ZENTRUM FÜR AUGUSTINUS-FORSCHUNG

AN DER JULIUS-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT WÜRZBURG

ZAF Logo 3

Fecisti nos ad te, domine, et inquietum est cor nostrum donec requiescat in te.

Confessiones 1,1

Geschaffen hast du uns auf dich hin, o Herr, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.

Bekenntnisse 1,1

5. Augustinus-Katechese Papst Benedikts XVI. (Generalaudienz vom 27. Februar 2008)

Leidenschaftliche Suche nach der Wahrheit

Liebe Brüder und Schwestern!

Mit der heutigen Begegnung möchte ich die Vorstellung der Gestalt des heiligen Augustinus zum Abschluss bringen. Nachdem wir uns mit seinem Leben, seinen Werken und einigen Aspekten seines Denkens beschäftigt haben, möchte ich heute auf seine innere Veränderung zurückkommen, die ihn zu einem der größten Bekehrten der christlichen Geschichte gemacht hat. Dieser Erfahrung des Augustinus hatte ich im besonderen meine Überlegungen bei der Pilgerreise gewidmet, die ich im vergangenen Jahr nach Pavia unternommen habe, um den sterblichen Überresten dieses Kirchenvaters meine Verehrung zu entbieten. Auf diese Weise wollte ich ihm gegenüber die Hochachtung der gesamten katholischen Kirche zum Ausdruck bringen, aber auch meine persönliche Verehrung und Dankbarkeit gegenüber einer Figur sichtbar machen, der ich mich aufgrund der Rolle, die sie in meinem Leben als Theologe, Priester und Hirte gespielt hat, sehr verbunden fühle.

Sein Bekehrungsweg dauerte bis ans Lebensende

Noch heute ist es möglich, den Werdegang des heiligen Augustinus nachzuempfinden – vor allem dank seiner „Bekenntnisse“, die zum Lob Gottes geschrieben wurden und die den Ursprung einer der für das Abendland charakteristischsten literarischen Formen bilden: der Autobiografie, also dem persönlichen Ausdruck des Bewusstseins seiner selbst. Nun, wer immer mit diesem meisterhaften und faszinierenden Buch Bekanntschaft macht, das auch heute noch viel gelesen wird, der wird schnell erkennen, dass die Bekehrung des Augustinus weder plötzlich erfolgt ist, noch von Anfang an vollständig erreicht war, sondern dass sie eher wie ein wirklicher Weg definiert werden kann, der für jeden von uns ein Vorbild bleibt. Dieser Weg findet seinen Höhepunkt sicher in der Bekehrung und dann in der Taufe, doch er war in jener Osternacht des Jahres 387, als der afrikanische Redner von Bischof Ambrosius in Mailand getauft wurde, nicht zu Ende. Der Bekehrungsweg des Augustinus dauerte vielmehr bis an sein Lebensende, so dass man wirklich sagen kann, dass die einzelnen Etappen dieses Weges – von denen drei deutlich ausgemacht werden können – eine einzige große Bekehrung darstellen.

Der heilige Augustinus hat leidenschaftlich nach der Wahrheit gesucht: von Anfang an und weiter sein ganzes Leben lang. Die erste Etappe seines Bekehrungsweges hat sich gerade in der allmählichen Annäherung an das Christentum erfüllt. Tatsächlich war er von seiner Mutter Monika, der er immer sehr verbunden bleiben sollte, christlich erzogen worden und obwohl er während seiner Jugendjahre ein ungeregeltes Leben geführt hatte, fühlte er sich immer tief zu Christus hingezogen, da er die Liebe zum Namen des Herrn mit der Muttermilch aufgenommen hatte, wie er selbst unterstreicht (vgl. Bekenntnisse, III, 4,8). Doch auch die Philosophie, vor allem die Philosophie platonischer Prägung, hatte dazu beigetragen, ihn näher zu Christus zu führen, indem sie ihm die Existenz des Logos, der schöpferischen Vernunft darlegte. Die Bücher der Philosophen zeigten ihm, dass es die Vernunft gibt, aus der dann die ganze Welt hervorgeht, doch sie sagten ihm nicht, wie er diesen Logos erreichen könnte, der so weit entfernt schien. Nur die Lektüre der Briefe des heiligen Paulus, im Glauben der katholischen Kirche, hat ihm die Wahrheit vollständig offenbart.

Diese Erfahrung wurde von Augustinus auf einer der berühmtesten Seiten der „Bekenntnisse“ zusammengefasst: er berichtet, dass er sich mit seinen quälenden Betrachtungen in einen Garten zurückgezogen habe, wo er plötzlich eine kindliche Stimme hörte, die leise eine Melodie vor sich hin sang, die er noch nie zuvor gehört hatte: „tolle, lege, tolle, lege – nimm und lies, nimm und lies“ (VIII, 12,29). Da hat er sich an die Bekehrung des Antonius, des Vaters des Mönchstums, erinnert und ist eilig zu der Paulushandschrift zurückgekehrt, die er kurz zuvor in der Hand gehabt hatte, er hat sie geöffnet und sein Blick fiel auf den Abschnitt aus dem Brief an die Römer, in dem der Apostel dazu ermahnt, die leiblichen Dinge abzulegen und sich mit Christus zu bekleiden (13,13-14). Er hatte verstanden, dass dieses Wort in jenem Moment an ihn persönlich gerichtet war, dass es durch den Apostel von Gott kam und ihm anzeigte, was er in jenem Moment zu tun hatte. So spürte er, wie sich die Finsternis des Zweifels zerstreute, und endlich fand er sich frei, sich ganz Christus zu schenken: „Du hattest mein Sein zu dir bekehrt“, kommentiert er (Bekenntnisse, VIII, 12,30). Das war die erste und entscheidende Bekehrung.

Diese grundlegende Etappe seines langen Weges hatte der afrikanische Redner dank seiner Begeisterung für den Menschen und für die Wahrheit erreicht, eine Begeisterung, die ihn Gott, der groß und unzugänglich ist, suchen ließ. Der Glaube an Christus ließ ihn verstehen, dass Gott, der scheinbar so fern war, in Wahrheit nicht so fern war. Er ist uns vielmehr nahe gekommen, indem er einer von uns geworden ist. In diesem Sinne brachte der Glaube an Christus die lange Suche des Augustinus auf dem Weg der Wahrheit zu ihrer Erfüllung. Nur ein Gott, der sich „berührbar“, der sich zu einem von uns gemacht hatte, war endlich ein Gott, zu dem man beten konnte, für den und mit dem man leben konnte. Das ist ein Weg, der voller Mut und gleichzeitig voller Demut verfolgt werden muss, in der Offenheit auf eine ständige Läuterung hin, derer jeder von uns stets bedarf. Doch mit jener Osternacht des Jahres 387 war, wie wir bereits gesagt haben, der Weg des Augustinus nicht abgeschlossen. Er kehrte nach Afrika zurück und gründete dort ein kleines Kloster, in das er sich mit wenigen Freunden zurückzog, um sich dem kontemplativen Leben und dem Studium zu widmen. Das war der Traum seines Lebens. Jetzt war er dazu berufen, ganz für die Wahrheit, mit der Wahrheit, in der Freundschaft zu Christus, der die Wahrheit ist, zu leben.

