ZENTRUM FÜR AUGUSTINUS-FORSCHUNG

AN DER JULIUS-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT WÜRZBURG

Predigten aus neuerer Zeit, die sich augustinischer Gedanken bedienen.

Das Zentrum für Augustinus-Forschung in Würzburg verfolgt und registriert die Aktualität Augustins in möglichst allen einschlägigen Sparten der Wissenschaften unserer Zeit. Am Gespräch mit dem Kirchenvater aus dem 4. und 5. Jahrhundert sind nicht nur Theologen und Philosophen, Historiker und Soziologen, Psychologen und Linguisten – um nur einige Zweige der Wissenschaften zu nennen – interessiert, sondern sogar die Naturwissenschaften. Es versteht sich von selbst, dass Augustinus der kirchlichen Pastoral ebenfalls immer noch nachhaltige Impulse zu geben vermag.

Der ehemalige Professor der Rhetorik war ein hinreißender Prediger. Sogar aus Übersee strömten Gläubige herbei, um ihn zu hören. In der Verkündigung ging es ihm so gut wie ausschließlich um die Inhalte der christlichen Offenbarung. Er wusste nur zu gut, dass er die Fundamente des Glaubens den breiten Schichten des Kirchenvolkes vorzüglich in den Predigten seiner Gottesdienste vermitteln konnte. Dabei klammerte er aktuelle Probleme der Gesellschaft nicht aus. Christen sollten z.B. wissen, was sie bei Katastrophen auf Fragen nach ihrem Gott der Liebe zu antworten haben, reicht ihnen doch die Bibel ein ganzes Arsenal von Argumentationsmustern dazu.

Augustinus - Zeugnis 2005

zu 1 Kor 11,17-28 – Augustin Sermo 272 - Lk 19,1-10

«Eucharistie und Gemeinde – die Frage nach der Würde»

Augustinerkirche Weiden und Würzburg am 27./28.08.2005

Bruder Peter Reinl, Prior des Konvents St. Augustin, Würzburg

Liebe Schwestern und Brüder,

früher war doch alles besser! Diesen Satz kennen wir – und viele von uns sind davon überzeugt, dass er stimmt, nicht zuletzt im Hinblick auf die Kirche. Früher war alles besser:

· Die Kirchen waren voller

· Die Menschen frömmer

· Die Priester bescheidener

· Die Gottesdienste mystischer

· Brot und Wein hoch-würdiger

· Die Bischöfe souveräner

· Die Gläubigen höriger

· Die Jugend war anständiger (und v.a. da)

· usw.…

Generation für Generation transportiert diesen Satz – aber ob er alleine dadurch schon richtig wird?

Werfen wir doch einfach mal einen Blick auf eine christliche Gemeinde, die vor gerade einmal zweitausend Jahren – ich denke, das ist ja auch «früher» - versuchte, ihren Glauben zu leben. Gemeint sind die Christinnen und Christen, die um das Jahr 50 in Korinth leben.

Korinth war damals eine blühende Stadt – reich … Man könnte sogar sagen: Wer Korinth sagt, der sagt «Wirtschaft».

· Wirtschaftliches Treiben bestimmte diese 100.000-Einwohner-Stadt mit ihren beiden Häfen. Es gab Banken, Handelsniederlassungen, Schiffswerften, Transportunternehmen, Kaufhäuser …,

· es gab Fischer, Gerber, Tuchmacher, Hafenarbeiter en masse, Sklaven - jeder 3. Einwohner (!) war Sklave oder Sklavin – es gab Zimmerleute und Zeltmacher und Bäcker und Kleinbauern und Großgrundbesitzer und natürlich - nicht zu vergessen - die vielen Prostituierten, für die Korinth berühmt-berüchtigt war … .

Als Paulus so um das Jahr 50 auf seiner 2. Missionsreise nach Korinth kommt, da betritt er eine Stadt, die ein Schmelztiegel ist aus verschiedensten Rassen, Klassen, Religionen und Nationen. Und als er dann 1 1/2 Jahre später wieder von Korinth weiterzieht, da hinterlässt er eine kleine christliche Gemeinde, vielleicht 50, 100 oder 200 Leute, die wohl nichts anderes sind als ein Abbild dieses Schmelztiegels – halt im Kleinen.

· Und wie es eben in der Stadt Reiche und Arme, Sklaven und Freie, Fleißige und Faule gab, so gab es auch in dieser kleinen Gemeinde der Messiasanhänger Reiche und Arme, Sklaven und Freie, Fleißige und Faule.

· Und jenseits dessen: Auch nachdem ein Korinther Mitglied in der christlichen Gemeinde geworden ist bleibt er doch Korinther, und die Sklavin bleibt Sklavin, der Hafenarbeiter Hafenarbeiter. Und gleiches gilt natürlich für die Großmäuler, Legalisten, Zwanghaften, Choleriker und Neurotiker … Sie bleiben meist neurotisch, cholerisch, zwanghaft, legalistisch, marktschreierisch.

Kein Wunder also, dass es bei dieser Mischung recht schnell Konflikte in der Gemeinde von Korinth gab. Die Briefe, die Paulus in den folgenden Jahren an sie schreibt, sind voll davon:

· Da gab es verschiedene Parteiungen: Die einen hielten zu Paulus, andere zu Apollos, andere zu Kefas (1 Kor 1,11ff).

· Da gab es eine erschreckende Konkurrenz unter den verschiedenen Predigern (1 Kor 3,5-17; 2 Kor 3,1; 10,12ff).

· Da gab es Leute, die Angst hatten, auf dem Markt Fleisch zu kaufen, weil es ja vorher im Tempel einer «heidnischen» Gottheit geweiht wurde; andere wiederum machten sich über diese Ängstlichen lustig (1 Kor 8,1-13).

· Eine weitere Gruppe sprach Paulus ab, ein richtiger Apostel zu sein (1 Kor 9,1-18).

Nur zur Erinnerung: «Früher war ja alles besser»

· Dann wird von einem Mann berichtet, der mit seiner Stiefmutter zusammenlebte; und die Gemeinde duldete das auch noch und bildete sich auf ihre "Toleranz" auch noch etwas ein. «Alles ist erlaubt» war wohl ihr Motto (1 Kor 5,1-13).

· Da sah man es als Zeichen christlicher "Freiheit" an, wenn die Männer sich mit den Tempelprostituierten, deren es in Korinth viele gab, verkuppelten (1 Kor 6,12-20).

· Ja, da gab es sogar Leute, die die Auferstehung der Toten leugneten (1 Kor 15,1-59)

· Es gab Leute, die sich vorkamen, als seien sie allein vom heiligen Geist beseelt (1 Kor 12,1-3).

· ... (Die Zeit reicht nicht, all diese Konflikte auch nur aufzählen.)

… aber – wie gesagt – früher war ja alles besser, oder?!

Ein Zustand machte Paulus besonders zu schaffen - wir hörten vorhin davon in der Lesung – nämlich: Für ihn haben die Versammlungen der Gemeinde nichts mehr zu tun mit der Feier des Herrenmahles. Die Leute, die zusammenkommen, um Brot und Wein zu teilen, scheinen für Paulus am Wesentlichen vorbeizuschrammen. Ein herber Vorwurf!

