ZENTRUM FÜR AUGUSTINUS-FORSCHUNG

AN DER JULIUS-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT WÜRZBURG

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Fecisti nos ad te, domine, et inquietum est cor nostrum donec requiescat in te.

Confessiones 1,1

Geschaffen hast du uns auf dich hin, o Herr, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.

Bekenntnisse 1,1

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Der Würzburger Augustinus-Studientag befasst sich mit der augustinischen Perspektive auf das Lernen, Lehren und Leiten. Von REGINA EINIG

  • augustinus lehrt in rom
  • Augustinus lehrt in Rom (Benozzo Gozzoli, 1465). San Gimignano, Chiesa di Sant′Agostino. – Bildquelle: wikimedia commons

Trübe Erinnerungen an die eigene Schulzeit können sich für die Nachwelt als pädagogisch wertvoll herausstellen. Das zeigen die autobiografischen „Bekenntnisse“ des heiligen Augustinus (354–430). Der kürzlich vom Zentrum für Augustinusforschung an der Universität Würzburg veranstaltete 16. Studientag befasste sich kurzweilig und lehrreich mit augustinischen Wegen in gesellschaftlichen und kirchlichen Bildungsräumen und bot lebendige Einblicke in das spätantike Bildungswesen.

Verhasste Fächer kannte der spätere Kirchenlehrer und Bischof von Hippo ebenso wie Faszination für den Lernstoff. Konrad Vössing (Bonn) entfaltete sehr anschaulich die von Augustinus überlieferten Unterrichtserfahrungen – vom ungeliebten Griechischunterricht bis zur Begeisterung für den Lateinunterricht der Grammatiker und die Rhetorik. Begeistert von lateinischer Literatur und dem Theater, übte sich Augustinus mit Erfolg als Rhetor. Den rein instrumentalen Charakter der Ausbildung sollte er später kritisch bewerten.

Zunächst bedeutete die Schule für den jungen Augustinus jedoch den Beginn des Lebenskampfs – einer der vielen Gesichtspunkte, derentwillen Augustins autobiografische Erinnerungen ein wahres Leseerlebnis darstellen. Der von den Eltern sorgfältig geförderte hochbegabte Sprössling stand im schulischen Wettbewerb um Prestige und Anerkennung und sollte anschlussfähig werden an die Elite seiner Zeit. Anders als heute war höhere Bildung in der Spätantike kein atmender Deckel, sondern „ein System, das sich weitgehend selbst regelte, befeuert vom Treibstoff der sozialen Anerkennung und des Aufstiegs“, so Vössing. Weil auf gesellschaftlicher Ebene unstrittig gewesen sei, was zu lernen war, um gebildet zu erscheinen und nach oben zu kommen, sei staatlicher Einfluss auf die Lehrinhalte ebenso überflüssig gewesen wie feste Regeln für die Organisation.

Auch wenn der Aufstieg vom Provinzschüler zum gefeierten Rhetoriker Augustins Persönlichkeit prägte und den Wert höherer Bildung klar vor Augen führte, ließ er sich nicht blenden vom Erfolg. Die Schattenseiten des intellektuellen Wettstreits zu erkennen und zu kritisieren war Vössing zufolge nur einem Autor möglich, der eine Perspektive von außen gewinnen konnte. Schon das harte Brot des Lehrerberufs mit undisziplinierten und unredlichen Schülern bewahrte Augustinus vor Illusionen. Andererseits bestand bis zum Ausgang der Spätantike keine genuin christliche Alternative zum bestehenden öffentlichen Schulwesen, wie Peter Gemeinhardt (Göttingen) unterstrich. Die Hinwendung zum Glauben wandelte jedenfalls Augustins Bildungverständnis. So erkannte der Bischof von Hippo in der Kirche die eigentliche „öffentliche Schule“, weil ihre Ermahnung und Lehre nicht nur einem exklusiven Kreis zugänglich sei, sondern Männern und Frauen jeden Alters und Standes.