Ein schöner Traum, der drei Jahre dauerte, bis er – gegen seinen Willen – in Hippo zum Priester geweiht und zum Dienst für die Gläubigen bestimmt wurde, indem er zwar weiterhin mit Christus und für Christus lebte, allerdings im Dienste aller. Das fiel ihm sehr schwer, doch er begriff von Anfang an, dass er nur im Leben für die anderen – und nicht einfach nur in der privaten Betrachtung – wirklich mit Christus und für Christus leben konnte. Auf diese Weise, indem er auf ein Leben reiner Meditation verzichtete, lernte Augustinus, häufig unter Schwierigkeiten, die Frucht seiner Intelligenz zum Nutzen der anderen zur Verfügung zu stellen.

Er lernte, den einfachen Menschen seinen Glauben mitzuteilen und so in dem Ort, der seine Stadt wurde, für sie zu leben und unermüdlich eine selbstlose und schwierige Tätigkeit auszuüben, die er in einer seiner wunderschönen Predigten folgendermaßen beschreibt: „Ständig predigen, diskutieren, ermahnen, erbauen, allen zur Verfügung stehen – das ist eine ungeheure Belastung, eine große Bürde, eine ungeheure Mühsal“ (Serm. 339,4). Doch er hat diese Bürde auf sich genommen, da er verstand, dass er gerade auf diese Weise Christus näher sein konnte. Zu verstehen, dass man mit Bescheidenheit und Demut die anderen erreichen kann, das war seine wahre und zweite Bekehrung. Doch es gibt eine letzte Etappe auf dem Weg des Augustinus, eine dritte Bekehrung: diejenige, die ihn jeden Tag seines Lebens dazu bewegte, Gott um Vergebung zu bitten. Anfänglich hatte er gedacht, dass er, wenn er erst einmal getauft sei, im Leben der Gemeinschaft mit Christus, in den Sakramenten, in der Feier der Eucharistie, das Leben erlangt hätte, das in der Bergpredigt vorgeschlagen wird: ein Leben der Vollkommenheit, die in der Taufe geschenkt und in der Eucharistie bestätigt wird.

Im letzten Abschnitt seines Lebens hat er verstanden, dass das, was er in seinen ersten Predigten über die Bergpredigt gesagt hatte – nämlich dass wir als Christen dieses Ideal nunmehr ständig leben – falsch war. Nur Christus selbst kann die Bergpredigt wirklich und vollständig verwirklichen. Wir bedürfen stets der Reinigung durch Christus, der uns die Füße wäscht, und der Erneuerung durch ihn. Wir bedürfen einer ständigen Bekehrung. Bis zum Ende bedürfen wir dieser Demut, die anerkennt, dass wir als Sünder unterwegs sind, bis der Herr uns endgültig die Hand reicht und uns in das Ewige Leben führt. In dieser letzten Haltung der Demut, die Tag für Tag gelebt wurde, ist Augustinus gestorben.

Diese Haltung tiefer Demut gegenüber dem einen Herrn Jesus hat ihn auch zur Erfahrung geistiger Bescheidenheit geführt. So wollte Augustinus, eine der großen Gestalten der Geistesgeschichte, alle seine zahlreichen Werke in den letzten Jahren seines Lebens einer klaren, kritischen Prüfung unterziehen. Auf diese Weise entstanden die „Retractationes“ (Revisionen), die auf diese Weise sein wirklich großartiges theologisches Denken in den demütigen und heiligen Glauben dessen einfügen, was er einfach mit dem Namen „Catholica“, also der Kirche, bezeichnet. „Ich habe verstanden – so schreibt er in diesem ganz besonderen Buch (I, 19, 1–3) – dass einer allein wirklich vollkommen ist und dass die Worte der Bergpredigt nur in einem allein ganz und gar verwirklicht werden: in Jesus Christus selbst. Die gesamte Kirche hingegen – wir alle, einschließlich der Apostel – müssen jeden Tag beten: vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“.

Zu Christus bekehrt, der die Wahrheit und die Liebe ist, ist Augustinus Ihm sein ganzes Leben lang gefolgt und ein Vorbild für alle Menschen, für uns alle, die wir auf der Suche nach Gott sind, geworden. Daher habe ich meine Pilgerfahrt nach Pavia damit abschließen wollen, meine erste Enzyklika, mit dem Titel „Deus caritas est“, der Kirche und der Welt vor dem Grab dieses großen Gott liebenden Mannes gedanklich zu überreichen. Denn vor allem in ihrem ersten Teil hat sie dem Denken des heiligen Augustinus viel zu verdanken. Auch heute, wie zu seiner Zeit, muss die Menschheit diese fundamentale Wahrheit erkennen und vor allem leben: Gott ist die Liebe, und die Begegnung mit ihm ist die einzige Antwort auf die Unruhe des menschlichen Herzens. Ein Herz, das von der Hoffnung bewohnt wird, die in vielen unserer Zeitgenossen noch dunkel und unbewusst sein mag, die jedoch uns Christen schon heute auf eine Zukunft hin öffnet, so dass der heilige Paulus geschrieben hat: „Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung“ (Röm 8,24). Der Hoffnung habe ich meine zweite Enzyklika „Spe salvi“ widmen wollen und auch sie hat Augustinus und seiner Begegnung mit Gott vieles zu verdanken.

In einem wunderschönen Text definiert der heilige Augustinus das Gebet als Ausdruck des Verlangens und erklärt, dass Gott antwortet, indem er unser Herz zu Ihm hin ausweitet. Unsererseits müssen wir unsere Wünsche und Hoffnungen läutern, um die zärtliche Liebe Gottes zu empfangen (vgl. In Ioannis, 4,6). Sie allein – indem sie uns auch den anderen öffnet – rettet uns. Beten wir also, dass es uns in unserem Leben jeden Tag gewährt werde, dem Vorbild dieses großen Bekehrten zu folgen und wie er in jedem Moment unseres Lebens dem Herrn Jesus zu begegnen, dem einzigen, der uns rettet, uns läutert und uns die wahre Freude, das wahre Leben schenkt.

Die Fastenzeit lädt uns ein, unser Herz für die Not zu öffnen

Die Pilger deutscher Sprache in der Audienzhalle grüßte der Papst nach der Katechese mit den Worten:

Von Herzen begrüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Zunge. Besonders heiße ich die Konferenz der deutschsprachigen Seminarregenten und Konviktsdirektoren willkommen. Mögen die Schriften und das Vorbild des heiligen Augustinus für uns alle ein Ansporn auf unserem persönlichen Weg der Bekehrung sein. Dabei bestärke uns der Allmächtige Gott mit seinem Segen.

