ZENTRUM FÜR AUGUSTINUS-FORSCHUNG

AN DER JULIUS-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT WÜRZBURG

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Fecisti nos ad te, domine, et inquietum est cor nostrum donec requiescat in te.

Confessiones 1,1

Geschaffen hast du uns auf dich hin, o Herr, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.

Bekenntnisse 1,1

Würzburg, Museum am Dom, 27. Mai 2011

  • Augustinus über die Anmaßung, sich Lehrer eines anderen nennen zu wollen
    Festrede anlässlich der Präsentation von Augustinus-Lexikon, Band 3
    27. Mai 2011, Würzburg, Museum am Dom
    Von Professor Dr. Dr. h.c. Winfried Böhm

    Im Anschluss an die augustinische Lerntheorie sprach Professor Dr. Dr. h.c. Winfried Böhm über die 'Anmaßung, sich Lehrer eines anderen zu nennen'.
    Im Anschluss an die augustinische Lerntheorie sprach Professor Dr. Dr. h.c. Winfried Böhm über die "Anmaßung, sich Lehrer eines anderen zu nennen".
    Schon als Student habe ich mich darüber gewundert, dass Augustinus in den geläufigen Geschichten der Pädagogik entweder gar nicht oder nur am Rande auftaucht: Als ich gegen Ende meiner akademischen Laufbahn selbst Autor einer Geschichte der Pädagogik wurde[1], habe ich nach den Gründen dafür gesucht. Sie liegen, wenn man genauer zusieht, auf der Hand.

    Lehrer und Erzieher – und das sind wohl überwiegend die Leser dieser Geschichten – suchen bei der Pädagogik weit mehr Beruhigung und Beschwichtigung und allenfalls die Kenntnis vermeintlich sicherer und Erfolg versprechender Methoden, als dass sie sich von jemandem verwirren lassen wollen, der ihre Alltagsroutine in Frage stellt und sie gar zu eigenem kritischen Nachdenken herausfordert – und damit provoziert.

    Genau das aber tut Augustinus und gerade deshalb gehört er zu den größten Pädagogen des gesamten Abendlandes, und just deshalb scheuen ihn Lehrer und Erzieher wie der Teufel das Weihwasser. Diese provokative Kraft Augustins lässt sich komprimierter kaum fassen als in seiner Warnung vor der hybriden Anmaßung, sich Lehrer eines anderen nennen zu wollen. Im Lichte des biblischen Wortes von dem unus magister vester gerät für Augustinus jeder Anspruch des Menschen, sich zum Lehrer eines anderen erheben zu wollen, in eine gefährliche Nähe zur Blasphemie, in die Nähe der Torheit ohnehin.

    Die entsprechenden Gedanken finden sich in einer sehr schmalen und eher bescheidenen Schrift, dem zwischen 388 und 391 entstandenen Dialog „De magistro“ – übrigens der ersten ausdrücklich dem Lehren und Lehrersein gewidmeten Monographie der abendländischen Geistesgeschichte, und der Autor treibt dort die pädagogische Problemerörterung bis zu einer philosophischen Tiefe und zu einer existenziellen Betroffenheit, wie sie auch in den sechzehn Jahrhunderten nach ihm nur selten erreicht worden ist. Dabei ist der Verfasser nicht etwa ein frustrierter Lehrer oder ein gescheiterter Vater – ganz im Gegenteil.

    Augustinus hat gerade eine glänzende und verheißungsvolle Karriere als Professor der Rhetorik aufgegeben, und er verfasst diesen Dialog aus einem Anlass, bei dem ihm Kollegen und Freunde zu seinem hochbegabten und wohlgeratenen Sohn beglückwünschen und damit zu einem nicht unerheblichen väterlichen Stolz verhelfen wollen.

    Die dafür entscheidenden Sätze stehen nicht im „De magistro“, sondern in den über ein Jahrzehnt später entstandenen „Confessiones“. Dort heißt es rückblickend auf die Entstehungssituation des Dialogs: „Auch den Knaben Adeodatus nahmen wir mit uns, meinen Sohn dem Fleische nach, die Frucht meiner Sünde. Du hattest ihn so wohl geschaffen. Er zählte an die fünfzehn Jahre; an Begabung tat er's vielen Männern von Rang und Bildung zuvor. Dein sind diese Gaben, für die ich preisend mich vor Dir bekenne, Herr, mein Gott, Du Schöpfer aller Wesen und machtgewaltig, unserem Missgetanen wohlzutun: denn mein eigener Anteil an diesem Knaben war nichts als die Sünde. Denn dass er in Deiner Zucht von uns auferzogen wurde, das hattest Du uns eingegeben, niemand sonst. Deine Gaben sind es, für die ich preisend mich Dir bekenne.“[2] Um die am Ende des „De magistro“ als Quintessenz gebotene revolutionäre Pädagogik Augustins zu begreifen, erscheint es freilich notwendig, über den „De magistro“ hinauszugehen und sich in aller Kürze einige Grundsätze Augustinischen Philosophierens zu vergegenwärtigen.

    1. Augustins Philosophieren setzt bei der Frage nach dem Menschen an, und es geht aus von der eigenen Selbsterfahrung als Mensch und als Christ. Wie die Väter der antiken Philosophie lässt auch Augustin das Philosophieren mit dem Staunen beginnen, aber dieses Staunen gilt nicht mehr dem Kosmos, sondern dem Menschen, genauer: nicht der materialiter gegebenen Welt und dem menschlichen In-der-Welt-Sein, sondern umgekehrt dem prokreativen Weltsubjekt Mensch, das ich bin, und der Welt in mir.

    Auch für Augustinus steht der Mensch in einer universellen Ordnung, aber diese ist nicht – wie etwa für den antiken Heiden Aristoteles – eine ewig-zeitlose Ordnung (Kosmos) von Wesen, die weder Werden und Vergehen noch Wandel und Zeitlichkeit kennen, sondern es ist jene endlich-temporäre Schöpfung, über deren Entstehungs- und Ordnungsprinzip das Sechstagewerk Aufschluss gibt. Der Mensch unterscheidet sich in dieser Schöpfungsordnung von den anderen Geschaffenen dadurch, dass er nicht wie jene nur Spur des Schöpfers, sondern dessen Ebenbild und Gleichnis ist. Da dieser Schöpfergott aber personal gedacht und von seiner Schöpfung gesagt wird, er habe sie in seinem Geiste entworfen und aufgrund eines freien Ratschlusses aus dem Nichts hervorgebracht, kann auch sein Ebenbild und Gleichnis nicht anders gedacht werden denn als personal, d.h. als geistig, frei und schöpferisch.

