ‹terminus post quem› gilt die Weihnachtspredigt (ca. 362) des Optatus (↗Optatus episcopus Mileuitanus), in der das Magiermotiv noch zum Festgehalt von Weihnachten gehört; cf. Wilmart 279sq.; Mohrmann 262-267; Saxer 25sq.; Förster 105-107. Diese Predigt wird von Scorza Barcellona 10 für donatistisch gehalten, was ihre Bedeutung völlig verändern würde. Zur e.-Feier insgesamt cf. Pax 902-906; Mann; Auf der Maur 154-165; Talley 162-169. – [7] S. 199-204; 373; 375; s. Etaix 4; s. Dolbeau 23. – [8] Cf. s. 202,1: «anniuersaria repetitione»; s. Dolbeau 23,1: «anniuersaria celebratio diei huius». – [9] S. 202,2: «merito istum diem nunquam nobiscum haeretici Donatistae celebrare uoluerunt: quia nec unitatem amant, nec orientali ecclesiae, ubi apparuit illa stella, communicant»; cf. Scorza Barcellona 9sq. Gegen die ‹opinio communis›, daß die Donatisten das Fest gar nicht begingen – und somit bewahrten, was vor dem Ausbruch des Donatistenstreites in Afrika Brauch war (cf. Mann 765) –, hält es Dolbeau 585 n. 21 für wahrscheinlicher, daß sie einen anderen Festtermin hatten. Zu spekulativ erscheint hingegen die Interpretation von Förster 108sq. – [10] Zu den Schriftlesungen Saxer 26sq.; La Bonnardière; Klöckener 164-166. Beleg für eine nicht näher spezifizierte Lesung aus dem Alten Testament (Prophet?) ist auch s. 200,3. – [11] Vict. Vit. 2,47-51.
III. Festinhalt. – 1. Das Verhältnis von Weihnachten und e. – In den e.-Predigten legt A. den inneren Zusammenhang wie auch den Unterschied von Weihnachten und e. dar; dabei wird e. durchweg in Abhängigkeit von Weihnachten gesehen, nicht umgekehrt, was auf einen festtheologischen, aber auch entstehungsgeschichtlichen Vorrang von Weihnachten schließen läßt (↗Natiuitas Christi). An beiden Festen wird das Offenbarwerden Jesu, des einen Lichtes der Welt (cf. s. 199,1), gefeiert: an Weihnachten vor den Hirten als Repräsentanten der Juden, an e. vor den Magiern als den ‹primitiae gentium›, worin für A. die e. ‹im eigentlichen Sinne› besteht [12]. Beiden Empfängergruppen wird es durch Verkündigung vom Himmel (Engel bzw. Stern) vermittelt, weshalb das Psalmwort «caeli enarrant gloriam dei» (Ps 18,2a) für beide Feste gilt [13]. Diese bilden gewissermaßen ein ‹Zwillingspaar›: «oportebat itaque nos, hoc est ecclesiam quae congregatur ex gentibus, huius diei celebrationem, quo est Christus primitiis gentium manifestatus, illius diei celebrationi, quo est Christus ex Iudaeis natus, adiungere, et tanti sacramenti memoriam geminata sollemnitate seruare» (s. 204,2). Erst in der Einheit beider Feste kommt das ganze ‹spectaculum spirituale› der Inkarnation Christi zum Ausdruck: «nascitur Christus: uirgo concipit, uirgo parit, uirgo nutrit; adest fecunditas, nec abest integritas. angeli annuntiant, pastores glorificant, caeli enarrant, magi desiderant, reges formidant, Iudaei demonstrant, gentes adorant: frustrantur saeuientes, coronantur infantes, admirantur credentes» (ib. 373,5;↗Incarnatio). Der Vergleich von Weihnachten und e. zeigt die Paradoxie der Inkarnation zwischen ‹humilitas› und ‹celsitudo› Christi [14].
Eine wesentliche Differenz zwischen Juden und Heiden besteht in der Aufnahme der Erscheinung: Die Juden ‹sehen› Christus nur, die Heiden hingegen ‹beten ihn an› (‹uidere›/‹adorare›;↗Gentes,↗Iudaei) [15]; obwohl die Hirten zuerst die Gnade empfingen, ist sie doch in den Magiern und damit in den Heiden wegen deren größerer ‹humilitas› (↗Humiliatio, humilitas) reicher: «in illis gratia prior, in istis humilitas amplior» (ib. 203,2).
