Paulus und Augustinus
Umkehr zur Nachfolge Christi
Paulus von Tarsus und Augustinus von Hippo sind aus der Theologie und der Geschichte nicht wegzudenken. Die Kraft ihrer Worte hat ihren Ursprung in der besonderen Bindung an Gott, die ihrer persönlichen Begegnung mit Jesus Christus entspringt. Ihre „Umkehr“ zu Gott gab ihrem Leben eine nie gekannte Tiefe und weckte in ihnen den Wunsch, diese Tiefe ihren Mitmenschen zu vermitteln.
Von Claudia Kock
Zunächst wenden wir uns kurz dem Apostel Petrus zu. Einer bekannten Überlieferung zufolge wartete er in Rom im Gefängnis auf seine Hinrichtung, doch es gelang ihm zu fliehen, und er wollte über die „Via Appia“ in seine Heimat zurückkehren. Da kam ihm aus der entgegengesetzten Richtung ein Mann entgegen. Als er erkannte, dass es der auferstandene Christus war, sagte Petrus erstaunt: „Herr, wohin gehst du?“ Christus antwortete: „Ich gehe nach Rom, um mich ein zweites Mal kreuzigen zu lassen.“ Petrus merkte, dass er selbst umkehren und nach Rom zurückkehren müsse. Er hatte den falschen Weg eingeschlagen, aber die Begegnung mit Christus führte ihn zur Umkehr, zur „Konversion“, zurück in die Nachfolge Christi.
Diese Geschichte zeigt bildhaft auf, was „Konversion“ bedeutet: Ein Mensch befindet sich auf seinem Lebensweg. Er hat diesen Weg gewählt, da er ihm Vorteile zu bringen scheint oder seinen Idealen entspricht. Plötzlich steht Christus vor ihm, und diese Begegnung verändert sein Leben. Er merkt, dass er bisher vor dem wahren Leben geflohen ist – aus Unwissen, Angst, Bequemlichkeit oder irgendeiner Weltanschauung, die ihn prägt. Um bei Christus bleiben und ihm folgen zu können, ändert er seinen Weg. Er versteht, dass nur Christus Erfüllung und Frieden schenkt. Christus zu bezeugen, wird jetzt zum einzigen Ziel in seinem Leben; er will andere Menschen an der eigenen Freude teilhaben zu lassen.
Paulus war vor seiner Begegnung mit Christus ein gesetzestreuer Pharisäer gewesen. Er verfolgte die Christen, die er für eine gefährliche Sekte hielt. Er war, nach den Maßstäben seiner Kultur, überzeugt, das Richtige zu tun. Eines Tages machte er sich auf nach Damaskus, um die dortigen Christen gefangen zu nehmen. Und da geschah das Unerwartete, das in einem einzigen Moment seine Vorstellungen und Maßstäbe zunichte machte und seinem Leben eine ganz neue Richtung gab: Er begegnete Christus – nicht als Idee oder als Glaubenssystem, sondern als Person. Er sah ein großes Licht und hörte seine Stimme, die ihn persönlich ansprach. Paulus war überwältigt, stürzte zu Boden, wurde für drei Tage blind und wurde dann durch Handauflegung von einem Christen geheilt und ließ sich taufen. Danach war sein Leben radikal verändert. Er verstand, dass nicht er durch seinen Glaubenseifer etwas für Gott tun konnte, sondern dass im Gegenteil Gott ihn erwählt hatte als Zeugen Jesu Christi für die Verbreitung des Evangeliums.
Die Begegnung mit Christus änderte nicht den Charakter des Paulus; er setzte sich nach wie vor mit großem Eifer für den Glauben ein. Sie änderte jedoch seine innere Haltung: Christus hatte ihn frei erwählt und hatte ihn zum Zeugen bestimmt. Die Liebe Gottes galt allen Menschen und sollte allen Menschen verkündet werden. Paulus selbst schrieb später an die Römer: „Also kommt es nicht auf das Wollen und Streben des Menschen an, sondern auf das Erbarmen Gottes“ (Röm 9,16).
Auch Augustinus hat dieses Erbarmen persönlich erfahren und ist so zur Konversion gelangt. Als Kind von seiner Mutter im christlichen Glauben erzogen, wandte er sich später von diesem ab und strebte nach weltlichem Erfolg, der ihm als gewandtem Rhetor im Übermaß zuteil wurde. In ihm blieb jedoch eine Leere, die er zu füllen suchte durch die Hinwendung zur Philosophie und dann zu einer orientalischen Sekte. Schließlich fand er jedoch zum christlichen Glauben zurück, wobei die Lektüre des hl. Paulus eine entscheidende Rolle spielte. In ihm wuchs der Wunsch nach einem enthaltsamen Leben im Dienst Gottes; er konnte diesen Wunsch jedoch nicht aus eigener Kraft verwirklichen. Da hörte er von Ferne eine Stimme, die sagte: „Nimm und lies.“ Augustinus schlug den Römerbrief auf und las: „... ohne maßloses Essen und Trinken, ohne Unzucht und Ausschweifung, ohne Streit und Eifersucht. Legt (als neues Gewand) den Herrn Jesus Christus an, und sorgt nicht so für euren Leib, dass die Begierden erwachen“ (13,13).
In seinen „Bekenntnissen“ schrieb Augustinus später, dass in diesem Moment ein Licht in sein Herz eindrang, das alle Zweifel vertrieb und ihm Frieden und Gewissheit schenkte. Er bekam die Kraft, ein enthaltsames Leben im Dienst Gottes zu führen, ließ sich taufen, gründete eine Gemeinschaft, wurde Priester und später Bischof. Sein ganzes Werk ist ein einziges Zeugnis von seiner Begegnung mit Christus und von der Gnade, ihm nachzufolgen.
„Herr, wohin gehst du?“ – für Paulus und Augustinus stellte sich nach ihrer Konversion nur noch diese eine Frage.
© Würzburger Katholisches Sonntagsblatt - Nr. 39 vom 28.9.2008, Seite 8
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