    Wenn dabei vom menschlichen Geist die Rede ist, dann wird bei Augustinus etwas anderes gemeint als nur die letztendliche Ausstattung des Menschen mit Vernunft, nämlich zuallererst ein einheitsstiftendes Prinzip; gemeint wird jene sich „ihrer selbst bewusste und sich selbst wollende Einheit, die zum Ausdruck kommt, wenn »Ich« gesagt wird.“[3] An einer dafür zentralen Stelle liest man bei Augustinus: „Es gibt dreierlei: Sein, Leben und Verstehen. Auch der Stein ist, und auch das Tier lebt, und trotzdem glaube ich nicht, dass der Stein lebt und das Tier versteht. Wer aber versteht, von dem ist ganz sicher, dass er ist und lebt. Deshalb zögere ich nicht, das als das Hervorragendere zu beurteilen, dem alle drei innewohnen.“[4]

    2. Um das von Augustinus ausgebaute Verständnis des Menschen als Person klarer fassen zu können, erscheint es notwendig, einen Blick auf Augustins Zeitbegriff zu werfen und seine Auseinandersetzung mit dem antiken Zeit- und Geschichtsverständnis kurz zu erläutern.

    Peter Brunner hat bereits 1933 in einem magistralen Aufsatz zu dieser Frage das antike Zeit- und Geschichtsverständnis in die drei Begriffe nunc stans, kronos und kyklos zusammengefaßt.[5] Das nunc stans ist als „immanentisierte Ewigkeit“ reine Dauer der Gegenwart, die kein Gestern und kein Morgen kennt, sondern Vergangenheit und Zukunft in die zeitlos lebendige Gegenwart verschlingt. Das nunc stans ist grundsätzlich geschichtslos, und wenn es den Gedanken der Geschichte fassen könnte, erschiene ihm diese nicht wie ein fließender Strom, sondern wie ein ruhender See. Diesem antiken „schönen verweilenden Augenblick“ stellt Augustinus wie einen großen Protest die christliche These entgegen, der Glanz der Ewigkeit (splendor semper stantis aeternitatis) komme nur Gott allein, nicht aber den Menschen zu. In Gottes Ewigkeit ist alles immer ganze Gegenwart, die menschliche Zeit ist davon radikal verschieden.

    Damit bricht freilich sofort die Frage nach dem esse von menschlicher Zeit auf: Was ist eigentlich Zeit? Was ist das Sein von Zeit? Wenn ich das Sein von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als ein empirisch Vorhandenes nehme, gerate ich vor ein undurchdringliches Rätsel, denn das Sein der Vergangenheit ist ein Nichtmehr und das der Zukunft ein Nochnicht; beider „Sein“ ist also ein „Nicht-Sein“. Wie aber steht es um das Sein der Gegenwart? Diese schrumpft, da ich sie unendlich teilen kann, so stark auf einen winzigen Zeitpartikel zusammen, dass dieser in dem rasenden Vorübersturz der Zukunft in die Vergangenheit überhaupt nicht mehr fassbar wird. Zeit ist also nur im daseienden Menschen: Wenn ich mich meiner Kindheit erinnere, von ihr erzähle, so vermag ich es nur, weil diese gleichsam Spuren in meiner memoria hinterlassen hat, und ebenso kann sich das Ich die Zukunft vergegenwärtigen, indem es seine zukünftigen Taten im voraus bedenkt und plant.[6] Die Zeit ist also nur im Menschen, und zwar als memoria, als expectatio oder als contuitus, d.h. als sich in der Erinnerung gegenwärtigende Vergangenheit, als sich in der Erwartung gegenwärtigende Zukunft und als angeschaute, freilich nur flüchtig dahinfliehende Gegenwart. Die Lösung des Rätsels Zeit liegt für Augustinus also darin, daß sich das Denken von dem Weltdraussen – also dem Menschen in der Welt -, in dem es die Zeit zu erfassen sucht, aber niemals begreifen kann, zurückwendet zu sich selbst – also auf die Welt im Menschen. Vergangenheit und Zukunft, angesichts der flüchtigen Gegenwart mithin eigentlich die gesamte Zeit, sind nur im Menschen, und zwar in jedem Menschen als dieser einen und unwiederholbaren Person.

    Den entscheidenden Schritt in der Auseinandersetzung mit dem antiken Zeit- und Geschichtsverständnis tut Augustinus in der Zurückweisung des Moments des kyklos. Die antike Auffassung von Zeit und Geschichte als eines immerwährenden Kreislaufs erscheint Augustinus nicht nur absurd, sondern vor allem als trostlos und hoffnungslos, denn diese ewige Wiederkehr des Gleichen bedeutet nichts anderes als eine blinde Rotation von Elend und Glück. Dabei ist jedes erreichte Glück trügerisch, denn es wird unausweichlich sogleich wieder in das Elend hinabstürzen, und auch der abermalige Aufstieg zum Glück kann nicht befriedigen, denn er ist nur der Durchgang zu erneutem Elend. Aus dem christlichen Glauben heraus gewinnt Augustinus die Gewissheit, dass mit der Menschwerdung Gottes und mit dem Erlösungswerk Christi etwa völlig Neues in die Geschichte eingebrochen ist und der menschlichen Seele den Weg zu einer dauerhaften und unvergänglichen Seligkeit eröffnet hat. So sehr freilich Augustinus auch alle seine Geisteskräfte aufbietet, um das antike Zeit- und Geschichtsverständnis zu widerlegen und die Theorie von der ewigen Wiederkehr des Gleichen zu zerschlagen, gelingt ihm diese Widerlegung nicht mit der bloßen Vernunft, sondern er bringt das moralische Argument ihrer Hoffnungslosigkeit in Anschlag und gesteht mit entwaffnender Einfalt: „Auch wenn die Vernunft dagegen nicht ankommen kann, der Glaube muss diese Beweisführung verlachen, mit denen Gottlose unsere schlichte Gottseligkeit vom rechten Wege abzuziehen ... versuchen.“[7]

    3. Wenn sich von einem solchen christlichen Verständnis her die ganze Geschichte als ein peregrinisches Interim zwischen Schöpfung und Eschaton darstellt, dann muss sie zugleich als ein weitgespanntes Pädagogium für den einzelnen Menschen erscheinen. Und so wie sich der geschichtliche Verlauf in Augustins breit angelegter Geschichtsmetaphysik und -theologie als das Ringen zweier civitates darstellt, so steht auch der einzelne Mensch ständig vor der Wahl und Entscheidung, sein Leben nach der auf Eigenliebe, Nützlichkeitserwägungen, Stolz und Ehrgeiz gegründeten civitas terrena oder von der durch Selbstlosigkeit, Seinsdemut, Hingabe und Liebe gekennzeichneten civitas dei zu gestalten.[8] In jeder konkreten Lebenssituation hat das einzelne Individuum zwischen diesen Grundmöglichkeiten zu wählen und sich damit zu dem, was es konkret ist, zu gestalten. Mit einem einzigen Wort: Die Person wählt sich selbst.