Bereits zuvor hatte der Heilige Vater im Petersdom die Pilger begrüßt, die in der Audienzhalle keinen Platz mehr gefunden hatten. Auf deutsch sagte er:

Ganz herzlich heiße ich die Audienzteilnehmer aus den deutschsprachigen Ländern hier im Petersdom willkommen. Eure Wallfahrt zum Grab des Apostels Petrus stärke euch im Glauben und in der Liebe, damit ihr Zeugnis geben könnt für die Frohbotschaft des Evangeliums. Die Fastenzeit lädt uns zudem ein, unser Herz für die materielle und seelische Not unserer Mitmenschen zu öffnen, in denen uns Christus selbst begegnet. Er ist es, der uns um unsere Zuwendung und unsere Solidarität bittet. Seien wir großzügig und teilen wir unsere Zeit, unsere Güter und auch unseren Glauben mit unseren bedürftigen Brüdern und Schwestern. Der Herr segne euch und eure Familien.

Übersetzung aus dem Italienischen von Claudia Reimüller

© Die Tagespost – Katholische Zeitung für Politik, Kultur und Gesellschaft und Kultur

4. Augustinus-Katechese Papst Benedikts XVI. (Generalaudienz vom 20. Februar 2008)

Den Glauben verständlich verkündigt

Liebe Brüder und Schwestern!

Nach der Unterbrechung wegen der geistlichen Exerzitien in der vergangenen Woche, kehren wir heute zur großen Gestalt des heiligen Augustinus zurück, über den ich während der Mittwochskatechesen bereits wiederholt gesprochen habe. Er ist der Kirchenvater, der uns die größte Anzahl von Werken hinterlassen hat, und über diese Werke möchte ich heute kurz sprechen. Einige der augustinischen Schriften sind von grundlegender Bedeutung, und zwar nicht nur für die Geschichte des Christentums, sondern für die Entstehung der gesamten abendländischen Kultur: das deutlichste Beispiel hierfür sind die „Bekenntnisse“, zweifellos auch heute noch eines der am häufigsten gelesenen Bücher des christlichen Altertums. Wie verschiedene Kirchenväter aus den ersten Jahrhunderten hat auch der Bischof von Hippo – allerdings in einem unvergleichbar größeren Maß – einen weitreichenden und nachhaltigen Einfluss ausgeübt, was bereits die reiche handschriftliche Überlieferung seiner Werke zeigt – es sind wirklich außerordentlich viele.

Er selbst hat sie einige Jahre vor seinem Tod nochmals in den „Retractationes“ aufgezählt, und kurz nach seinem Tod sind sie im „Indiculus“ (Verzeichnis) genau aufgeführt worden, das der treue Freund Possidius seiner Biographie über den heiligen Augustinus, „Vita Augustini“, hinzugefügt hat. Das Verzeichnis der Werke von Augustinus wurde – während mittlerweile alle römischen Provinzen Afrikas von den Vandalen bedrängt wurden – mit der ausdrücklichen Absicht verfasst, die Erinnerung an sie zu bewahren, und es zählt gut eintausenddreißig von ihrem Verfasser numerierte Schriften, nebst anderen, „die nicht numeriert werden können, weil er keine Zahl angegeben hat“. Als Bischof einer nahegelegenen Stadt hat Possidius diese Worte in Hippo diktiert – wohin er sich geflüchtet hatte und wo er dem Tod des Freundes beiwohnte – und sich dabei mit ziemlicher Sicherheit auf den Katalog der persönlichen Bibliothek von Augustinus gestützt. Heute sind fast dreihundert Briefe des Bischofs von Hippo überliefert, sowie fast sechshundert Predigten, derer es ursprünglich jedoch weitaus mehr gegeben hatte, möglicherweise sogar zwischen drei- und viertausend, Frucht einer vierzigjährigen Verkündigungszeit dieses Redners aus dem Altertum, der beschlossen hatte, Jesus nachzufolgen und nicht mehr zu den hochstehenden Personen am Kaiserhof zu reden, sondern zur einfachen Bevölkerung von Hippo.

Noch in den letzten Jahren hat die Entdeckung einer Reihe von Briefen und einiger Predigten unsere Kenntnis dieses großen Kirchenvaters bereichert. „Viele Bücher – so hat Possidius geschrieben – wurden von ihm verfasst und veröffentlicht, viele Predigten wurden in der Kirche gehalten, aufgeschrieben und anschließend korrigiert, sowohl um verschiedene Irrlehrer zu widerlegen, als auch um die Heilige Schrift zur Erbauung der heiligen Söhne und Töchter der Kirche auszulegen. Diese Werke – so unterstreicht der befreundete Bischof – sind so zahlreich, dass ein Gelehrter Mühe hat, sie alle zu lesen und kennenzulernen“ (Vita Augustini, 18,9).

Die „Bekenntnisse“ erinnern an eine ungewöhnliche Biographie

Unter dem literarischen Schaffen des Augustinus – also mehr als tausend Publikationen, die in Schriften über Philosophie, Apologetik, Doktrin, Moral, Mönchswesen, Exegese und gegen die Irrlehren sowie natürlich in die Briefe und Predigten unterteilt sind – ragen einige außergewöhnliche Werke von großer theologischer und philosophischer Vielfalt besonders heraus. Vor allem muss man an die bereits erwähnten „Bekenntnisse“ erinnern, die zwischen 397 und 400 zum Lob Gottes in dreizehn Büchern niedergeschrieben wurden. Sie sind eine Art Autobiographie in Form eines Dialogs mit Gott. Diese literarische Gattung spiegelt deutlich das Leben des heiligen Augustinus wieder, das nicht in sich verschlossen oder unzähligen Dingen zugewandt war, sondern das im wesentlichen als ein Dialog mit Gott und somit als ein Leben mit den anderen gelebt wurde.

Schon der Titel „Bekenntnisse“ weist auf die Besonderheit dieser Biographie hin. Das Wort „confessiones“ (Bekenntnisse) hat im christlichen Latein, das sich aus der Tradition der Psalmen entwickelt hat, zwei Bedeutungen, die jedoch miteinander verbunden sind. „Bekenntnisse“ zeigt zunächst das Bekenntnis der eigenen Schwächen, des Elends der Sünden an; doch gleichzeitig bedeutet „Bekenntnisse“ das Lob Gottes, die Würdigung Gottes. Das eigene Elend im Licht Gottes zu sehen, wird Lob Gottes und Dank, weil Gott uns liebt und annimmt, uns verwandelt und zu sich selbst erhebt. Der heilige Augustinus selbst hat über diese „Bekenntnisse“, die bereits zu seinen Lebzeiten großen Erfolg hatten, geschrieben: „Sie haben große Wirkung auf mich ausgeübt, als ich sie geschrieben habe, und wenn ich sie wiederlese, dann üben sie immer noch große Wirkung auf mich aus. Es gibt zahlreiche Brüder, denen diese Werke gefallen“ (Retractationes, II, 6): und ich muss sagen, dass auch ich einer dieser Brüder bin.“ Dank der Bekenntnisse können wir Schritt für Schritt den inneren Werdegang dieses außergewöhnlichen und von Gott begeisterten Mannes verfolgen. Weniger verbreitet aber genauso einmalig und bedeutend sind dann die „Retractationes“, die um das Jahr 427 in zwei Büchern verfasst wurden, in denen der heilige Augustinus als nunmehr alter Mann ein Werk der „Revision“ (retractatio) seiner gesamten schriftlichen Arbeit durchführt und uns somit ein einzigartiges und kostbares literarisches Dokument, aber auch eine Lehre der Aufrichtigkeit und intellektueller Bescheidenheit hinterlässt.