Wie treffend diese Einschätzung ist, faltete Gemeinhardt in seinem Beitrag über das Christentum als Bildungsreligion aus. Mit der Taufe beginne ein lebenslanger Bildungsweg. In der Antike habe sich der Taufbewerber intensiv mit Ethik und Dogmatik befasst und nach der Taufe mystagogische Katechesen über die Sakramente erhalten. Von Anfang an habe sich das Christentum abgesetzt von der Welt und mit dem ungeschriebenen Gesetz gebrochen, das rhetorisches Können für die Teilnahme am öffentlichen Diskurs vorschrieb. „Wahrheit kann aus christlicher Perspektive dagegen von jedem und jeder ausgesprochen werden, nicht nur von einer kleinen, sich selbst produzierenden Elite“, so Gemeinhardt. Christliche Bildung heiße nicht, den Habitus der Gebildeten einfach zu übernehmen, sondern umzugestalten.

Wie pastoral klug und zugleich kreativ Augustinus selbst als Lehrer und Katechet vorging, zeigten die Beiträge von Elisabeth Reil (Koblenz-Landau) und Therese Fuhrer (München). Fuhrer veranschaulichte anhand der Musikpädagogik Augustins, wie Zahl und Rhythmus Grundlagen des Lernens bilden und das Verständnis für Maß im übertragenen Sinn fördern können.

Reil zog die Linien vom augustinischen Katecheseverständnis zum modernen Motivationstraining aus.

In der Diskussion zeigte sich, wie vielschichtig die Texte Augustins bis heute auch in der Übersetzung in die Muttersprache bleiben. Zum einen, weil in der Spätantike von einem Bildungssystem im modernen Sinn noch keine Rede sein konnte, zum anderen, weil Augustinus selbst Begriffe wie Rhetorik auch als Chiffren einsetzte – für Überzeugung beispielsweise. Lehrreich für die Gegenwart ist nicht zuletzt das Christusbild des Augustinus: In seinen Predigten hebt der Kirchenlehrer den Erlöser immer wieder als den eigentlichen Lehrer hervor. Modernen Verflachungen, die nicht selten dazu neigen, Christus lediglich als Bruder und Freund darzustellen, seine Lehrautorität aber stillschweigend auszublenden, wirkte der Bischof von Hippo wortmächtig entgegen. Dass der reife Augustinus in seiner Kritik an Bildung und Redekunst nicht auf die geschliffene Sprache des gelernten Rhetors verzichtete, dürfte ihm selbst bewusst gewesen sein. Vössing verortete darin einen „ironischen Widerspruch“. Dem wachen Gelehrtenblick des Bischofs von Hippo selbst dürfte er nicht entgangen sein. Der hervorragend besuchte und Christof Müller souverän moderierte Studientag stellte erneut unter Beweis, dass das Würzburger Zentrum für Augustinusforschung es versteht, die Welt der Spätantike anschaulich und lebendig zu vermitteln sowie die zeitlose Aktualität der Gestalt und des Werks Augustins zu unterstreichen.

  • Augustinus-Studientag 2018Die Referentinnen und Referenten des 16. Würzburger Augustinus-Studientages mit Veranstaltern von ZAF und Universität. V.l.n.r.: Der Gründer und ehemalige Leiter des ZAF, Prof. em. Dr. Cornelius Petrus Mayer OSA, Prof. Dr. Konrad Vössing, Prof. Dr. Therese Fuhrer, Prof. Dr. Peter Gemeinhardt, Prof. Dr. Elisabeth Reil, Prof. Dr. Christian Tornau, der wissenschaftliche Leiter des ZAF, Prof. DDr. Christof Müller, und der Redaktor des Augustinus-Lexikons, Dr. Andreas E.J. Grote. – Foto: ZAF

© Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur vom 14.06.2018, Seite 27

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