    Von dieser anthropologischen Zentralstellung der eigenen – personalen – Wahl und Entscheidung hat jede Reflexion auf die Pädagogik Augustins auszugehen. Was also wie ein weitschweifiger Umweg erscheinen mag, hat uns nun unmittelbar in die Mitte von Augustins „De magistro“ hineingeführt. Auf der Folie der von uns kurz umrissenen personalen Anthropologie leistet Augustinus in dieser Schrift nichts Geringeres als eine radikale Umkehrung vieler unserer gängigen und anscheinend selbstverständlichen pädagogischen Grund- bzw. Alltagsvorstellungen. Ich fasse diese „pädagogische Revolution“ (im wörtlichen Sinne des Wortes) knapp zusammen: Lernen ist nicht (und kann es aus dieser Perspektive gar nicht sein!) ein passives Empfangen, sondern lässt sich nur denken als ein aktives Für-wahr-halten, Für-wert-halten und Für-schön-halten. Lehren ist nicht ein Vermitteln von Kenntnissen und Inhalten, sondern nur der Anstoß zum Selber-Glauben und zu eigener Erkenntnis(bemühung); viele Dinge, die wir zu (lernen und zu) wissen meinen, glauben wir nur, weil wir sie ohnehin nicht aus eigener Anschauung kennen oder aus eigener Einsicht wissen können (wie z.B. die gesamte Geschichte und die größten Teile der Geographie); durch Worte lernen wir wieder nur Worte, während wir die Sinnendinge durch körperliche Anschauung und die Verstandesdinge durch geistige Anschauung „lernen“ müssen und wahres Wissen allein aus der Vernunftanschauung gewinnen. Vieles wird eingesehen und zugleich geglaubt, anderes erst geglaubt und dann eingesehen (wie z.B. theologische Wahrheiten). Überhaupt ist Erziehung nicht Fremdgestaltung, sondern Selbstgestaltung der menschlichen Person durch Einsicht, Wahl und Entscheidung. Erziehung kann also gar nicht von außen bewirkt, sondern allenfalls nur angeregt werden, denn das wirkliche (d.h. zu seiner Aktualität zu erweckende) Prinzip von Zeit und Welt und der wirkliche (d.h. durch Erziehung und Bildung ins Werk zu setzende) Autor der eigenen Lebens- und Sinngeschichte ist die triadisch (esse, nosse, velle) verfasste Person.

    Mit anderen Worten gesagt: Der Dialog „De magistro“ unterscheidet und differenziert das menschliche Lernen auf eine höchst fruchtbare Weise. Erstens zeigt er – und das nimmt den überwiegenden Teil des Dialogs ein - mit einer verblüffenden Modernität auf, dass Worte nur Zeichen sind, wir also durch Worte wieder nur Worte bzw. Zeichen lernen. Wenn wir das Bezeichnete bereits kennen, bedürfen wir der Worte (des Lehrers) nicht; wenn wir das Bezeichnete aber nicht kennen, bleiben uns des Lehrers Worte nur leere Worte, und wir lernen vom Lehrer nichts bzw. eben nichts als leere Worte. Pestalozzi hat das bekanntlich später als das bloße „Maulbrauchen“ des Lehrers verspottet.

    Zweitens täuschen uns Schule und Lehrer permanent darüber hinweg, dass wir im Bereich der Informationen von ihnen eigentlich nichts zu wissen lernen, sondern ihnen nur zu glauben lernen – wie wir heute beispielsweise den Massenmedien oder den Politikern blinden Glauben schenken, ohne prüfen zu können, ob wir von ihnen tatsächlich etwas (Richtiges) erfahren oder ob sie uns nur ein X für ein U vormachen. Am Beispiel der Geschichte und der Geographie verdeutlicht Augustinus, dass wir dieses Wissen gar nicht nachprüfen (können), sondern unseren Lehrern genauso glauben müssen, wie wir Statistiken u.ä. glauben, auch wenn wir wissen, dass sie fast alle gefälscht, mindestens aber geschönt sind.

    Zur Anschauung von Sinnesdingen brauchen wir drittens erst recht keinen Lehrer, denn zur Anschauung der Sinnesdinge bedienen wir uns am besten unserer eigenen Sinne. Auch diese können uns täuschen (so geht die Sonne am Abend nicht wirklich unter, obwohl uns die Sinne dieses tagtäglich vorgaukeln), aber sie sind in der Regel noch weniger trügerisch als die Lehrer, wenn sie uns unsere eigene Sinnesanschauung in der Schule durch Worte und Gerede ersetzen wollen. Was nun die eigentlichen Erkenntnisse – die Einsicht in die Ideen und das Fassen von Begriffen – betrifft, bei denen wir ohnehin allein von wirklichem Lernen reden können, so vermitteln uns diese nicht Lehrer von außen, sondern über diese befragen wir die in uns selbst wohnende Vernunft. Und im Hinblick auf Werte und ästhetische Urteile wäre es geradezu töricht anzunehmen, Werte und ästhetische Urteile könnten uns durch Lehrer von außen „vermittelt“ werden, denn Urteile und Entscheidungen sind solche ja nur, wenn sie von urteilenden und wählenden Subjekten ausgehen und von ihnen selbst getroffen werden. Keine Werte ohne Wertende, so wie kein Denken ohne Denkende und kein Leben ohne Lebende. Augustins „De magistro“ gipfelt – so gesehen – in den Worten: „Über die Dinge in ihrer Gesamtheit aber, die wir verstehen wollen, befragen wir nicht eine von außen her zu uns dringende, sondern die von innen her unseren Geist regierende Wahrheit, und Worte können uns höchsten zu dieser Befragung anleiten. Jener aber, der da befragt wird, lehrt, und das ist der, von dem es heißt, dass er im inneren Menschen wohnt (Eph. III, 16f.), ist Christus, das ist die unwandelbare Kraft Gottes und die ewige Weisheit.“[9]