De civitate Dei“ – ein eindrucksvolles und für die Entwicklung des politischen Denkens im Abendland sowie für die christliche Geschichtstheologie entscheidendes Werk – wurde zwischen 413 und 426 in zweiundzwanzig Büchern niedergeschrieben. Anlass war der Sacco di Roma, die Plünderung Roms durch die Goten im Jahr 410. Zahlreiche Heiden, die noch am Leben waren, aber auch viele Christen hatten gesagt: Rom ist gefallen, der christliche Gott und die Apostel können die Stadt nicht beschützen. Als die heidnischen Gottheiten da waren, war Rom „caput mundi“, die Hauptstadt der Welt, und niemandem wäre der Gedanke gekommen, sie könne in die Hand der Feinde fallen. Jetzt, mit dem Gott der Christen, schien diese große Stadt nicht mehr sicher. Der Gott der Christen gewährte keinen Schutz, es konnte also kein Gott sein, dem man vertraut. Auf diesen Einwand, der auch das Herz der Christen zutiefst berührte, antwortet der heilige Augustinus mit seinem großartigen Werk, „De civitate Dei“, und erklärt, was wir von Gott erwarten können und was nicht, welches die Beziehung zwischen dem politischen Bereich und dem Bereich des Glaubens, der Kirche ist. Auch heute noch ist dieses Buch eine Quelle, um die wahre Laizität und die Zuständigkeit der Kirche, die große wahre Hoffnung, die der Glaube uns schenkt, genau zu definieren.

Dieses bedeutende Buch stellt die von der göttlichen Vorsehung beherrschte Geschichte der Menschheit dar, die jedoch gegenwärtig durch zwei Arten der Liebe entzweit wird. Das ist das zugrundliegende Muster, die Interpretation der Geschichte als Kampf zwischen zwei Arten der Liebe: die Eigenliebe „bis hin zur Gleichgültigkeit gegenüber Gott“ und die Gottesliebe „bis hin zur Gleichgültigkeit gegenüber sich selbst“ (De civitate Dei, XIV, 28), zur vollen Freiheit von sich selbst für die anderen im Licht Gottes. Das ist also vielleicht das wichtigste Buch des heiligen Augustinus, das von bleibender Bedeutung ist. Gleichermaßen wichtig ist „De Trinitate“, ein Werk in fünfzehn Büchern über den Kerngedanken des christlichen Glaubens, den Glauben an den dreieinigen Gott, das zu zwei verschiedenen Zeiten geschrieben wurde: die ersten zwölf Bücher entstanden zwischen 399 und 412 und wurden ohne Wissen von Augustinus veröffentlicht, der sie dann um das Jahr 420 vervollständigt und das gesamte Werk überarbeitet hat. Hier denkt er über das Antlitz Gottes nach und versucht dieses Geheimnis Gottes zu verstehen, der einzig ist, der einzige Schöpfer der Welt und Schöpfer von uns allen, und dass gerade dieser einzige Gott dennoch dreifaltig ist, ein Kreis der Liebe. Er versucht das unergründliche Geheimnis zu verstehen: gerade das dreifaltige Sein, in drei Personen, stellt die wirklichste und tiefste Einheit des einzigen Gottes dar. „De doctrina Christiana“ ist hingegen eine wirkliche kulturelle Einführung in die Auslegung der Bibel und schließlich in das Christentum selbst, das eine entscheidende Bedeutung in der Entstehung der abendländischen Kultur hatte.

Trotz aller Bescheidenheit war sich Augustinus seiner eigenen geistigen Größe sicher bewusst. Wichtiger jedoch, als große Werke von tiefer theologischer Bedeutung zu verfassen, war es ihm, den einfachen Menschen die christliche Botschaft zu bringen. Dieses tiefe Bestreben, das ihn sein ganzes Leben lang geleitet hat, geht aus einem Brief hervor, den er an seinen Kollegen Evodius geschrieben hat und in dem er diesem seine Entscheidung mitteilt, das Diktieren der Bücher von „De Trinitate“ für den Augenblick zu unterbrechen, „da sie zu mühsam sind und ich glaube, dass sie nur von wenigen verstanden werden können; daher sind solche Texte dringender nötig, von denen wir hoffen, dass sie vielen nutzen mögen“ (Epistulae, 169, 1, 1). Es schien ihm also von größerem Nutzen, allen den Glauben auf verständliche Weise zu vermitteln, als bedeutende theologische Werke zu verfassen. Die stark empfundene Verantwortung hinsichtlich der Verbreitung der christlichen Botschaft steht dann auch am Ursprung von Schriften wie „De catechizandis rudibus“, eine Theorie und auch eine praktische Anleitung zur Katechese, oder „Psalmus contra partem Donati“. Die Donatisten – ein bewusst afrikanisches Schisma – waren das große Problem im Afrika des heiligen Augustinus. Sie behaupteten: das afrikanische Christentum ist das wahre Christentum. Sie widersetzten sich der Einheit der Kirche. Gegen dieses Schisma hat der große Bischof sein ganzes Leben lang gekämpft und versucht, die Donatisten davon zu überzeugen, dass es nur in der Einheit auch wahre Afrikanität geben kann. Und um sich den einfachen Menschen verständlich zu machen, die das gewählte Latein des Redners nicht verstehen konnten, hat er gesagt: Ich muss auch mit grammatikalischen Fehlern schreiben, in einem äußerst vereinfachten Latein. Das hat er vor allem in diesem „Psalmus“ getan, einer Art einfachem Gedicht gegen die Donatisten, um allen Menschen verstehen zu helfen, dass sich nur in der Einheit der Kirche für alle tatsächlich unsere Beziehung zu Gott verwirklicht und der Frieden in der Welt zunimmt.

Viele Priester schöpften aus den Predigten des Heiligen

In diesen Arbeiten, die für ein größeres Publikum bestimmt waren, kommt der Menge der Predigten eine besondere Bedeutung zu, die häufig „aus dem Stehgreif“ formuliert, von Stenographen während der Predigt aufgeschrieben und gleich in Umlauf gebracht wurden. Unter ihnen stechen vor allem die wunderschönen „Enarrationes in Psalmos“ hervor, die im Mittelalter viel gelesen wurden. Gerade die Publikationspraxis der Tausenden von Predigten des Augustinus – häufig ohne Überprüfung des Verfassers – erklärt ihre Verbreitung und den folgenden Verlust, aber auch ihre Lebendigkeit. So wurden die Predigten des Bischofs von Hippo, durch die Berühmtheit ihres Autors, sofort zu gesuchten Texten und sie dienten auch anderen Bischöfen und Priestern als Vorbilder, die an immer neue Zusammenhänge angepasst wurden.