Ich denke, es macht Sinn gerade in diesem Jahr, welches der verstorbene Papst ja zum eucharistischen Jahr erhoben hat, beim Thema Eucharistie und Gemeinde zu verweilen.

Was stört Paulus eigentlich so sehr an den Zusammenkünften der Messiasanhänger von Korinth? Was meint er damit, wenn er ihnen schriebt: «Wer (von euch) also unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn»? Wer bzw. was ist hier für Paulus «unwürdig»?

Wahrscheinlich würden wir heute sagen, was auch immer wieder von obersten Stellen zu hören ist: «Unwürdig» sind die Korinther selbst, was sonst? Und weil sie unwürdig sind – aufgrund ihres Lebenswandels etc. – können sie auch nicht würdig bei ihren Versammlungen das Herrenmahl mit Brot und Wein feiern. Das ist unser heutiges Beicht- und Bußverständnis: Sünde – Beichte – erst dann Kommunion.

Paulus wäre nicht wenig verwundert, würde er von dieser Wirkungsgeschichte seiner Sätze an die Korinther erfahren. Ihm scheint es bei seiner Kritik an den korinthischen Zusammenkünften nämlich um etwas ganz anderes, für ihn viel wichtigeres, zu gehen.

Für ihn sind nämlich nicht die Feiernden (nicht die Menschen) unwürdig, Brot und Wein zu teilen; unwürdig ist vielmehr die Art des Feierns. Paulus hat ein Problem mit der Form der Zusammenkünfte der Korinther, weil diese Form für ihn nicht mehr dem Herrenmahl entspricht.

Für Paulus ist unglaublich, was sich da in Korinth bei den Versammlungen abspielt, dass nämlich jeder – wie er schreibt – «sogleich seine eigenen Speisen verzehrt, und dann der eine hungert, während der andere schon betrunken ist». Was Paulus stört ist nicht in erster Linie die Fehlerhaftigkeit der einzelnen (wie wir auf den ersten Blick vielleicht meinen). Was ihn wirklich stört ist, dass es innerhalb der christlichen Gemeinde keinen Deut anders zugeht als außerhalb. Die Reichen, die Unternehmer, die Sklavenhalter, die die in der Welt Korinths eben ohnehin eher oben stehen, sie etablieren mit ihrem fragwürdigen Verhalten diese Rangordnung auch in der kleinen christlichen Gemeinde:

· Die einen schuften den ganzen Tag am Hafen oder sonstwo, um überhaupt das Nötigste zum Leben zu haben. Auf Schritt und Tritt bekommen sie mit, dass sie die kleinsten Rädchen im System sind, dass sie in der Rangordnung ganz unten stehen, dass sie sich alles sagen lassen müssen und selbst nichts zu sagen haben. Erst spät kommen sie zur Gemeindeversammlung, um mit ihren Brüdern und Schwestern in Erinnerung an Jesus Brot und Wein zu teilen.

· Die anderen dagegen sind reich, sie lassen arbeiten. Sie kommen früher zur Versammlung, bringen Köstliches mit und lassen es sich mit Ihresgleichen gut gehen. Ihr großtuerisches Gehabe legen sie auch in der Gemeinde nicht ab. Besoffen und vollgefressen sind sie, bis die anderen – von Sonne und Arbeit hungrig und durstig – zum Mahl kommen.

Mit Recht fragt Paulus sie deshalb vorwurfsvoll: «Verachtet ihr die Kirche Gottes? Wollt ihr jene demütigen, die nichts haben?» D.h.:

· Merkt ihr nicht, dass das Mahl ohne wenn und aber verbunden ist mit der Gemeinde, dass sich die Gemeinde mit all ihren Gliedern im Mahl wiederspiegelt, die Gemeinde, die doch selbst leibhafter Christus ist?

· Merkt ihr nicht, dass es hier um mehr geht als nur um das Teilen von Brot und Wein? In diesen Gaben habt ihr doch den leibhaften Christus mitten unter euch!

· Wollt ihr nicht verstehen, dass ihr beim Mahl selbst hineingenommen werdet in diesen Christus und dass ihr beim Mahl selbst dieser Leib seid.

Paulus kocht, weil das, was da beim Mahl geschieht, alles andere als Jesus und das, was für ihn galt, wiederspiegelt.

· Denn Paulus ist davon überzeugt, dass in Christus keine unterschiedlichen Ränge, kein oben und unten mehr gilt, dass kein Unterschied mehr gilt zwischen Juden und Griechen, Sklaven und Freien, Mann und Frau (Gal 3,28). Deshalb kann er es nicht mit ansehen, dass in Korinth ausgerechnet das Herrenmahl dazu missbraucht wird, Ränge und Ordnungen und Hierarchien zu schaffen, dass die einen ausgerechnet beim Mahl den anderen zeigen müssen, dass sie nichts wert sind, dass sie arm und unbedeutend sind, während sie bedeutend, reich – frei nach Paulus: betrunken sind.

· Paulus ist davon überzeugt, dass das Herrenmahl an das letzte Mahl Jesu und damit an die Mahlpraxis Jesu überhaupt anknüpfen muss, und die war geprägt vom Zusammensein mit den Menschen bei Tisch, die in der Gesellschaft an den Rand gedrängt waren: Lahme und Kranke und Arme und Bettler, Prostituierte, Sünder und Zöllner – wie Zachäus einer war. An seinem Tisch war Platz, es war eine «offene Tischgemeinschaft». Es gab keine Zweiklassengesellschaft von Würdigen und Unwürdigen, von jenen, die zuschauen und jenen, die essen und trinken.

Der Zustand in Korinth, dass das Herrenmahl und die es feiernde Gemeinde nichts mehr miteinander zu tun haben, muss Paulus unheimlich verärgert haben. Und so schreibt er: «Was soll ich dazu sagen? Soll ich euch etwa loben? In diesem Fall kann ich euch nicht loben.»

Man fragt sich schon: War früher wirklich alles besser?

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

wahrscheinlich fragen sie sich allmählich, ob ich mich im Manuskript vergriffen habe, schließlich feiern wir heute Augustinus und nicht Paulus? Aber ich kann sie beruhigen: Ich habe mich nicht vergriffen. Ich dachte mir nur, um den Schüler verstehen zu können, muss man auch seine Herkunft, seinen Lehrer kennen. Und Augustinus gilt nun einmal als der größte Schüler des Apostels Paulus. Vieles von dem eben über Paulus und Korinth Gesagten ließe sich auch über Augustinus und Hippo Regius, wo er über 30 Jahre Bischof war, sagen.

· Wie Korinth war Hippo eine bedeutende Hafenstadt, die zweitgrößte Stadt Nordafrikas.

· Auch Hippo war eine Wirtschaftsmetropole, lebte vom Handel, hatte eine vielleicht vergleichbar bunte Bevölkerung.

· Und wenn wir in den vielen Predigten Augustins blättern, dann dürfte die christliche Gemeinde von Hippo, die natürlich um ein zig-faches größer war als die von Korinth, ebenso lebendig, ebenso problematisch, ebenso konfliktträchtig gewesen sein.