    Man könnte also die zentrale anthropologische Aussage Augustins zugleich als seine wichtigste pädagogische Maxime (für den Lernenden und für den Schüler) lesen: „Gehe nicht nach draußen, kehre in dich selbst zurück! Im inneren Menschen wohnt die Wahrheit. Und wenn du deine Natur in ihrer (unzuverlässigen) Wandelbarkeit durchschaut hast, dann überschreite auch dich selber. Aber bedenke, wenn du dich überschreitest, dass du die vernunfttätige Seele übersteigst. Dorthin also strebe, von woher das Licht der Vernunft selbst angezündet wird. Wohin nämlich gelangt jeder gute Denker, wenn nicht zur Wahrheit?“[10]

    Wenn wir uns abschließend fragen, welchen methodischen Zugang zur Frage nach dem Menschen und zu seinem Lernen Augustinus findet, so ist es offenbar ein zweifacher: zum einen der reflexive Weg der Innerlichkeit, also die Analyse der inneren Selbsterfahrung der menschlichen Person, und zum anderen die biblisch-christliche Offenbarung über den Menschen. Was den ersten Weg betrifft, so muss man nur deutlich genug sehen, dass es sich bei dieser personalen Selbsterfahrung nicht um die zufällige Aufsammlung oder gar die tumultuarische Anhäufung individueller Widerfahrnisse und auch nicht um psychologische Fallstudien handelt, sondern um die reflexive Analyse jenes Personseins, das mit dem dreifältigen „Ich bin, ich weiß, ich will“ gegeben und jeder menschlichen Person grundsätzlich in gleicher Weise zu eigen ist.[11] Was den zweiten Weg anlangt, so stellt Augustinus mit keinem Wort in Abrede, dass er hierbei nicht aus der menschlichen Vernunft, sondern aus dem Glauben schöpft. Aber er hält seinen Kritikern die geradezu entwaffnende Frage entgegen, ob denn wohl einer meine, es sei auch nur um einen Deut vernünftiger, der wandelbaren Sinnes- und Verstandeserfahrung oder dem wechselvollen Geschwätz der Gelehrten zu vertrauen als dem, von dem es heißt, er sei der Weg, die Wahrheit und das Leben.

    Als eine solche personale und christliche Vision des Lehrers erscheint der „De magistro“ bis auf den heutigen Tag aktuell und nicht nur der distanzierten Lektüre, sondern vor allem der praktischen Beherzigung wert. Und übrigens – mit Schelling gefragt: „Was ist der ganze Ruhm des scharfsinnigen Zweiflers gegen das Leben eines Mannes, der eine ganze Welt in seinem Kopfe und die ganze Natur in seiner Einbildungskraft trug?“ [12]
    Anmerkungen

    [1] Winfried Böhm: Geschichte der Pädagogik. Von Platon bis zur Gegenwart, München (Reihe Beck Wissen) 2004, 32010.

    [2] Augustinus: Bekenntnisse. Zweisprachige Ausgabe von Joseph Bernhart, Frankfurt am Main 1987, S. 445. (Hervorhebungen von mir!)

    [3] Johann Mader: Aurelius Agustinus. Philosophie und Christentum, St.Pölten-Wien 1991, S. 146.

    [4] Augustinus: De libereo arbitrio, II, 3, 7.

    [5] Siehe dazu Peter Brunner: Zur Auseinandersetzung zwischen antikem und christlichem Zeit- und Geschichtsverständnis bei Augustin, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche. Neue Folge, 14 (1933), S. 1-15.

    [6] Vgl. dazu Augustinus: Confessiones, XI, 23.

    [7] Augustinus: De civitate dei, XII, 17.

    [8] Siehe dazu Winfried Böhm: Der Antagonismus zweier “ciuitates” als pädagogisches Problem, in: Spiritus et Littera. FS zum 80. Geburtstag von Cornelius Petrus Mayer, Würzburg 2009, S. 449-457.

    [9] Augustinus: De magistro, 38.

    [10] Augustinus: De vera religione, 39, 72.

    [11] Vgl. dazu Prinzip Person, hrsg. von Waltraud Harth-Peter u.a, Würzburg, 2002.

    [12] Friedrich Wilhelm Schelling: Ideen zu einer Philosophie der Natur. Einleitung.

    Link zur Homepage des Verfassers

    www.winfried-boehm.de

  • Inhalt und Entstehung von Augustinus-Lexikon, Band 3
    Von Dr. Andreas E.J. Grote

    I. Begrüßung

    AL-Redaktor Dr. Andreas E.J. Grote bei seinem Vortrag über Entstehung und Inhalt des dritten Bandes.
    © ZAF
    AL-Redaktor Dr. Andreas E.J. Grote bei seinem Vortrag über Entstehung und Inhalt des dritten Bandes.
    Liebe Freunde, Gönner und in vielfacher Hinsicht tatkräftig am Augustinus-Lexikon Mitwirkende, sehr geehrte Damen und Herren: Als Redaktor des Augustinus-Lexikons ist es mir eine große Ehre, Sie im Namen seiner zwölf Herausgeber und seiner Redaktion ganz herzlich zur Präsentation des nun vollendeten 3. Bandes begrüßen zu dürfen; und ich freue mich, daß trotz der harten Konkurrenz durch die Eröffnung des 90. Mozartfestes so viele von Ihnen den Weg ins Museum am Dom gefunden haben.

    Zunächst danke ich in unser aller Namen für den glänzenden Festvortrag von Professor Böhm. Er hat sich mit der Frage beschäftigt, was Augustinus unter der Rolle und der Aufgabe eines Lehrers – auf lateinisch ‹magister› – versteht.

    Durch die Beschäftigung mit dem Begriff ‹magister› hat unser Festredner zugleich schon die Überleitung zu dem hier und heute vorzustellenden 3. Band des Augustinus-Lexikons vorbereitet. Denn ‹magister› zusammen mit dem die Tätigkeit bzw. das Amt des Lehrers bezeichnenden Substantiv ‹magisterium› sowie der Eintrag zu Augustins Frühschrift De magistro bilden zwei von fast 240 Lemmata dieses 3. AL-Bandes.
    II. Zum Inhalt von AL 3

    Genau genommen finden sich beide Artikel im jetzt fertiggestellten Doppelfaszikel 7/8, der den dritten Band nun komplettiert; und sie stehen für zwei von vier Stichwortkategorien, in die sich alle Lemmata des AL einteilen lassen: nämlich die sogenannten ‹Begriffsartikel› und die ‹Werkartikel›.