Die ikonographische Tradition stellt den heiligen Augustinus bereits in einem Fresko im Lateran, das auf das sechste Jahrhundert zurückgeht, mit einem Buch in der Hand dar – sicher um sein literarisches Schaffen zum Ausdruck zu bringen, welches die christliche Mentalität und das christliche Denken so stark beeinflusst hat, aber auch um seine Liebe zu den Büchern, zur Lektüre sowie seine Kenntnis der großen, ihm vorhergehenden Kultur auszudrücken. Bei seinem Tod hat er nichts hinterlassen, berichtet Possidius, doch „er empfahl stets, die Bibliothek der Kirche mit allen Handschriften sorgfältig für die Nachfahren zu bewahren“, vor allem die Handschriften seiner Werke. In diesen, so unterstreicht Possidius, ist Augustinus „stets lebendig“ und bringt denen Nutzen, die seine Schriften lesen, auch wenn, so schließt er, „ich glaube, dass diejenigen, die ihn persönlich sehen und hören konnten, als er in der Kirche gesprochen hat und vor allem diejenigen, die mit seinem täglichen Leben unter den Menschen vertraut waren, größeren Nutzen aus dem Kontakt mit ihm ziehen konnten“ (Vita Augustini, 31). Ja, auch für uns wäre es schön gewesen, wenn wir ihn tatsächlich hätten hören können. Doch in seinen Schriften ist er wirklich lebendig, er ist in uns gegenwärtig und so sehen wir auch die stete Lebendigkeit des Glaubens, für den er sein ganzes Leben hingegeben hat.

Die Pilger deutscher Sprache in der Audienzhalle grüßte der Papst nach der Katechese mit den Worten:

Einen frohen Gruß richte ich an die deutschsprachigen Pilger und Besucher. Unter ihnen grüße ich besonders die Kirchenrechtsstudenten der Universitäten München, Augsburg und Potsdam. – In seinen Schriften zeigt Augustinus uns auch heute Wege, den Glauben tiefer zu verstehen. Wie er wollen wir nicht müde werden, Gott zu suchen und immer mehr zu lieben. Von Herzen segne ich euch alle.

Bereits zuvor hatte der Heilige Vater im Petersdom die Pilger begrüßt, die in der Audienzhalle keinen Platz mehr gefunden hatten. Auf deutsch sagte er:

Mit Freude grüße ich die Audienzteilnehmer aus den Ländern deutscher Sprache hier im Petersdom. Die Fastenzeit, die österliche Bußzeit, bietet eine gute Gelegenheit, den Weg der Umkehr entschieden weiterzugehen und sich um eine geistliche Erneuerung zu bemühen für eine Neubelebung des Glaubens und unserer Beziehung zu Gott sowie für einen großherzigen Einsatz im Geist des Evangeliums. Die Liebe ist der Lebensstil, der den glaubenden Menschen auszeichnet. Werdet nicht müde, überall Zeugnis für die Nächstenliebe zu geben. Euch allen wünsche ich einen gesegneten Aufenthalt hier in Rom.

Übersetzung aus dem Italienischen von Claudia Reimüller

© Die Tagespost - Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur

3. Augustinus-Katechese Papst Benedikts XVI. (Generalaudienz vom 30. Januar 2008)

„Glaube und Vernunft müssen immer gemeinsam gesehen werden“

Liebe Freunde!

Nach der Gebetswoche für die Einheit der Christen wollen wir heute zur großen Gestalt des heiligen Augustinus zurückkehren. Mein lieber Vorgänger, Johannes Paul II., hat ihm im Jahr 1986, also zum sechzehnhundertsten Jahrestag der Bekehrung des heiligen Augustinus, ein langes und inhaltlich dichtes Dokument gewidmet: das Apostolische Schreiben „Augustinum Hipponensem“. Der Papst selbst hat diesen Text als „Dank an Gott für das Geschenk, das mit jener wunderbaren Bekehrung der Kirche und durch sie der ganzen Menschheit zuteil geworden ist“ (AAS, 74, 1982, S. 802), bezeichnet. Auf das Thema der Bekehrung möchte ich in einer der nächsten Audienzen zurückkommen. Es ist ein wesentliches Thema – nicht nur für sein, sondern auch für unser Leben. Im Evangelium des vergangenen Sonntags hat der Herr selbst seine Verkündigung in den Worten zusammengefasst: „Kehrt um“. Während wir dem Weg des heiligen Augustinus folgen, könnten wir darüber nachdenken, was diese Umkehr bedeutet: sie ist etwas definitives, entscheidendes, doch diese grundlegende Entscheidung muss sich entwickeln, sie muss sich in unserem ganzen Leben verwirklichen.

Die heutige Katechese ist hingegen dem Thema Glaube und Vernunft gewidmet, welches ein entscheidendes Thema, oder besser, das entscheidende Thema für die Biografie des heiligen Augustinus ist. Als Kind hatte seine Mutter Monika ihn den katholischen Glauben gelehrt. Doch als junger Mann hat er sich von diesem Glauben abgekehrt, weil er seine Vernünftigkeit nicht mehr erkennen konnte und keine Religion wollte, die nicht auch Ausdruck der Vernunft, also der Wahrheit für ihn sei. Sein Verlangen nach Wahrheit war tief verwurzelt und hat schließlich dazu geführt, dass er sich vom katholischen Glauben entfernte. Dieses Verlangen war so tief verwurzelt, das er sich nicht mit Philosophien zufrieden geben konnte, die nicht bis zur Wahrheit selbst, die nicht bis zu Gott vordrangen. Und zwar zu einem Gott, der nicht nur eine letzte kosmologische Hypothese war, sondern der wahre Gott, der Gott, der das Leben schenkt und in unser persönliches Leben eintritt. So stellt der gesamte geistige und geistliche Weg des heiligen Augustinus auch heute noch ein gültiges Modell im Verhältnis von Glauben und Vernunft dar – ein Thema, nicht nur für die gläubigen Menschen, sondern auch für jeden Menschen, der nach der Wahrheit sucht, das zentrale Thema für das innere Gleichgewicht und das Schicksal jedes Menschen. Diese beiden Dimensionen, Glaube und Vernunft, dürfen weder getrennt noch einander entgegengesetzt werden, sondern sie müssen vielmehr immer gemeinsam gesehen werden. Wie der heilige Augustinus selbst nach seiner Bekehrung geschrieben hat, sind Glaube und Vernunft „die beiden Kräfte, die uns zur Erkenntnis führen“ (Contra Academicos, III, 20, 43). Diesbezüglich sind die beiden augustinischen Wendungen immer noch zu Recht berühmt (Sermones, 43, 9), welche diese logisch kohärente Synthese zwischen Glauben und Vernunft zum Ausdruck bringen: „crede ut intelligas“ (glaube, um zu verstehen) – Glauben öffnet den Weg, um die Pforte der Wahrheit zu durchschreiten – aber auch, und zwar damit untrennbar verbunden, „intellige ut credas“ (verstehe, um zu glauben), forsche nach der Wahrheit, um Gott zu finden und zu glauben.