Augustinus kannte Paulus wie wohl kein Zweiter in seiner Zeit, er kannte auch dessen Auseinandersetzung bzgl. der unwürdigen Feier des Herrenmahles in Korinth. Er kommt in seinen Predigten und Schriften immer wieder darauf zurück und wenngleich für ihn die persönliche Würdigkeit der Gemeindemitglieder schon eine größere Bedeutung für ein würdiges Herrenmahl hat als dies bei Paulus der Fall war, so liegt seine Interpretation doch noch sehr nahe bei Paulus. Warum? Weil Augustinus wie Paulus das Herrenmahl und die Kirche, die christliche Gemeinde vor Ort zusammenbringt. Im Mahl spiegelt sich die Gemeinde und die Gemeinde spiegelt den, auf den sie sich gründet und sie spiegelt ihn nicht nur, sie verkörpert ihn. Das ist der «ganze Christus»[1]. Als Getaufte, als Männer und Frauen, die glauben, hoffen und lieben sind sie Glieder am Leib Christi. Und so kann Augustinus in seiner Predigt an Neugetaufte auch sagen: «Wenn ihr … selbst der Leib Christi seid und seine Glieder, dann liegt euer eigenes Geheimnis auf dem Tisch des Herrn. Dann empfangt ihr euer eigenes Geheimnis. Auf das, was ihr seid, antwortet ihr: Amen. Und durch diese Antwort leistet ihr gleichsam eine Unterschrift. Du hörst: der Leib Christi! Und antwortest: Amen! Sei darum ein Glied des Leibes Christi, damit dein Amen wahr ist» (sermo 272).

Und in unnachahmbarer Weise fährt er fort, wie es sich für wahre Seelsorger gehört, nämlich mit einem Zuspruch:

«Seid, was ihr seht, und empfangt, was ihr seid: Leib Christi.»

Für Augustinus ist klar: Ihr, die Gläubigen von Hippo Regius, ihr seid leibhafter Christus – ohne wenn und aber. Und hier folgt Augustinus ganz seinem Lehrer Paulus, der bei aller Problematik, bei allem Ärger und all den Konflikten in Korinth sich ebenfalls aufschwingt zu einem bedingungslosen Zuspruch, wenn er den Korinthern mit all ihrem Durcheinander und Streit schreibt: «Ihr seid leibhafter Christus!» (1 Kor 12,27)

Liebe Schwestern und Brüder, war früher alles besser? Unser Blick nach Korinth und das Blitzlicht auf Hippo Regius haben wohl gezeigt, dass es immer schon Probleme, Streit, Ärger und Konflikte innerhalb der christlichen Gemeinden gab. Das ist so an Orten, an denen es Leben gibt. Und da ist es heute nicht besser und nicht schlechter als früher.

Hinsichtlich der Feier des Herrenmahls wäre ich aber schon gespannt, was Augustinus und Paulus zu unseren Zuständen sagen würden. Paulus jedenfalls hat in Korinth dagegen gekämpft, dass ausgerechnet die Eucharistiefeier zu einem Ort wird, an dem sich Rang und Privileg und Status ausdrücken. Herrenmahl hieß für ihn und für Augustinus: Leibhaften Christus empfangen und zugleich als Gemeinde leibhafter Christus sein, d.h. auch: als Gemeinde die Mahlpraxis Jesu und seine Option für eine Gemeinschaft von Gleichgestellten aufgreifen und fortführen.

Und wie urteilen sie hinsichtlich des Zuspruchs? War das früher besser?

Paulus jedenfalls sieht die Gemeinde in Korinth, ein Konfliktfeld sondergleichen. Er gibt ihr keine neuen Regeln, er setzt nicht eine Autorität über die Gemeinde, die jetzt mal so richtig aufräumt, vielmehr verneigt er sich vor der ganzen Gemeinde und kann nicht anders als ihr zusagen: «Ihr seid leibhafter Christus!» Besser geht’s nicht. Auch Augustinus, der sicher auch fordernd war, spricht der Gemeinde zu: «empfangt, was ihr seid: Leib Christi.»

Beide stehen hier in untrüglicher Tradition des Nazareners, der ein Meister des Zuspruchs war. Ihr seid das Salz der Erde – ohne wenn und aber! Ihr seid Licht der Welt! Ihr seid selig – ohne erst dafür dieses und jenes tun zu müssen! Es ist eine Tradition, in der ein Zachäus vom Baum heruntersteigen darf und - ohne sich an die Brust zu klopfen - mit Jesus Mahl halten kann. Hätte Jesus von Nazareth die Ängstlichkeit und Engstirnigkeit unserer Tage besessen, Zachäus säße noch immer auf dem Baum. Aber Jesus funktionierte anders – Gott sei Dank – und in seiner Folge auch Paulus und wohl auch Augustinus. Sie hatten den Mut zum Zuspruch und ermöglichten so den Männern und Frauen ihrer Zeit den Weg zur Veränderung, zum Leben und zur Freiheit. Mit Verlaub: Das war früher besser!

Feiern wir heute mit Augustinus einen großen Seelsorger und mit ihm den, um den es auch an diesem Fest eigentlich geht: unseren Gott.

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[1] Wo immer Männer und Frauen Brot und Wein teilen, empfangen sie den leibhaften Christus, der sie als Gemeinde ebenso sind. Als «ganzer Christus» setzen die Christinnen und Christen zusammen mit dem, auf den sie sich berufen, dessen Werk in der Geschichte fort.

Predigt über Joh 10,7-18

zum Fest des hl. Augustinus

28.08.2005

Pfarrverband Messelhausen

von Pfarrerin z.A. Dr. Larissa Carina Seelbach

 

Liebe Gemeinde,

eine Schafsherde zieht, von einem Hirten geführt, über Täler und Hügel. Ein idyllischer Anblick! Das vertraute Bild von Hirte und Herde verbindet uns über Raum und Zeit hinweg mit den Menschen der Bibel. Mit diesem Vergleich aus dem Alltagsleben kleidet Jesus eine tiefe Heilswahrheit in eine sich selbst erschließende Gestalt. Instinktiv erahnen wir die Geborgenheit, die es bedeutet, wenn Jesus Christus unser guter Hirte ist.

Solche biblischen Bilder zu entfalten, sie als die Wahrheit unseres Heils für die Gegenwart auf den Punkt zu bringen, ist die Aufgabe der Theologie. Sie fragt, was Jesus, der gute Hirte, sagt und was er uns heute noch zu sagen hat.

In unserem Predigttext entdecken wir unter anderem die Botschaft von der Einheit der Christen. Es ist die eine Herde, die Jesus Christus führt. Diese christliche Einheit wird heute viel beschworen und ist zugleich doch auch heiß umstritten. Durch besonders ausgeklügelte öffentlichkeitswirksame Aktionen versuchen manche hier „ein Zeichen zu setzen“, eine Gemeinschaft buchstäblich herbeizufeiern. Doch, um „ein Zeichen zu setzen“, bedarf es zuvor einer Eindeutigkeit des zu Bezeichnenden. Gerade an Eindeutigkeit fehlt es uns Christen und Christinnen oft. Gemeinsames Feiern isoliert betrachtet, hieße letztlich, den zweiten Schritt vor dem ersten tun zu wollen. Legen wir also die Basis für ein wahrhaft christliches Miteinander, indem wir mit dem ersten Schritt die Grundlage aller weiteren schaffen und uns so der Mitte unseres Gemeinschaft stiftenden christlichen Glaubens bewusst werden. Dies dürfte ganz im Sinne des Kirchenvaters Augustin sein, der im Folgenden immer wieder zu Wort kommen soll. Wie kaum ein anderer vermag er zur geistigen Identitätsbildung von Christen und Christinnen beizutragen. Er nahm in Glaubensfragen kein Blatt vor den Mund und trat entschieden für die christliche Einheit ein.