    Diese insgesamt ca. 1100 Einträge umfassende Liste aller Lemmata ist die Arbeitsgrundlage des 1979 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft genehmigten Projektes, das 1990 wegen seines Langzeitcharakters und besonders wegen der in ihm durchgeführten Grundlagenforschung in das deutschen Akademienprogramm aufgenommen und seither von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz betreut wird. Jeder Band des Lexikons erscheint in 4 Doppelfaszikeln à 320 Spalten, so daß ein Band fast 1300 Spalten umfaßt. Unser jüngster Doppelfaszikel, also AL 3,7-8, enthält 62 Stichworte: von dem sich mit der freien Willensentscheidung beschäftigenden Werk Augustins De libero arbitrio bis hin zu dem theologischen Begriff des ‹Maßes›, auf lateinisch: Mensura.

    Seit 2004 erschienen so für Band 3 des AL nahezu 240 Artikel – von Figura(e) bis Mensura –, die in den Sprachen Deutsch, Englisch oder Französisch von fast 100 Autorinnen und Autoren auf der ganzen Welt erarbeitet worden sind. Darunter sind ganz kurze Artikel von nur einer halben Spalte z.B. für das verlorene Werk De geometrica, aber auch ausführliche Abhandlungen wie zur komplexen augustinischen Gnadenlehre im Lemma Gratia mit 60 Spalten. Daß jeder dieser Artikel eine aktuelle und umfangreiche Bibliographie zur Weiterarbeit enthält, versteht sich von selbst.

    Wie Ihnen inzwischen aufgefallen ist, sind alle AL-Lemmata aus Augustins Œuvre und damit seiner Sprache entnommen, also dem Lateinischen. Dadurch versuchen wir, dem Benutzer ein möglichst authentisches Bild vom Leben und Werk des Kirchenvaters zu vermitteln. Demselben Ziel dient auch unser Bestreben, Zitate Augustins nicht zu übersetzen, sondern ihn möglichst immer im Original zu zitieren.

    Als Cornelius Mayer und seine ersten Mitstreiter sich in der 2. Hälfte der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts daran machten, die Idee eines Lexikons Gestalt werden zu lassen, das diesen wirkmächtigen Theologen, Philosophen, Rhetoren und Bischof Augustinus von Hippo, der ja auch als Heiliger und Kirchenlehrer verehrt wird, sozusagen in den Griff bekommen soll, war schnell klar, daß solch ein Projekt nur interdisziplinär und international erfolgreich umgesetzt werden kann. So kam es zu einem schließlich zwölf Mitglieder umfassenden Herausgebergremium, das unter der jahrzehntelangen Leitung von Cornelius Mayer aus namhaften Augustinus-Experten der Fächer Theologie, Klassische Philologie, Patristik, Philosophie sowie Archäologie, besteht. Diese Spezialisten stammen nicht nur aus Deutschland, sondern derzeit auch aus Frankreich, Italien, der Schweiz und den USA und kommen mindestens einmal im Jahr zu einem mehrtägigen Arbeitstreffen zusammen.

    Was steht denn nun im AL? Das AL hat den Anspruch, ein umfassendes Begriffs- und Reallexikon zu Augustinus zu sein, zu seinem Leben und Denken, seinen Werken, Personen seines Umkreises und seinem zeitgeschichtlichen Kontext. Dies soll mittels etwa 1100 Lemmata geschehen, die sich in vier Gruppen einteilen lassen. Einige Beispiele aus dem neuen dritten Band mögen dies illustrieren:

    Ich sprach eingangs bereits den Werkartikel De magistro – Über den Lehrer an. Weitere von insgesamt 27 in Band 3 behandelten Werken Augustins sind z.B. seine 124 Abhandlungen über das Johannes-Evangelium oder die Schrift über alle bis zu seiner Gegenwart aufgetretenen Häresien – De haeresibus oder zwei Werke zum Thema ‹Lüge› – De mendacio und Contra mendacium.

    Personenartikel thematisieren zum einen das Verhältnis Augustins zu historischen Persönlichkeiten, in AL 3 sind dies insgesamt fast 40. Hier ist zunächst an das nicht immer spannungsfreie Verhältnis zu seinem älteren Zeitgenossen und hochgelehrten Bibelübersetzer Hieronymus zu erinnern. Andere Lemmata widmen sich römischen Kaisern wie dem christlichen Imperator Honorius oder dem Heiden Iulian Apostata. Auch spielen Augustins theologische Kontrahenten eine wichtige Rolle im AL: Für Band 3 nenne ich nur Bischof Iulianus von Aeclanum. Nicht zu vergessen sind Artikel zu weiteren Persönlichkeiten seiner Zeit, wie Bischof Iohannes Chrysostomus aus Konstantinopel oder den römischen Oberhirten Innocentius.

    Andererseits werden auch biblische Gestalten, die in Augustins Exegese eine wichtige Rolle spielen, thematisiert. Stellvertretend seien nur genannt: Iohannes baptista, Iohannes euangelista, Isaac, Iudas Iscariotes, Lazarus oder Maria.

    Die historische, soziale, topographische und liturgische Welt Augustins wird in Realienartikeln, der dritten Artikelgruppe, dargestellt. So würdigt das Lemma Itinera die außerordentlich umfangreiche Reisetätigkeit Augustins, auch durch entsprechendes Kartenmaterial. Seine Bischofsstadt wird in Hippo Regius präsentiert, oder die Metropole, in der er den Gipfel seiner weltlichen Karriere erreichte, thematisiert das Lemma Mediolan(i)um – Mailand. Den Sprachkenntnissen des Kirchenvaters widmen sich gleich mehrere Stichworte, von denen ich Lingua punica herausheben möchte, denn Augustinus verstand ganz offenbar einiges von dieser Sprache Nordafrikas. Ein umfangreicher Artikel stellt die Manichäer vor, jene dem Christentum nahestehende Sekte, zu der auch Augustinus neun Jahre lang gehörte. Liturgisches ist Thema u.a. in den Artikeln Hymnus und Martyres, martyrium.