Die beiden Aussagen von Augustinus bringen mit eindrucksvoller Unmittelbarkeit und mit einer ebensolchen geistigen Tiefe die Synthese dieses Problems zum Ausdruck, in dem die katholische Kirche ihren eigenen Weg ausgedrückt sieht. Historisch bildet sich diese Synthese noch vor dem Kommen Christi in der Begegnung zwischen dem jüdischen Glauben und dem griechischen Denken im hellenistischen Judentum. Diese Synthese ist später in der Geschichte von vielen christlichen Denkern aufgenommen und entwickelt worden. Die Harmonie zwischen Glauben und Vernunft bedeutet vor allem, dass Gott nicht fern ist: er ist unserer Vernunft und unserem Leben nicht fern; er ist jedem Menschen nahe, er ist unserem Herzen und unserem Verstand nahe, wenn wir uns wirklich auf den Weg machen.

Im Inneren des Menschen wohnt die Wahrheit

Gerade diese Nähe Gottes zum Menschen wurde von Augustinus mit außergewöhnlicher Intensität empfunden. Die Gegenwart Gottes im Menschen ist tief und gleichzeitig geheimnisvoll, doch sie kann im eigenen Inneren entdeckt und erkannt werden: Geh nicht hinaus – erklärt der Bekehrte – sondern „kehre zu Dir selbst zurück; im Inneren des Menschen wohnt die Wahrheit; und wenn Du entdeckst, dass Deine Natur wandelbar ist, dann gehe über Dich hinaus. Doch denk daran, dass Du, wenn Du über Dich selbst hinausgehst, über eine vernünftig denkende Seele hinausgehst. Strebe also dorthin, wo sich das Licht der Vernunft entzündet“. (De vera religione, 39,72). Genau wie er selbst es in einer ganz berühmten Aussage betont, die sich am Anfang der „Bekenntnisse“ findet, einer geistigen Autobiografie, die zum Lob Gottes geschrieben wurde: „Geschaffen hast du uns im Hinblick auf dich, und unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in dir“ (I, 1, 1).

Das Fernsein Gottes entspricht also dem Fernsein von sich selbst: „Du aber – erkennt Augustinus (Bekenntnisse, III, 6, 11), wobei er sich direkt an Gott wendet – warst innerlicher als mein Innerstes und höher als mein Höchstes“, „interior intimo meo et superior summo meo“; so dass – wie er in einem anderen Abschnitt hinzufügt, in dem er sich an die Zeit vor seiner Bekehrung erinnert – „Du ... vor mir (warst), ich aber hatte mich selbst verlassen und fand mich nicht, geschweige denn dich“ (Bekenntnisse V, 2, 2). Gerade weil Augustinus persönlich diesen geistigen und geistlichen Werdegang erlebt hat, hat er ihn in seinen Werken mit solcher Unmittelbarkeit, geistiger Tiefe und Weisheit wiedergeben können, und in zwei anderen berühmten Abschnitten der „Bekenntnisse“ (IV, 4, 9 und 14, 22) erklärt, dass der Mensch ein „großes Rätsel“ (magna quaestio) und ein „unendlicher Abgrund“ (grande profundum) sei, Rätsel und Abgrund, die nur Christus erhellt und rettet. Das ist wichtig: ein Mensch der Gott fern steht, steht auch sich selbst fern, er ist sich selbst entfremdet und kann sich selbst nur in der Begegnung mit Gott wiederfinden. So findet er auch zu sich selbst, zu seinem wahren Ich, zu seiner wahren Identität.

Der Mensch – unterstreicht Augustinus dann in „Über den Gottesstaat“ (XII, 27) – ist von Natur aus gesellig, aber ungesellig durch seine Sünden, und er wird von Christus erlöst, dem einzigen Vermittler zwischen Gott und der Menschheit und „dem universalen Weg der Freiheit und des Heiles“, wie mein Vorgänger Johannes Paul II. wiederholt hat (Augustinum Hipponensem, 21): außerhalb dieses Weges, welcher der Menschheit nie gefehlt hat – so erklärt Augustinus im selben Werk weiter –, „ist niemand befreit worden, wird niemand befreit und wird niemand befreit werden“ (Über den Gottesstaat, X, 32, 2). Als einziger Vermittler des Heils, ist Christus das Haupt der Kirche und auf geheimnisvolle Weise mit ihr verbunden, so dass Augustinus erklären kann: „Wir sind Christus geworden. Denn wenn er das Haupt ist und wir seine Glieder, dann ist der ganze Mensch er und wir“ (In Iohannis evangelium tractatus, 21, 8).

Als Volk Gottes und als Haus Gottes ist die Kirche in der Sicht von Augustinus folglich eng mit der Vorstellung des Leibes Christi verbunden, die auf der christologischen Lektüre des Alten Testaments gründet sowie auf dem sakramentalen Leben, in deren Mittelpunkt die Eucharistie steht, in welcher der Herr uns seinen Leib schenkt und uns in seinen Leib verwandelt. Es ist also ganz wesentlich, dass die Kirche, das Volk Gottes in einem christologischen und nicht in einem soziologischen Sinne, wirklich in Christus ist, der – so erklärt Augustinus in einem wunderschönen Abschnitt – „für uns betet, in uns betet, und von uns angebetet wird. Er betet für uns als unser Priester; er betet in uns als unser Haupt; er wird von uns angebetet als unser Gott. Erkennen wir daher in ihm unsere Stimme und in uns seine Stimme“ (Enarrationes in Psalmos, 85, 1). Zum Schluss des Apostolischen Schreibens „Augustinum Hipponensem“ hat Johannes Paul II. den Heiligen selbst dazu befragen wollen, was er den Menschen von heute zu sagen hätte, und er antwortet vor allem mit den Worten, die Augustinus einem Brief anvertraut hat, den er kurz vor seiner Bekehrung diktiert hat: „Mir scheint, die Menschen müssten sich auf die Hoffnung zurückziehen, die Wahrheit zu finden“ (Epistulae, 1, 1); jene Wahrheit, die Christus selbst ist, der wahre Gott, an den sich eines der schönsten und bekanntesten Gebete aus den Bekenntnissen (X, 27, 38) richtet: „Spät habe ich dich geliebt, o Schönheit, so alt und doch immer neu, spät habe ich dich geliebt. Und siehe, du warst in meinem Innern und ich draußen; und draußen suchte ich dich und stürzte mich in meiner Hässlichkeit auf die schönen Gebilde, die du geschaffen. Du warst bei mir, aber ich nicht bei dir. Weit weg von dir zog mich, was doch keinen Bestand hätte, wenn es nicht in dir wäre. Du hast mich laut gerufen und meine Taubheit zerrissen; du hast geblitzt und geleuchtet und meine Blindheit verscheucht. Du hast mir süßen Duft zugeweht; ich habe ihn eingesogen, und nun seufze ich nach dir. Ich habe dich geschmeckt, und nun hungere und dürste ich nach dir. Du hast mich berührt, und ich bin entbrannt in deinem Frieden“.