Wenden wir uns dem eben verlesenen Predigttext zu. Welche Bilder gebraucht Jesus dort? Fast überraschend klingt der Vergleich, den er für sich selbst heranzieht. Er bezeichnet sich als Tür. Jesus – die Tür! Der Sinn dieses kräftigen Bildes leuchtet unmittelbar ein: Nur durch ihn gibt es Zutritt zum ewigen Leben. Er allein ist die Tür, kein Weg zum Reiche Gottes führt an ihm vorbei. Durch Hintertürchen, Luken oder Löcher wird niemand dorthin gelangen. Diese klare Feststellung findet sich ähnlich auch bei Augustin. Er war überzeugt davon, dass der Glaube der Christenheit mit dem rechten Bekenntnis zu Jesus Christus steht und fällt. Hier und nur hier entscheidet sich, ob wir uns mit Recht und Berechtigung Christen nennen. Würden wir das heute auch so sagen?

Solch ein gewaltig kompromissloser Anspruch wirkt auf uns doch eher unbarmherzig, wenn nicht gar intolerant. Ja, es stimmt: Eine solche Aussage kommt uns in Zeiten postmoderner Beliebigkeit bzw. selbstinszenierter Patchworkreligiosität, in denen man sich seine Religion nach eigenem Gutdünken zusammenbastelt, nur schwer über die Lippen.

Ein Mönch, der einst den Ordensnamen „Augustinus“ trug, – ich spreche von Martin Luther –, brachte Augustins Forderung auf die Formel: „Allein Christus“. Da stellt sich die Frage: Darf man so etwas wirklich behaupten? Riecht das nicht nach vermodertem Dogmatismus, nach finsterstem Mittelalter? Gibt es denn wirklich die eine Religion, die richtig ist? Haben wir nicht alle den gleichen Gott? Genügt es etwa nicht, schlicht ein guter Mensch zu sein? Derartige Einwände sind keine Seltenheit.

Liebe Gemeinde, indem wir uns – scheinbar selbstkritisch – solche Fragen stellen, zeugen wir nicht von einer vermeintlich großen Weite unserer religiösen Anschauungen. Vielmehr gestehen wir unsere Orientierungslosigkeit ein – eine Orientierungslosigkeit, die sich an vielen Stellen auch in unserer Gesellschaft auswirkt. Fehlt Christen der eindeutige Maßstab, bleibt das nicht folgenlos. Vielleicht findet sich auch deshalb in der geplanten EU-Verfassung kein eindeutiger Gottesbezug, weil eben vielen buchstäblich der Bezug zu Gott verloren gegangen ist. Insgesamt kann man sagen: Die Ausrichtung auf Gottes Wort wirkt wenig verbindlich, geschweige denn im politischen und gesellschaftlichen Alltag hilfreich. Paradoxerweise wird aber beinahe im gleichen Atemzug allerorten die notwendige Vermittlung von Werten eingefordert?! Richtlinien und Orientierung bedarf es also schon, doch wo sollen die herkommen?

Hören wir wieder auf unseren Text, denn das biblische Bild vom Hirten und seiner Herde spielt auf die menschliche Orientierungslosigkeit an. Ein Schaf, auch wenn uns dieser Vergleich wenig schmeichelhaft vorkommt, hat einen ausgesprochen schlechten Orientierungssinn. Deshalb braucht es den Hirten. Eine Taube findet über tausende von Kilometern den Weg zur Heimat, das Vieh kehrt ebenfalls meist problemlos von der Weide in den Stall zurück, nicht so das Schaf. Das Schaf ist auf die Stimme des Hirten angewiesen, um nicht vom rechten Weg abzukommen, d.h. um überhaupt Nahrung zu finden, um zu überleben. Die Stimme des Hirten verheißt Halt und Sicherheit – vor allem aber: Wegführung. Ein guter Hirte trägt Sorge, dass es seinen Tieren an nichts mangeln wird. Deshalb ist Jesus Christus nicht nur die Tür, sondern auch der Hirte, d.h. nicht nur das Heil, sondern auch der alleinige Heilsbringer. Als absoluter Weg zum Heil ist Jesus die Tür für die Schafe und enttarnt zugleich die Holzwege aller vermeintlichen anderen Heilsbringer. Denn: Schafe gelangen nur durch die dafür bestimmte Tür zur Weide. Dies bedeutet mit anderen Worten, dass Menschen einzig durch Christus zur Rettung geführt werden. Jeder illegitime Offenbarungs-, Führungs-, oder Heilsbringeranspruch zerbricht an dieser klaren Bestimmung.

„Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.“ Jesus spendet uns Leben, spendet sein Leben für uns, ist als Tür zugleich „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6).

Wie schwierig es mitunter sein kann, zu Christus zu finden, hat auch Augustin selbst erfahren. Einst wollte er eigene Wege gehen, doch diese führten ihn weit weg vom Ziel. Der Sohn einer christlichen Mutter gelangte erst nach zahlreichen Irrungen und Wirrungen, die ihn u.a. in eine religiöse Sekte, aber auch in die Elfenbeintürme der Philosophie führten, zum christlichen Glauben zurück. Indem er seinen windungsreichen Weg zu Gott beschrieb und die eigenen Irrwege schonungslos offen legte, wollte er anderen die Richtung weisen. Zu Beginn des sechsten Buches seiner zu Papier gebrachten „Bekenntnisse“ klagte er: „Doch ich lief ins Dunkel, auf schlüpfrigem Pfad, suchte dich außerhalb meiner, aber ich fand ihn nicht, den Gott meines Herzens.“

Letztlich fand Augustin den Weg zu Gott. Zugleich gelangte er zu der Einsicht, dass Christus nicht nur das Ziel, sondern auch den Weg zu Gott bedeutet. Christus ist also nicht nur die Tür, sondern auch der Hirte, der zur Tür führt. Augustin hatte diese Erkenntnis erst am eigenen Leib erfahren müssen, verkündigte sie dann aber umso entschiedener:

„Wenn nämlich zwischen einem, der ein Ziel erstrebt, und dem erstrebten Ziele ein Weg sich befindet, kann er hoffen hinzukommen. Fehlt der Weg jedoch oder kennt man ihn nicht, was nützt es dann, das Ziel zu wissen? Der einzige gegen alle Irrtümer völlig gesicherte Weg aber ist er selber, Gott und Mensch zugleich, als Gott das Ziel, als Mensch der Weg.“