    Grundlegende theologische, philosophische oder auch philologische Begriffe aus dem Denken des nordafrikanischen Kirchenlehrers nehmen schließlich den größten Raum im AL ein; aber an dieser Stelle kann ich nur auf wenige davon hinweisen und liefere die deutsche Bedeutung gleich mit: Gehenna – Hölle, Homo – Mensch, Inuidia – Neid, Iustitia – Gerechtigkeit, Laicus – Laie, Liberum arbitrium – Freie Willensentscheidung, Locutio – Sprachgebrauch oder Malum – Böse. Viele weitere wären zu nennen, und so empfehle ich ganz unbescheiden einfach die Lektüre unseres Lexikons.
    III. Zur Entstehung von AL 3

    Daß die Erarbeitung eines solchen Werkes wie das Augustinus-Lexikon auf international höchstem wissenschaftlichen Niveau – und ich darf das aufgrund der vielen überaus positiven Rezensionen in der Fachliteratur ohne zu zögern behaupten – daß also eine solche Erarbeitung auch entsprechend aufwendig und mitunter recht mühselig ist, wird Sie, verehrte Damen und Herren, nicht wundern. So sind stets parallel mehrere Doppelfaszikel in unterschiedlichen Stadien der Bearbeitung: Z.B. wurde neben der Druckvorbereitung von AL 3,7-8 schon länger am folgenden AL 4,1-2 gearbeitet; dabei blieb es nicht, denn wir planen inzwischen schon den Doppelfaszikel AL 4,5-6, der das Lexikon bis zum Anfangsbuchstaben ‹R› führen wird und für den derzeit die Autoren angefragt werden. Somit muß die Redaktion vier Doppelfaszikel zugleich im Blick behalten, was dem Umfang eines gesamten Bandes oder einem Zeitraum von ca. 6-8 Jahren entspricht.

    Ich will jetzt nicht im Detail den langen Weg der Entstehung eines AL-Artikels nachzeichnen: Angefangen mit der Vergabe eines Lemmas an den möglichst weltweit kompetentesten Autor, über die inhaltliche Kontrolle der Manuskripte durch unsere Gutachter sowie die penible Prüfung aller Angaben aus den Quellen und der Sekundärliteratur, über die Anpassung an die komplexen formalen Vorgaben des AL, oft auch die Kürzung des Textes im Ringen mit den Autoren und die Phase der eigentlichen Drucklegung bis hin zum endgültigen ‹Gut zum Druck›. Nur eine kleine Episode, die die unangenehme und oft beschwerlich Aufgabe des Redaktors illustriert, pünktlich an die Manuskripte zu kommen, sei kurz berichtet.

    Es ist der Fall eines Professors, einer Kapazität auf seinem Gebiet, der bereits vor langer Zeit, als seine Karriere noch in den Anfängen steckte, Interesse an einem bestimmten Artikel bekundet hatte. Mittlerweile arriviert, unterschrieb den Autorenvertrag, das Manuskript zu einem vereinbarten Zeitpunkt vorzulegen. Der Zeitpunkt kam, das Manuskript aber nicht.

    Selbstverständlich haben wir einen zeitlichen Puffer einkalkuliert – wie groß, sage ich hier natürlich nicht, da ja auch Autoren unter uns sind –, aber daß es ihn gibt, konnte sich wohl auch unser Autor denken. Spätestens in diesem Zeitraum, der sich durch immer deutlichere Mahnungen durch die Redaktion auszeichnet, werden üblicherweise die Manuskripte dann doch vorgelegt. Nicht jedoch in diesem Falle, denn der Autor war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt, virtuell jedenfalls, denn der E-Mail-Kontakt brach ab. Dann vernahmen wir aber doch eine zunächst beruhigende Mitteilung aus seinem Sekretariat: Der Professor weile zu einem Forschungssemester im Ausland und rufe dort seine E-Mails regelmäßig ab. Nun, diese Regelmäßigkeit schien jedenfalls kein tägliches oder wenigstens wöchentliches Intervall zu sein, denn der Account blieb tot.

    Gewiß existiert stets ein Plan B mit einem Ersatzautor, aber dieser benötigt ja auch Zeit für die Bearbeitung, und so ist die Frage des Zeitpunktes, wann dem Autor A, der ja gerade aufgrund seiner ausgewiesenen Kompetenz angeworben worden war, ein Artikel wegen Nichtlieferung wieder entzogen wird, in jedem Falle schwierig zu beantworten.

    Aber dank einer von den neuen Medien ermöglichten Recherche schien sich das Blatt dann doch für das AL zum Guten zu wenden. Wir fanden nämlich die private Handy-Nummer des Autors heraus. Und nicht nur das: Sie war gültig und nach der Wahl der Nummer meldete sich der Verschollene aus einer Bibliothek, aber nicht aus dem Ausland, sondern hier aus Bayern. Es kommt aber noch besser: Sobald der ‹auferstandene› Autor hörte, daß es um das AL gehe, sagte er wie aus der Pistole geschossen nahezu wörtlich: „Ja, das andere Lemma übernehme ich auch“. Dazu muß man wissen, daß wir bei unseren ersten Nachfragen nach dem Stand seines – wie wir zunächst annahmen – bereits in Arbeit befindlichen Artikels, ihm noch ein weiteres, alphabetisch späteres Stichwort angeboten hatten. Die Antwort, „Ja, das andere Lemma übernehme ich auch“, bedeutete also, daß unser Autor durchaus die gesamte Korrespondenz erhalten, es jedoch nicht für nötig befunden hatte, wenigstens einmal darauf zu reagieren. Dennoch: Weil der Autor sein Manuskript als nahezu fertig deklarierte, wurde ihm eine allerletzte Frist eingeräumt, um den Text der Redaktion vorzulegen.

    Doch wer nun meinte, dieses AL-Lemma sei jetzt sozusagen ‹in trockenen Tüchern›, sah sich abermals getäuscht oder man muß im Nachhinein besser sagen: wurde abermals getäuscht. Denn weiterhin traf kein Manuskript ein, und der Autor ließ sich bei unseren inzwischen fast täglichen Anrufen verleugnen. Schließlich hieß es, eine Diskette mit dem Text sei mit der Post unterwegs. Sie können sich mittlerweile denken, meine Damen und Herren, was der Briefträger in den folgenden Tagen brachte: Nichts. Aber um den Grund dafür war der Professor nicht verlegen: Die Post sei derzeit so langsam, war seine Auskunft, denn auch ein Geburtstagsbrief seiner Mutter habe neulich 14 Tage benötigt.