Hier sehen wir: Augustinus ist Gott begegnet und im Laufe seines gesamten Lebens hat er ihn so intensiv erfahren, dass diese Wirklichkeit – die vor allem Begegnung mit einer Person, Jesus, ist – sein Leben verändert hat, so wie sie das Leben so vieler Menschen, Männer und Frauen, zu jeder Zeit verändert, welche die Gnade erfahren, ihm zu begegnen. Beten wir, dass der Herr uns diese Gnade gewähre und uns so seinen Frieden finden lasse.

Die Pilger deutscher Sprache begrüßte der Papst mit den Worten:

Ganz herzlich grüße ich die Pilger und Besucher deutscher Zunge, insbesondere die Bereichsverantwortlichen für die Vorbereitung meines Apostolischen Besuchs in Mariazell im letzten Jahr. „Du hast uns auf dich hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet dir“. Dieses Gebet des heiligen Augustinus zu Gott begleite auch euch bei all eurem Tun. Der Heilige Geist schenke euch seine Liebe!

Übersetzung aus dem Italienischen von Claudia Reimüller

 

© Die Tagespost - Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur

2. Augustinus-Katechese Papst Benedikts XVI. (Generalaudienz vom 16. Januar 2008)

Mit Christus jünger werden

Liebe Brüder und Schwestern!

Heute möchte ich, wie am vergangenen Mittwoch, über den großen Bischof von Hippo, den heiligen Augustinus sprechen. Vier Jahre vor seinem Tod wollte er seinen Nachfolger ernennen. Am 26. September 426 hat er daher das Volk in der Friedensbasilika in Hippo versammelt, um den Gläubigen denjenigen vorzustellen, den er für diese Aufgabe bestimmt hatte. Er sagte: „In diesem Leben sind wir alle sterblich, doch jeder Mensch lebt mit der dauernden Ungewissheit, wann der letzte Tag in seinem Leben kommen wird. In der Kindheit hofft er, das Alter des Heranwachsenden zu erreichen; im Alter des Heranwachsenden das der Jugend; im Alter der Jugend das des Erwachsenen, im Alter des Erwachsenen das Alter der Reife; im Alter der Reife schließlich das Alter. Man hat keine Gewissheit, es zu erreichen, aber man hofft es. Das Alter hingegen hat keinen Zeitraum mehr vor sich, auf den es hoffen kann; und seine eigene Dauer ist ungewiss... Durch den Willen Gottes bin ich in der Blüte meines Lebens in diese Stadt gekommen; doch jetzt ist meine Jugend vorbei und ich bin nunmehr alt“ (Ep. 213, 1).

Förderer des Friedens in den afrikanischen Provinzen

An diesem Punkt hat Augustinus dann den Namen des von ihm bestimmten Nachfolgers, des Priesters Heraklius genannt. Die Versammlung ist darauf in zustimmenden Beifall ausgebrochen und hat dreiundzwanzigmal wiederholt: „Dank sei Gott! Gelobt sei Christus!“ Mit anderen Zurufen haben die Gläubigen auch den Plänen des Augustinus hinsichtlich seiner Zukunft zugestimmt: er wollte die Jahre, die ihm verblieben, einem intensiveren Studium der Heiligen Schrift widmen (vgl. Ep. 213, 6).

Tatsächlich handelt es sich bei den vier folgenden Jahren um Jahre außerordentlichen geistigen Schaffens: er brachte bedeutende Werke zum Abschluss, begann andere, die nicht weniger anspruchsvoll waren, führte öffentliche Debatten mit den Häretikern – er suchte immer den Dialog –, und er griff ein, um den Frieden in den afrikanischen Provinzen zu fördern, der durch Barbarenstämme aus dem Süden gefährdet war. In diesem Sinne schrieb er dem Comes Darius, der nach Afrika gereist war, um die Meinungsverschiedenheit zwischen dem Patricius Bonifatius und dem Kaiserhof beizulegen, die von den Maurenstämmen für ihre Überfälle ausgenutzt wurde: „Der größte Ruhmestitel – erklärte er in diesem Brief – besteht darin, den Krieg mit Worten zu ersticken, statt Menschen durch das Schwert zu töten, und darin, den Frieden durch Frieden zu schaffen oder beizubehalten und nicht durch Krieg. Gewiss, auch jene die kämpfen, suchen, wenn sie gute Menschen sind, zweifellos den Frieden, doch um den Preis des Blutvergießens. Du hingegen bist gesandt worden, um zu verhindern, dass man versucht, das Blut von Menschen zu vergießen“ (Ep. 229, 2).

Leider wurde die Hoffnung auf eine Befriedung der afrikanischen Gebiete enttäuscht: im Mai 429 überquerten die Vandalen – die von Bonifatius aus Rache nach Afrika eingeladen worden waren – die Meerenge von Gibraltar und fielen in Mauretanien ein. Die Invasion drang schnell bis zu den anderen reichen afrikanischen Provinzen vor. Im Mai oder Juni 430 waren „die Zerstörer des Römischen Reiches“, wie Possidius jene Barbaren bezeichnet (Vita 30,1), vor Hippo und belagerten die Stadt.

Auch Bonifatius, der sich zu spät mit dem Hof versöhnt hatte und nun vergebens versuchte, das weitere Vordringen der Invasoren zu verhindern, hatte in der Stadt Zuflucht gesucht. Der Biograph Possidius beschreibt den Schmerz von Augustinus: „Die Tränen waren öfter als gewöhnlich sein tägliches – und nächtliches – Brot, und er musste, nunmehr am Ende seines Lebens angekommen, in seinem Alter mehr Kummer und Trauer als andere ertragen“ (Vita 28, 6). Er erklärt: „Denn jener Mann Gottes sah das Gemetzel und die Zerstörung der Städte; er sah, wie die Häuser auf dem Land niedergerissen und ihre Bewohner von den Feinden getötet oder zur Flucht gezwungen und versprengt wurden; er sah die Kirchen ihrer Priester und Diener beraubt, er sah die heiligen Jungfrauen und die Ordensleute, die überallhin verstreut wurden; er sah wie einige von ihnen unter der Folter starben, andere durch das Schwert getötet wurden, wieder andere gefangengenommen und nach Verlust ihrer seelischen und körperlichen Unversehrtheit sowie auch des Glaubens, von den Feinden zu langer und schmerzvoller Sklaverei verurteilt wurden“ (ebd. 28, 8). Obwohl Augustinus alt und erschöpft war, stand er immer noch an vorderster Front und verschaffte sich und den anderen Trost durch das Gebet und das Nachdenken über die geheimnisvollen Pläne der Vorsehung. In dieser Beziehung sprach er vom „Alter der Welt“ – und diese römische Welt war wirklich alt –, und er sprach über dieses Alter so, wie bereits Jahre zuvor, als er die aus Italien kommenden Flüchtlinge getröstet hatte, nachdem die Goten Alarichs im Jahr 410 in die Stadt Rom eingedrungen waren. Im Alter, so sagte er, gibt es reichlich Krankheiten: Husten, Katarrh, triefende Augen, Ängstlichkeit, Erschöpfung. Doch während die Welt älter wird, bleibt Christus immer jung. Daher die Aufforderung: „Lehne nicht ab, auch in der alten Welt gemeinsam mit Christus jünger zu werden. Er sagt zu dir: Habe keine Angst, deine Jugend wird sich wie die des Adlers erneuern“ (vgl. Serm. 81, 8).