Liebe Gemeinde, Sie werden nun vielleicht sagen: Bei Augustin mag das so gewesen sein, er ist ja auch ein Heiliger! Doch bei mir ist das anders, …! Woran liegt es, dass wir so zu argumentieren vermeinen? Nun, wir beziehen den biblischen Text nicht unmittelbar auf uns. Dafür gibt es auch scheinbar einen gewichtigen Grund. Wir tun uns wohl deshalb mit dem Bild vom Hirten und den Schafen so schwer, weil wir uns nicht mit Schafen vergleichen lassen wollen. Anders als Schafe, mit denen wir nach eigenem Empfinden wenig gemeinsam haben, verfügen wir doch über die Fähigkeit, eigene Lebenswege festzulegen, abzuändern, zu verwerfen oder geradlinig zu verfolgen. Wir brauchen keine expliziten Vorgaben, da uns ein wacher Verstand gegeben ist, da wir eigene Entscheidungen treffen können und treffen wollen. Darin aber liegt der große Irrtum, den selbst Augustin erst nach so manchem Fehler einsah. Die frohe Botschaft, das Evangelium unseres Textes besteht aber letztlich gar nicht darin, dass wir uns in jeder nur erdenklichen Hinsicht mit Schafen vergleichen. Das Evangelium besteht für uns vielmehr darin, dass wir auf den guten Hirten hören. Auf den guten Hirten zu hören, ihm zu folgen macht den Glauben aus. Als Bischof, der im 4. und 5. Jahrhundert lebte, wusste sich Augustin im Bewusstsein dieser Angewiesenheit auf Jesus Christus mit allen Gliedern seiner Gemeinde eng verbunden. Deshalb bekannte er in einer Predigt: „Für Euch bin ich Bischof, mit Euch bin ich Christ. Das Erstere ist meine Bürde, das Letztere meine Würde.“

Was heißt es nun gegenwärtig, im 21. Jahrhundert auf Jesus Christus, den einen Hirten, zu hören? Sinnangebote werden uns von unterschiedlichster Seite her unterbreitet. Eine Vielzahl umwerbender Stimmen beschallt uns, gibt vor zu wissen, was gut für uns ist, was wir tun und lassen sollen. Jedoch hören wir die Stimme des guten Hirten allenfalls noch verzerrt, sofern wir in ihr nur ein Weltdeutungsangebot unter vielen auf dem bunten Markt der Möglichkeiten vernehmen wollen. Unser Predigttext lässt keine Zweifel: Jesus ist nicht einer von vielen. Er ist der einzige, der den wirklichen Weg zum wirklichen Ziel zeigt, er ist der Hirte, er ist die Tür! Als Individuen, die ihren Glauben losgelöst von der christlich-biblischen Lehre leben und verwirklichen wollen, laufen wir stets Gefahr, falschen Hirten in die Fänge zu gehen. Das ist der Preis der postmodernen Freiheit, die nicht selten eine konsumhörige Selbsterlösung propagiert.

Augustin kannte zwar die Postmoderne nicht, wohl aber die Verführungskünste falscher Hirten. Deshalb hat er uns auch heute noch so viel zu sagen. Als Pastor, d.h. übersetzt als Hirte, wollte Augustin seine Gemeinde nur einem einzigen anvertrauen, nämlich Christus, dem guten Hirten. Denn es galt damals und gilt heute immer noch: Ein Schaf in der Herde des guten Hirten bleibt nicht orientierungslos. Egal wie viele Stimmen es hört, egal welcher Wolf im Schafspelz den Lebensweg kreuzt, dieses Schaf weiß, dass allein die Stimme des guten Hirten den Weg vorgibt. Dieses Schaf kennt Christi Stimme, verfügt über einen inneren Kompass. Wie die Kompassnadel dabei immer nach Norden weist, werden wir auf die Erlösungstat Jesu Christi gewiesen. Als der gute Hirte bringt Jesus den existentiellen Einsatz seines Lebens für uns. Durch seinen Tod am Kreuz eröffnet er uns umfassende Gemeinschaft. Die göttliche Liebe kommt in der freiwilligen Lebenshingabe des Sohnes zum Ziel, wodurch Christi Sendung zum Wohle der Seinen erfüllt wird. Dabei vollzieht sich Christi Selbsthingabe keineswegs passiv; denn nach Johannes gibt Jesus sein Leben hin, damit er es wiedernehme, so dass die Perspektive von Verherrlichung und Auferstehung stets mitzudenken ist. Durch seine freiwillige, in Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters selbstgewählte Lebenshingabe, führt Jesus Christus als der gute Hirte, das Volk Gottes zu einer Herde zusammen.

Gottes geliebter Sohn vollendete seine Liebe zu uns durch seinen Kreuzestod und wurde so für uns die Tür zum ewigen Leben bei Gott. Christi Kreuz steht für diesen Zugang, ist das weltweit bekannte christliche Zeichen schlechthin.

Zur Herde des guten Hirten kommen nun auch nach den Worten des Predigttextes „andere Schafe“ hinzu. Diese ganze Herde bildet die Kirche derer, die zu Jesus Christus gehören und auf seine Stimme hören. Hierauf verweist auch schon das Wort „Kirche“. Laut seinem griechischen Ursprung „Kyriaké“ bedeutet Kirche „zum Herrn gehörig“. Die anderen Schafe sind Jesus genauso anvertraut wie die eigenen. Wie diese Schafe zu Christus finden, wird nicht gesagt, wohl aber, dass sie auf seine Stimme hören werden.

Gleichwie Johannes einstmals die Heidenchristen, die mit den Judenchristen eine Einheit bilden sollten, in den Blick nahm, dürfen auch wir heute nicht in vermeintlicher Heilsgewissheit allein auf unsere jeweilige Konfession zentriert denken. Christi Herde erstreckt sich über die ganze Welt. Uns steht es nicht an, zu unterscheiden, wer zur wahren Kirche Christi zählt und wer nicht. Augustin, dessen wir heute besonders gedenken und der sich um die Einheit aller Christen bemühte, gelangte wohl auch deshalb zu der Erkenntnis: „Viele, die drinnen sind, sind draußen, und viele, die draußen sind, sind drinnen.“

Dementsprechend sollten wir uns nicht mit Erkennungsmerkmalen aufhalten, welche vermeintlich die wahre von falschen Kirchen, die wirkliche Kirche von „kirchlichen Gemeinschaften“ unterscheiden. Das einzige Merkmal, das uns gegeben ist, wird bei Johannes eindeutig genannt: Zur Kirche Jesu Christi gehören alle, die auf seine Stimme hören. Nicht mehr wird gefordert, aber auch nicht weniger. Wo Menschen auf Jesus Christus hören, sich in seine Nachfolge begeben, ist Kirche, ist die eine christliche Herde des einen guten Hirten.

Amen.

18. SONNTAG – A

31. 7. 2005

 

Der 'Gekreuzigte Christus' als Quelle der Gerechtigkeit - Predigt zum Römerbrief

Mutterhaus der Ritaschwestern

Vorspann

Vielleicht erinnern Sie sich noch an meine Predigt hier am 10. Sonntag in diesem Jahreskreis A.

Ich sagte damals, die Kirche lege uns vom 9.-24. Sonntag in der zweiten Lesung jeweils Texte aus dem Römerbrief des Apostels Paulus vor. Dieses Schreiben sei aber keine Kaffeelektüre! Gerade deshalb sollten wir uns alle Mühe geben, um in seine Tiefen und in seine Schönheit einzudringen.

Der erste Teil des Römerbriefes handelt von der Gerechtigkeit Gottes, die Christus uns schenkte. Dieser Teil endet mit der heutigen kurzen Lesung. Sie besteht aus vier Sätzen, geschrieben in einer leidenschaftlich appellierenden, gerade deshalb aber in einer ebenso faszinierend hymnischen Sprache.