    Diese Münchhausengeschichte ließ schließlich nur noch einen Schluß zu: Ganz offensichtlich war noch keine einzige Zeile des Textes geschrieben worden. Also mußte nun doch unser Plan B aktiviert werden, der in diesem Falle die Übernahme durch einen der AL-Mitherausgeber vorsah.

    Glücklicherweise ist das soeben Geschilderte ein Ausnahmefall, andererseits steht er in gewisser Weise aber auch exemplarisch für die Arbeit mit externen, zwar hochqualifizierten, jedoch für das AL ehrenamtlich tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Meist in der universitären Forschung, Lehre und Selbstverwaltung stark gefordert, ist ein AL-Artikel für viele Autoren, so geehrt sie sich bei unserer ersten Anfrage auch oft fühlten, eine Aufgabe unter zahlreichen anderen drängenden Verpflichtungen.

    Jedoch: Wir haben uns heute ja nicht zum Klagen, sondern zum Feiern versammelt, nämlich daß wir trotz aller Widrigkeiten durch beharrliches Arbeiten einen weiteren Band des AL vorlegen können. Daß diese unsere Arbeit in der Fachwelt hohe Anerkennung findet, belegt die erneute sehr positive Evaluation des Projektes im vergangenen Jahr durch die Union der Deutschen Akademien. In dem Gutachten der Evaluierungskommission heißt es nämlich, ich zitiere wörtlich: „Aus unserer Sicht handelt es sich bei dem Augustinus-Lexikon unverändert um eines der wichtigsten internationalen Projekte zur Geistesgeschichte der europäischen Spätantike – und mit Sicherheit um den wichtigsten Beitrag des deutschen Sprachraums zur internationalen Augustinus-Forschung“.
    IV. Dank und Schluß

    Verehrtes Auditorium, Sie haben einen kleinen Eindruck erhalten, daß viele an einem Strang ziehen müssen, damit solch ein Opus gelingt. Daher wird es nun höchste Zeit, «Danke» zu sagen, «Danke für die gute Zusammenarbeit» – und nach Vollendung eines ganzen Bandes sind natürlich einige Personen und Institutionen zu nennen, darunter wohl auch manche, die sonst vielleicht kaum die ihnen gebührende Wertschätzung erfahren:

    An erster Stelle müssen natürlich die insgesamt 98 Autorinnen und Autoren des 3. Bandes stehen, die bei weitem nicht nur aus Deutschland stammen, sondern aus Ländern von fast allen Kontinenten: aus Argentinien, Australien, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Südafrika und den USA – einige von ihnen sind auch heute Abend anwesend. Was wäre das AL ohne Sie?

    Zu danken ist der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz als Trägerin der Projektes für die wohlwollende Betreuung im Rahmen des von Bund und Ländern gemeinsam finanzierten Akademienprogramms. Ich nutze die Gelegenheit, dem langjährigen Projektkoordinator Dr. Servatius unseren Dank auszusprechen.

    Wir danken der Bayerisch-Deutschen Augustinerordensprovinz. Der Dank geht namentlich an den scheidenden Provinzial Pater Raimund Klinke und den Provinzprokurator Bruder Peter Reinl; und er richtet sich vertrauensvoll in die Zukunft an den gewählten neuen Provinzial Pater Alfons Tony, verbunden mit den besten Wünschen um Gottes Segen für seine große Aufgabe. Der Augustinerorden nämlich stellt dem Projekt – was viele vielleicht nicht wissen – einerseits die erforderlichen Arbeitsräume inklusive der gesamten Infrastruktur zur Verfügung, andererseits finanziert er die wissenschaftliche Spezialbibliothek.

    Diese Bibliotheca Augustiniana – Forschungsbibliothek der Deutschen Augustiner, kurz BADA genannt, ist eines unserer wichtigsten Arbeitsmittel. Sie ist spezialisiert auf Augustinus, Augustinus-Rezeption und Geschichte des Augustiner-Ordens. In ihrem Reichtum von ca. 48.000 Medieneinheiten ist sie auf diesen Gebieten einmalig zumindest im deutschen Sprachraum, weshalb hier derzeit ein Katalogisierungsprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft angesiedelt ist, oft auswärtige, nicht selten auch ausländische Benutzer zur Arbeit her kommen, mitunter sogar für mehrere Monate bleiben, und die Bibliothek nicht zuletzt in Zusammenarbeit mit der Würzburger Diözesanbibliothek Teil des bundesweiten Virtuellen Katalogs Theologie und Kirche ist. Sehr groß ist daher unser Dank an die Leiterin der BADA, Frau Dr. Oser-Grote, sowie ihren Mitarbeiter Jochen Frankl.

    Wir danken sehr der Gesellschaft zur Förderung der Augustinus-Forschung e.V.: den Mitgliedern für ihre umfangreiche materielle und ideelle Unterstützung; ihrem Vorsitzenden Herrn Staatsminister a.D. Dr. Thomas Goppel MdL für seine viele unseren Projekten geleistete Arbeit. Ohne die Gesellschaft wäre das AL in dieser Form nicht denkbar.

    Größter Sponsor dieser Gesellschaft und unserer Arbeit ist das Bistum Würzburg, das ich stellvertretend für alle unsere Mäzene nennen möchte. Unser großer Dank gilt daher Bischof Dr. Friedhelm Hofmann, sodann dem für Hochschulangelegenheit zuständigen Domkapitular Herrn Domdekan Monsignore Putz und dem Leiter der Bischöflichen Finanzkammer Herrn Finanzdirektor Albrecht Siedler.

    Meine Damen und Herren, das AL ist bekanntlich die Keimzelle und das Hauptprojekt des Zentrums für Augustinus-Forschung, kurz ZAF. Vieles wäre in den letzten Jahren nicht möglich gewesen, wenn das AL nicht im Rahmen dieses Zentrums hätte agieren können. Wir danken daher sehr dem ZAF, namentlich seinem umsichtigen und umtriebigen Vorsitzenden, Herrn Bürgermeister Dr. Adolf Bauer.

    Zu danken ist den Kooperationspartnern des ZAF an der Universität Würzburg, deren An-Institut wir seit 2006 sind. Diese Kooperation wird mittlerweile von 14 Instituten und Professuren getragen, und zwar sowohl von der Theologischen wie auch von den Philosophischen Fakultäten. Stellvertretend für diese alle danke ich den heute anwesenden Mitgliedern der Hochschule: Herrn Senator Prof. Erler, den Ehrensenatoren Prof. Eykmann und Prof. Salch, Herrn Dekan Prof. Garhammer, dem Vorsitzenden des Lenkungsauschusses Prof. Mertens, weiter den Professoren Burkard und Müller sowie allen übrigen, die ich womöglich übersehen habe.