Ekklesiologisch legt A. im Anschluß an Eph 2,11-22 das doppelte Erscheinen Jesu so aus, daß das Wachsen der Kirche aus den beiden ‹parietes›, den Juden aus der Nähe und den Heiden aus der Ferne [16], in Jesus, dem ‹lapis angularis›, begonnen hat [17]; dieser ist dabei die verbindende ‹pax›. A. betrachtet die↗‹ecclesia› und mit ihr auch seine Gemeinde vor allem als eine Kirche aus den Heiden, die in den Magiern vorausgebildet ist [18]; der neugeborene Christus ist dementsprechend der «redemptor omnium gentium» (s. 203,1), was die Universalität des Heils unterstreicht. A. wendet das Gegenüber von Juden und Heiden auch auf die Mission der Apostel an, die als ‹pastores ex Iudaea› die Heiden zur Bekehrung rufen (cf. ib. 199,3), und benutzt es für weitere antijüdische Polemik, etwa um die ‹caecitas› der Juden aufzuzeigen [19] oder darzulegen, daß sie die Völker zum Heil führen, ohne es selbst anzunehmen [20].
2. Kindermord und Kanawunder als Festinhalt. – Knüpft A. meistens an der ‹manifestatio› vor den Magiern an, so belegt er als weiteren Festinhalt das Gedächtnis des Kindermords zu Bethlehem [21]; A. betrachtet die Kinder als noch stumme Zeugen und Märtyrer der Wahrheit Christi.
Aus s. Dolbeau 23,11 geht hervor, daß, wie in anderen Liturgiefamilien, auch in Nordafrika das Gedächtnis des Kanawunders als ‹manifestatio› Jesu zu den weiteren Festinhalten gehört: «conuertit aquam in uinum Christus, magnum miraculum: quis alius facit hoc in uite omni anno?» [22]. Die bisher weithin behauptete Beschränkung des Festinhalts in Nordafrika allein auf das Magiermotiv dürfte lediglich aufgrund der mittelalterlichen Überlieferung der A.-Predigten zustande gekommen sein [23].
3. Weitere Motive der Verkündigung an e. – In s. 199,3 und 201,1 verurteilt A. bei der Betrachtung der Magier, die er in s. Dolbeau 23,12 auch mit ‹mathematici› und ‹augures› gleichsetzt, die Astrologie (↗Astrologia, astronomia); nicht die Geburt Christi unterlag dem Geschick der Sterne, sondern der die Magier führende Stern war Christus unterworfen [24]. Die wegen ihrer bisherigen Sterndeuterei sündigen Magier werden zur Gerechtigkeit gerufen [25]. – Durch die Korrespondenz zwischen dem Aufleuchten des neuen Sterns bei der Geburt und der Verfinsterung der Sonne beim Tod Jesu wird bei der Geburt schon auf den Tod vorausverwiesen und damit die Einheit des Christusmysteriums unterstrichen (cf. s. 199,3; 200,3; 201,1); ebenso enthalten die überbrachten Gaben Gold, Weihrauch und Myrrhe beide Aspekte [26]. – Das Fest selbst verlangt, wie alle Feste (↗Celebrare, celebratio), die Korrektur des Lebensweges gemäß der Wahrheit des Evangeliums (cf. ib. 202,4; s. Dolbeau 23,23).
Anmerkungen. – [12] S. 204,1: «epiphania proprie ... dicitur»; cf. ib. 200,1.4; 201,1; 202,1; 203,1.3; 373,1; 375; s. Dolbeau 23,14.23. – [13] Cf. s. 201,1; 203,1; 204,1; 373,1. – [14] Cf. ib. 200,1; 373,2.5; dazu Madec 899sq. – [15] Cf. ib. 199,3; 200,3; 201,1; 202,1; 203,3. – [16] Cf. s. 199,1; 200,4; 202,1; 203,1; 204,2. – [17] Cf. s. 199,1; 200,4; 201,1; 202,1; 203,1; 204,2sq.; 373,1; 375; dazu La Bonnardière 85sq. – [18] Cf. s. 200,4; 202,4; 203,3; 204,2. – [19] Cf. z.B. ib. 200,3; 204,3, ferner ib. 201,2. – [20] Cf. ib. 201,3; 202,3; 373,4; s. Dolbeau 23,14sq. – [21] Cf. s. 199,2; 200,2; 202,2; 373,3; 375; cf. auch Leclercq 19; Saxer 26sq.; Klöckener 164sq. – [22] Cf. Klöckener 165sq. – [23] Dies legt s. Dolbeau 23 nahe; cf. Dolbeau 580-582.586sq.; Klöckener 165sq. – [24] Cf. Scorza Barcellona 7-13; Dolbeau 585; zur ähnlichen Argumentation gegen den Sonnenkult in den a. Weihnachtspredigten cf. Roetzer 40sq. – [25] Cf. s. 200,4, weiterhin ib. 202,2; s. Dolbeau 23,18.23 – [26] Cf. ib. 202,2; zu weiteren Themen cf. Hudon.
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Martin Klöckener