Der hl. Augustinus hat in sein Handbuch für Prediger einige Texte auch aus dem Neuen Testament mit aufgenommen, um zu zeigen, wie man begeisternd predigen soll: Man muss, so sagt er, von der Sache, die man verkündet, begeistert sein. Unter seinen Texten findet man auch unsere Lesung [1].

Die Sache, von welcher der Apostel Paulus begeistert war, ist die Person und das Heilswerk Jesu Christi. «Wir aber predigen Christus als den Gekreuzigten», schrieb er der Gemeinde von Korinth (1 Kor 1,23) – darin erblickte er die Substanz christlicher Verkündigung. Als Kardinal Julius Döpfner Bischof von Würzburg wurde, wählte er diesen Satz als Leitspruch für sein bischöfliches Amt.

Der ‹Gekreuzigte Christus› als Quelle der Gerechtigkeit, die Gott uns schenkt, ist das Thema des Römerbriefes, davon soll auch in der Predigt die Rede sein.

 

Predigt

Ich denke, Sie haben etwas von der Begeisterung verspürt, die unsere Lesung aus dem Römerbrief beseelt. Diese beschwörende Frage gleich zum Beginn: «Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?» mit der impulsiv konkretisierenden Nachfrage: etwa «Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert?» Darauf aber die präzise und bündige Antwort: «All das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat».

In diesen zwei Versen wird zwar knapp, rhetorisch jedoch ungemein wirksam die Konsequenz daraus gezogen, was der Apostel in den vorausgegangenen acht Kapiteln mit der ihm eigenen Glaubens- und Überzeugungskraft den Adressaten seines Briefes dargelegt hat.

Worum ging es da? Um nichts Geringeres als um Gottes Handeln am Menschen, gezielt an seinem Sohn, den er zu unserem Heil in die Welt gesandt hat – es geht, wie eingangs gesagt, um Gottes Gerechtigkeit, die er uns durch Christi Heilstat schenkt.

Wie ist dies zu verstehen? Dass Gott dank seiner Vollkommenheit gerecht ist, dürfte verständlich sein. Wer von uns hingegen vermag von sich zu behaupten, dass er Gott gleich gerecht sei? Allen, so argumentiert der Apostel in den ersten Kapiteln seines Briefes, allen, Juden wie Heiden, mangelt es am Gerechtsein, weil alle «unter der Herrschaft der Sünde stehen» (3,9).

‹Gottes Gerechtigkeit›, von der im Römerbrief die Rede ist, meint nicht, dass Gott uns Menschen nach unserem Verdienst belohnt oder bestraft, ‹Gottes Gerechtigkeit› meint, dass er seine Gerechtigkeit den Menschen zuteilt, allerdings nicht umsonst, sondern aufgrund der Sühne seines Sohnes. «... alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren», so fasst der Apostel seine Zustandsbeschreibung der Menschheit zusammen, er fährt aber vielsagend fort: «Ohne eigenes Zutun werden sie gerecht, dank seiner Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus. Ihn hat Gott dazu bestimmt, Sühne zu leisten mit seinem Blut, Sühne wirksam durch Glauben» (3,23f.).

Nicht selten kann man hören: Was ist das für ein Begriff von Gott, der auf Sühne besteht, dazu noch auf Sühne durch die Hinrichtung seines Sohnes? Aber, es sei die Gegenfrage gestattet: Was ist das für ein Begriff von Gerechtigkeit, die Unrecht nicht mehr wahrnimmt, nicht mehr wahrnehmen will?

Nicht so der Apostel! Er nimmt die Sünde an seiner Existenz immer noch deutlich wahr, was ihn bekümmert – nachzulesen im 7. Kapitel dieses Briefes. Aber gerade dies, so behauptet er, sei das Evangelium, sei seine ihn froh machende Botschaft an alle, über die er nur jubelnd sprechen kann. Etwa so: «Gerecht gemacht aus Glauben haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus». Welche Zuversicht! Welches Vertrauen! «Durch ihn haben wir auch den Zugang zu der Gnade erhalten, in der wir stehen, und rühmen uns unserer Hoffnung, mit der wir der Herrlichkeit Gottes entgegengehen. Mehr noch: wir rühmen uns ebenso unserer Bedrängnis; denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen, durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist» (5,1-5).

Der Apostel scheut sich also keineswegs, gerade in der Hingabe des Sohnes die Liebe als Gottes Wesen zu erkennen. Denn er fährt fort: «Gott aber hat seine Liebe zu uns darin erwiesen, dass Christus für uns gestorben ist ... Nachdem wir jetzt durch sein Blut gerecht gemacht sind, werden wir durch ihn erst recht vor dem Gericht des Zornes gerettet werden» (5,8f.).

Vor diesem Hintergrund zieht der Apostel sein auch sprachlich so faszinierendes Resümee. Wie gesagt, dieses ist deshalb ein begeisterndes, weil er von der Sache, die er darlegte, begeistert war – er, der sicher alles andere als ein bequemes Leben führte. Aber wovon sein Herz voll war, davon floss sein Mund über. Voll war sein Herz von der Gewissheit des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Diese Gewissheit ließ ihn alles Irdische dem hintansetzen, was vor ihm lag: das Leben bei Gott aufgrund der Gerechtigkeit, die Gott den Seinen aufgrund der Verdienste Jesu schenkt.

Das Resümee, ein absoluter Höhepunkt der neutestamentlichen Verkündigung, beginnt bereits einige Sätze vor unserer Lesung. Lassen Sie mich den ganzen Text vortragen, und die Predigt damit zugleich beschließen:

«Was ergibt sich nun, wenn wir dies alles bedenken? Ist Gott für uns, wer ist dann wider uns? Er hat seinen eingeborenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben; wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?

Wer kann die Erwählten Gottes anklagen? Gott ist es, der gerecht macht.

Wer kann sie verurteilen? Christus Jesus, der gestorben ist und auferweckt wurde, sitzt zur Rechten Gottes und tritt für uns ein?

Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert?

In der Schrift steht: ‹Um deinetwillen werden wir den ganzen Tag dem Tod ausgesetzt; wir werden wie Schafe behandelt, die man zum Schlachten führt›.

Doch all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur vermag uns zu scheiden von der Liebe Gottes in Christus Jesus, unserem Herrn» (8,31-39).

Wenn wir auf diesem Fundament stehen, das der Römerbrief verkündet, wird uns Christen niemand und nichts anfechten. Im Gegenteil: Es bietet uns eine Standfestigkeit, die mit allen Widrigkeit des Lebens, den Tod miteinschließend, fertig wird. Als Papst Johannes Paul II sterbend sich verabschiedete, sagte er: «Ich bin froh, seid Ihr es auch!». Nochmals: Welche Zuversicht! Welches Vertrauen! Aber auch welch ein Vermächtnis! Amen.

 

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[1] ‹Handbuch für Prediger› ist speziell das 4. Buch von De doctrina christiana. Im § 42 spricht der Kirchenvater vom ‹grande dicendi genus›, vom erhabenen Stil einer Rede. Dort zitiert er Röm 8,28-39 und zuvor schon im § 11 Röm 5,3-5.

 

WELCHER GLAUBE WIRD VON CHRISTEN GEFORDERT?

Predigt zur Perikope Röm 4,18-25

10. Sonntag im Jahreskreis ‹A›

Cornelius Petrus Mayer OSA

Vorspann

Im gegenwärtigen Lesejahr ‹A› der Liturgie legt uns die Kirche vom 9.- 24. Sonntag in der Zweiten Lesung jeweils Teile aus dem Römerbrief des Apostels Paulus vor.