    Zu danken ist selbstverständlich der hiesigen Universitätsbibliothek einschließlich den verschiedenen Teilbibliotheken der für uns relevanten Fächer. Insbesondere in der Fernleihstelle sind wir sicherlich bekannt ‹wie ein bunter Hund›.

    Was nun die eigentliche AL-Arbeit betrifft, so ergeht von mir als dem Leiter der Redaktion an erster Stelle ein großer Dank an die seit nunmehr über 12 Jahren bestehende intensive, gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem bisherigen Projektleiter Prof. Mayer sowie allen übrigen elf AL-Mitherausgebern, von denen sich einige trotz des laufenden Semesters für heute haben freinehmen können: Prof. Dodaro aus Rom, Prof. Klöckener aus Fribourg sowie Prof. Tornau und Privatdozent Dr. Müller aus Würzburg. Nur dadurch, daß wir alle stets an einem Strang gezogen haben, konnte dieses Werk gelingen. Ich freue mich zugleich auf eine gute Zusammenarbeit für die kommenden AL-Bände mit den beiden neuen Projektleitern, Robert Dodaro und Christof Müller.

    Ihm, Christof Müller, meinem bisherigen und auch weiterhin als Co-Redaktor des AL tätigen Kollegen, gebührt außerordentlich großer Dank für die nun schon jahrelange überaus kollegiale, vertrauensvolle und ich darf sagen freundschaftliche Zusammenarbeit. Seine schnelle Auffassungsgabe, seine Erfahrung und seine Ratschläge sind für mich überaus wertvoll.

    Ich danke sehr den studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften in der Redaktion, den früheren und den jetzigen, für ihre zuverlässige und sorgfältige Arbeit, die einen erheblichen Teil zu der immer wieder attestierten sehr hohen Qualität des AL beigetragen haben – ich nenne stellvertretend nur die heute anwesenden Tobias Dänzer, Dr. Alexander Eisgrub, Jochen Frankl, Tobias Janotta, Dr. Volker Lukas, Nicole Pfeifer M.A., Dr. Gudrun Schmidt, Dr. Tanja Thanner und Martina Tollkühn. Etliche sind inzwischen an Gymnasien tätig oder sind weiterhin in der Forschung geblieben.

    Zu danken ist des weiteren meinen Vorgänger Dr. Karl Heinz Chelius, der für das AL weiterhin die Liste der Werke und maßgeblichen Editionen Augustins betreut, die in der Fachwelt mittlerweile ein Referenzwerk geworden ist.

    Ich danke meinem geschätzten Kollegen Dipl.-Theol. Guntram Förster, der das Corpus Augustinianum Gissense und besonders unsere Homepage, sowie die Reihe Res et Signa, drei weitere wichtige Projekte des ZAF, mit großem Engagement redaktionell betreut. Ebenso ist zu danken Frau Christine Schneider, die als Buchhalterin der Gesellschaft und des ZAF sehr wichtige Arbeit leistet, sowie Frau Veronika Zilker, die an der Aktualisierung des CAG arbeitet.

    Nicht vergessen werden darf Frau Christl Scheler: Sie ist für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig, und ihr Organisationstalent ist schon legendär. Vor allem jedoch: Sie stellt uns ihre Fähigkeiten ehrenhalber zur Verfügung. Ganz herzlichen Dank dafür!

    Schließlich – und ich habe diesen Dank um seiner Wirkung willen an den Schluß gestellt –, schließlich danke ich dem Druck- und Verlagshaus Schwabe AG aus Basel: nicht nur für seine sorgfältige Arbeit, sondern auch für die Finanzierung der Publikation des AL. Der Dank gilt zuerst dem Inhaber Ruedi Bienz, der das große Engagement seiner Vorgänger für unser Projekt fortführt. Unser Dank an das Haus Schwabe gilt sodann dem Verlagsleiter Dr. David Hoffmann und dem für uns verantwortlichen Lektor Dr. Reto Zingg – wir fühlten und wir fühlen uns bei Ihnen von Anfang an sehr gut aufgehoben. Und ganz persönlich danke ich für die besondere Gastfreundschaft, die ich stets während meiner Aufenthalte in Basel zum Zwecke der letzten Korrekturarbeiten am AL erfahren darf. Daher freuen wir uns sehr, und es ehrt uns außerordentlich, daß Sie uns heute den druckfrischen 3. Band des Augustinus-Lexikons persönlich überbringen.

    Zum Schluß möchte ich Sie alle bitten, die Sie durch Ihre Anwesenheit Ihr Interesse und Wohlwollen gegenüber dem AL zum Ausdruck gebracht haben, uns dies auch weiterhin zu gewähren und überall dort, wo es Ihnen möglich ist, das Projekt zu unterstützen. Sie wissen selbst – und leider muß ich meine Worte bei der Vorstellung von Band 2 wiederholen –, daß Grundlagenforschung, zumal die geisteswissenschaftliche derzeit nicht hoch im Kurs steht. Kurzfristdenken greift zunehmend auch in der Wissenschaft um sich, wo es mit Formulierungen wie: ‹geringere Tiefenerschließung› verbrämt wird; besser würde man wohl sagen: ‹Kratzen an der Oberfläche›.

    Meine Damen und Herren, ich habe nun viel über das AL und damit auch einiges über Augustinus gesprochen, jetzt soll er am Ende aber auch selbst zu Wort kommen mit einer Bemerkung aus dem Prolog seiner Retractationes, einem Werk, in dem er seine Schriften noch einmal einer kritischen Revue unterzieht und er auf Mt 12,36 verweist, wo es heißt: «‹Über jedes unnütze Wort, das ein Mensch geredet hat, wird er am Tage des Gerichtes Rechenschaft geben müssen›» (Retr. 1, prol. 2).

    Dieser Gefahr möchte ich mich jetzt nicht weiter aussetzen; ich danke für Ihre Geduld und wünsche, daß der nun fertige 3. Band des Augustinus-Lexikons seinen Benutzern Antwort auf die Fragen gibt, deretwegen sie ihn konsultieren, und sie vielleicht sogar zu längerem Schmökern verleitet – im AL oder noch besser: bei Augustinus selbst.

    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!