Der Römerbrief gehört sowohl der Form wie auch dem Inhalt nach zu den faszinierendsten Texten des Neuen Testamentes. Er ist allerdings alles andere als eine Kaffeelektüre! Gerade deshalb sollen wir uns alle Mühe geben, um in die Tiefen und in die Schönheiten dieser Texte einzudringen.

Heute werden wir darin dahin belehrt, dass es der Glaube ist, der uns vor Gott gerecht macht. Und als Beispiel werden wir auf den Glauben Abrahams verwiesen. Unser Glaube soll dem Abrahams gleichen.

Was ist damit gemeint? Dieser Frage wollen wir in der Predigt nachgehen.

Predigt

Wie sollen wir in die Predigt über den Text unserer zweiten Lesung einsteigen? Ich denke so, dass wir uns zunächst über die zwei unterschiedlichen Arten des Glaubens in der Bibel Klarheit verschaffen.

Kein Geringerer als der hl. Augustinus hat darauf aufmerksam gemacht, dass das, was wir ‹Glauben› nennen, ein Zweifaches bedeuten kann. Einmal: etwas für wahr halten, was nicht bewiesen werden kann – z.B. dass es in Gott drei Personen gibt. Das Credo der Kirche, das wir nachher beten werden, ist ein solches Für-Wahr-Halten von Sätzen, die zu glauben uns zuerst bei der Taufe vorgelegt wurden. Wir bekennen, sagten wir bzw. die Taufpaten und meinten damit: wir stehen zu diesen Sätzen.

Die andere Art des Glaubens hat das Vertrauen zum Gegenstand. Dieses Vertrauen artikuliert sich nicht in Sätzen, sondern in einer Haltung; es zielt nicht auf ein Bekenntnis ab, sondern auf die Hingabe – eine Hingabe, die das Bekenntnis stets schon voraussetzt, es sozusagen hinter sich weiß. Davon ist in unserer Lesung die Rede, denn Beides, absolutes Vertrauen und bedingungslose Hingabe gelten keinem anderem als dem Gott des Bekenntnisses.

Weil die Hoffnung ein Kind des Glaubens ist, beginnt unsere Perikope mit dem vielsagenden Satz: «Gegen alle Hoffnung hat Abraham voll Hoffnung geglaubt, dass er der Vater vieler Völker werde».

Die Geschichte ist bekannt: an Abraham erging die Verheißung, dass er und Sara, beide schon hochbetagt, noch einen Sohn bekommen würden. Diese Verheißung einer Vater- und Mutterschaft in vorgerücktem Alter, ist sie nicht geradezu lächerlich? Abrahams Zeugungskraft war schon erloschen und auch aus Saras Schoß war nach menschlichem Ermessen kein Leben mehr zu erwarten.

Der Sinn dieser Geschichte liegt nach der Absicht des Römerbriefes nicht darin, dass der greise Abraham in der Tat noch Nachwuchs bekam, ihr Sinn liegt vielmehr darin, dass Abraham an der Verheißung bei allen Argumenten, die dagegen sprachen, letztlich doch nicht zweifelte, sondern, dass er in der Kraft der Verheißung ‹stark im Glauben wurde›. «Er erwies Gott die Ehre», das heißt, er vertraute Gott; er schob jeden Einwand der Vernunft beiseite, weil er «überzeugt war, dass Gott die Macht besitzt zu tun, was er verheißen hat».

Das ist der Vertrauensglaube, und der «wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet». ‹Gerechtigkeit› meint: Gott zugestehen, was ihm gebührt: die Allmacht.

Unsere Perikope ist damit noch nicht zu Ende. Der Apostel verkündigt ja nicht Abraham, sondern Christus, der aus Abrahams Samen über Isaak und zahlreiche Generationen aus dem Schoß Mariens hervorging. – Übrigens findet sich der gleiche Vertrauensglaube auch bei Maria, als sie sprach: «Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort».

Der gleiche Vertrauensglaube ist es schließlich, der auch von uns gefordert wird. Denn im Römerbrief geht es um unser Glaubensverhalten, das – dem Abrahams nicht unähnlich – das Vertrauen in Gottes Allmacht zur Voraussetzung hat.

Im Unterschied zur Abrahamgeschichte geht es in unserer Lebensgeschichte um den Glauben an das Leben nach dem Tode. «Dieser Glaube», so der Text, «soll auch uns angerechnet werden, die wir an den glauben, der Jesus, unseren Herrn, von den Toten auferweckt hat».

Der Rechtfertigungsglaube bezieht sich somit letztlich auf das Ostergeschehen. Als Christus am Kreuz mit dem Psalmvers auf den Lippen verschied: «Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist» (31,6), da formulierte auch er gleich Abraham als den Kern des Rechtfertigungsglaubens die totale Hingabe des Menschen an Gott, und zwar an jenen Gott, «der das, was nicht ist, ins Dasein ruft, und der die Toten lebendig macht».

Das Christentum hat wohl eine Ethik, und diese Ethik gipfelt im Liebesgebot. Aber gerade weil wir Christen dem Liebesgebot nicht nachkommen – nicht nachkommen können, da die Sünde immer noch in uns wirkt – erschöpft sich der christliche Glaube nicht in der Ethik. Der Christ betet mit dem Psalmisten zurecht: «Wolltest du auf die Sünden achten, Herr, wer könnte dann bestehen?» (129,3).

Nein, das Christentum steht und fällt mit dem Glauben an Christi Erlösungswerk: «Wegen unserer Verfehlungen wurde er hingegeben, wegen unserer Gerechtmachung wurde er auferweckt», so endet unsere Perikope.

Darauf also, auf unsere ‹Gerechtmachung› durch Christi Tod und Auferstehung – ganz und gar darauf unser Vertrauen setzen, das ist es, was der Römerbrief unter Glauben versteht: eine Haltung – eine Haltung, die das Wesen der christlichen Demut ausmacht. In dieser Glaubenshaltung wollen wir nun die Eucharistie, Christi Tod und Auferstehung, feiern, ‹gegen alle Hoffnung hoffend›, dass auch wir mit ihm leben werden. Amen.

ZWEITER SONNTAG IN DER OSTERZEIT A

MUTTERHAUS DER RITASCHWESTERN 3. 4. 2005

Cornelius Petrus Mayer OSA

Vorspann

Im Neuen Testament gibt es Texte, die nicht nur ihrem Inhalt, sondern auch ihrer sprachlichen Darstellung nach faszinieren. Einen solchen bietet uns die Liturgie heute in der zweiten Lesung aus dem ersten Petrusbrief.

Ich habe Ihnen den Text aus dem Schott-Messbuch abschreiben lassen, und zwar strukturiert. Die Leitbegriffe sind in roter Farbe hervorgehoben, damit Sie auch visuell erfassen, worauf es ankommt.

Das beherrschende Thema unserer heutigen Liturgie ist der Glaube. «Barmherziger Gott, durch die jährliche Osterfeier erneuerst du den Glauben deines Volkes», so bringt das Tagesgebet die Texte insgesamt gleichsam auf einen gemeinsamen Nenner. – Alle, die gläubig wurden, so die erste Lesung, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. – Um das Wagnis des Glaubens geht es im Bericht über den zweifelnden Thomas im Evangelium. – Und in der zweiten Lesung kommen die Wörter Glaube und Glauben sogar 5mal vor.

Predigt

«Weil du mich gesehen hast», sagt Jesus im Evangelium zu Thomas, «glaubst du», er fügt aber vielsagend hinzu: «Selig sind, die nicht sehen und doch glauben».

Wer erkennt darin nicht die Brücke zum Vers 8 unserer Lesung? «Ihn habt ihr nicht gesehen, ... ihr seht ihn auch jetzt nicht; aber ihr glaubt an ihn und jubelt ... ».

Was ist das, der Glaube? «Glaube ... ist – so der Hebräerbrief des Neuen Testamentes – : «Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht» (11,1). Glaube ist also: Feststehen und Überzeugtsein!

Wenden wir uns nun dem Text der Lesung zu: Fachleute sagen, der erste Petrusbrief sei ein Schreiben an die verfolgte Kirche in Kleinasien um die Wende vom ersten ins zweite Jahrhundert. Der Brief sollte die Christen – sie werden im Briefinnern ein ‹heiliges Volk› und ‹ein königliches Priestertum› genannt – stärken, damit sie in der Kraft des Glaubens den Bedrängnissen der Welt standhalten.

Der Gedankengang des Briefes hat drei Schritte: Im ersten, in den Versen 3-5, geht es darum, was Gott an uns in der Taufe getan hat; im zweiten, in den Versen 6-7, um das, was Gott gegenwärtig an uns tut; und im dritten, den Versen 8-9, geht es um den ‹Jubel› und die ‹Freude› jetzt schon, weil Christen ‹das Ziel ihres Glaubens› kennen.

Blicken wir auf den Text: Was hat Gott getan? ‹Er hat uns neu geboren› durch die Taufe. Die Taufe durch das große Sakrament der Einverleibung, das die junge Kirche vorzüglich in der Osternacht, bei der Feier ‹der Auferstehung Jesus Christi von den Toten›, spendete.

Darin gründet die ‹lebendige Hoffnung› der Christen. ‹Hoffnung› worauf? Auf das ‹Erbe›. Der Verfasser kann sich nicht genug tun, dieses Erbe in hymnischer Sprache zu schildern. Er nennt es, um es von allen irdischen Erbschaften klar abzuheben: ‹unzerstörbar, makellos und unvergänglich, ‹im Himmel aufbewahrt› für uns.

Nun steht da im Vers 5 ein Satz, über den wir nicht hinweglesen sollten: ‹Gottes Macht behütet euch›. Lebten jene Christen in Kleinasien nicht in der ständigen Bedrängnis der Verfolgung?, mag der eine oder der andere fragen. Wie kann es da heißen: ‹Gottes Macht behüte› sie? Er behütet sie ‹durch den Glauben›.

Wie ist das zu verstehen? Eine plausible Antwort darauf gibt uns der Apostel Paulus in seinem Römerbrief. Dort lesen wir: «Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns? Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben; wie sollte er mit ihm uns nicht alles schenken?» (Röm 8,31f.) Das also ist in Vers 5 gemeint. Denn ‹behütet werden› wir ‹durch den Glauben› deshalb, ‹damit› wir ‹das Heil›, diesen Inbegriff des ‹alles› erlangen, das am Ende der Zeit offenbart werden soll›.

Zum zweiten Schritt: Was tut Gott an uns jetzt? Er prüft unseren Glauben in Mitten der Leiden dieser Zeit. Der Brief spricht im Hinblick auf die Ewigkeit des ‹Heils› von einer ‹kurzen Zeit› der Prüfungen. In dieser doppelten Perspektive, der ‹Zeit des Leidens› jetzt und der ‹Ewigkeit des Heils› am Ende der Zeiten, empfängt der Glaube seinen alles Irdische in den Schatten stellenden Glanz. Deshalb heißt es, der Glaube ist ‹wertvoller als im Feuer geprüftes, also geläutertes Gold›. Ihm, unserem Glauben, ‹wird Lob, Herrlichkeit und Ehre zuteil bei der Offenbarung Jesu Christi›.

Zum dritten Schritt: In den beiden letzten Versen erreicht der Text auch sprachlich seinen Höhepunkt. Der Glaube, wenn er lebendig ist, versetzt Christen in einen unbeschreibbaren Jubel und lässt sie die Nöte des irdischen Daseins vergessen. Wieder kann der Verfasser sich nicht genug tun, diesen Jubel ekstatisch als eine ‹unsagbare von himmlischer Herrlichkeit verklärte Freude› zu beschreiben.

Beschäftigt man sich intensiv mit dem Text unserer Lesung, dann fällt einem auf, dass darin kaum argumentiert wird. Es geht darin auch nicht um Mahnungen zu einem sittlichen Leben, wodurch wir uns das Heil erst verdienen sollten. Von all dem ist da keine Rede, wohl aber vom Lobpreis, vom Jubel und von der Freude. Unser Text verbreitet ganz einfach Stimmung, österliche Stimmung.

Gewiss hat diese Stimmung der Freude in der Auferstehung Christi ihren Grund, aber nicht allein darin. Die Frage, warum strahlt Ostern Freude aus, beantworten Christen zwar zu Recht, weil der Gekreuzigte verherrlicht wurde. Eine solche Antwort verkürzt jedoch die Freude über Ostern, denn sie verschweigt gerade das, worauf es in unserer Lesung ankommt: unsere eigene Auferstehung!

Die Auferstehung Jesu allein nützte uns wenig, wenn wir nicht ‹neu geboren› worden wären. Wie ist das zu verstehen?

Ich darf noch einmal aus dem Römerbrief zitierten: «Wisst ihr denn nicht», sagt der Apostel im Kapitel 6 dieser für die Verkündigung des christlichen Glaubens so wichtigen Schrift, «dass wir, die wir auf Christus Jesus getauft sind, auf seinen Tod getauft sind? Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod, damit so, wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, auch wir in dieser neuen Wirklichkeit leben».

Das also ist ‹das Erbe›, das uns zugesichert ist, deshalb können wir die österliche Zeit gar nicht anders verbringen als ‹im Jubel›.

Nicht Zweifel, nicht Kleinmut, nicht Resignation, nicht Angst bestimmen christliches Dasein, sondern Zuversicht – Zuversicht aus dem Glauben. Der hl. Augustinus nennt uns Christen zwar kühn, aber doch neutestamentlich zutreffend ‹den fortlebenden Christus›, weil der Apostel Paulus von der Kirche nicht anders redet als von Christi Leib. «Ihr aber seid der Leib Christi, und jeder einzelne ist ein Glied an ihm» (1 Kor 12,27). «Also meine Lieben», sagt im Hinblick darauf unser Ordensvater in einer Predigt: «Lasst uns gegenseitig beglückwünschen, lasst und Dank sagen, weil wir nicht nur Christen, sondern Christus geworden sind. ... Staunt darüber und freut euch: Christus sind wir geworden! Ist nämlich jener das Haupt, so sind wir die Glieder. Der ganze Mensch ist jener und wir» (Predigt über das Johannesevangelium, 21,8).

Damit hat der Kirchenvater, wenn ich so sagen darf, das Thema unserer Lesung auf den Punkt gebracht. Amen.