Der Christ soll also auch in schwierigen Situationen nicht verzagen, sondern sich darum bemühen denen zu helfen, die in Not sind. Das gibt der große Kirchenlehrer dem Bischof von Thiava, Honoratus, zur Antwort, der ihn gefragt hatte, ob ein Bischof oder ein Priester oder sonst ein Mann der Kirche angesichts des drohenden Einfalls der Barbaren fliehen dürfe, um sein Leben zu retten: „Wenn für alle die gleiche Gefahr besteht, also für Bischöfe, Geistliche und Laien, dann sollen diejenigen, die der anderen bedürfen, nicht von denen verlassen werden, derer sie bedürfen.

In diesem Fall mögen sich ruhig alle an einen sicheren Ort begeben; doch wenn einige bleiben müssen, sollen sie nicht von denen verlassen werden, welche die Pflicht haben, ihnen mit dem heiligen Dienst beizustehen, so dass sie sich entweder gemeinsam retten oder gemeinsam das Unglück erleiden mögen, von dem der Familienvater möchte, dass sie es erleiden“ (Ep. 228, 2). Und er schließt: „Das ist der höchste Liebesbeweis“ (ebd. 3). Wie sollte man in diesen Worten nicht die heldenhafte Botschaft erkennen, die so viele Priester im Laufe der Jahrhunderte aufgenommen und sich zu eigen gemacht haben?

Vorläufig hielt die Stadt Hippo stand. Das klösterliche Haus von Augustinus hatte seine Pforten geöffnet, um die Kollegen im Bischofsamt aufzunehmen, die um Unterkunft baten. Unter ihnen befand sich auch Possidius, der bereits sein Schüler war, und der uns auf diese Weise das direkte Zeugnis jener letzten, dramatischen Tage überliefern konnte: „Im dritten Monat jener Belagerung – so berichtet er – legte er sich mit Fieber ins Bett: es war seine letzte Krankheit“ (Vita 29, 3). Der heilige alte Mann nutzte diese endlich freie Zeit, um sich intensiver dem Gebet zu widmen. Er pflegte zu erklären, dass niemand, gleich ob Bischof, Geistlicher oder Laienchrist und gleich wie untadelig sein Verhalten scheinen möge, dem Tod ohne richtige Reue begegnen könne. Daher wiederholte er unablässig unter Tränen die Bußpsalmen, die er so häufig mit dem Volk gebetet hatte (vgl. ebd. 31, 2).

Je schlimmer die Krankheit wurde, desto stärker verspürte der sterbende Bischof das Bedürfnis nach Alleinsein und Gebet: „Um von niemandem in seiner inneren Sammlung gestört zu werden bat er uns Anwesende etwa zehn Tage, bevor er seinen Körper verließ, außerhalb der Stunden, während der die Ärzte kamen, um ihn zu untersuchen oder man ihm seine Mahlzeiten brachte, niemanden in sein Zimmer einzulassen. Sein Wille wurde genau befolgt, und während dieser ganzen Zeit widmete er sich dem Gebet“ (ebd. 31, 1). Er verstarb am 28. August 430: Sein großes Herz hatte endlich bei Gott seine Ruhe gefunden.

„Zur Grablegung seines Leibes – so berichtet Possidius – wurde Gott das Opfer dargebracht, an dem wir teilnahmen, und dann wurde er bestattet“ (Vita 31, 5). Sein Leib wurde zu einem nicht bekannten Zeitpunkt nach Sardinien überführt und von dort um das Jahr 725 nach Pavia, in die Basilika San Pietro in Ciel d'Oro, wo er auch heute noch ruht. Sein erster Biograph gibt folgendes abschließendes Urteil über ihn ab: „Er hat der Kirche eine große Zahl an Geistlichen hinterlassen, sowie auch Männer- und Frauenklöster voller Menschen, die sich der Enthaltsamkeit und der Gehorsamkeit gegenüber ihren Oberen geweiht hatten – außerdem Bibliotheken mit Büchern und Reden von ihm und von anderen Heiligen, aus denen man erkennen kann, wie groß durch die Gnade Gottes sein Verdienst und seine Bedeutung für die Kirche waren, und in denen er für die Gläubigen immer noch lebendig ist“ (Possidius, Vita 31, 8). Diesem Urteil können wir uns anschließen: In seinen Schriften ist er auch für uns „noch lebendig“.

Wenn ich die Schriften des heiligen Augustinus lese, habe ich nicht den Eindruck, dass es sich um einen Mann handelt, der vor etwa 1 600 Jahren gestorben ist, sondern ich empfinde ihn als einen Mann von heute: einen Freund, einen Zeitgenossen, der mit seinem frischen aktuellen Glauben zu mir, zu uns spricht. Im heiligen Augustinus, der durch seine Schriften zu uns, zu mir spricht, sehen wir die beständige Aktualität seines Glaubens; des Glaubens, der von Christus kommt, des ewigen menschgewordenen Wortes, des Sohnes Gottes und Menschensohnes. Und wir können sehen, dass dieser Glaube nicht von gestern ist, auch wenn er gestern verkündet wurde; er ist immer heutig, da Christus wirklich gestern, heute und immerdar ist. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. So ermutigt uns der heilige Augustinus, uns diesem immer lebendigen Christus anzuvertrauen und so den Weg des Lebens zu finden.

Die Pilger deutscher Sprache begrüßte der Papst mit den Worten:

Gerne grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache. Sein Einsatz bis zum Lebensende und sein Sterben führen uns nochmals die Größe des heiligen Augustinus vor Augen. Sein Beispiel und seine Lehre, stets lebendig in seinen Schriften, sind Licht und Stärkung auch für uns heute. Wie er wollen wir im Vertrauen auf Gottes helfende Gnade unseren Weg gehen. Der Herr segne und geleite euch alle.

Übersetzung aus dem Italienischen von Claudia Reimüller

© Die Tagespost - Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur

1. Augustinus-Katechese Papst Benedikts XVI. (Generalaudienz vom 9. Januar 2008)

Ein leidenschaftlicher Mann des Glaubens

Liebe Brüder und Schwestern!

Nach den großen weihnachtlichen Feiertagen möchte ich meine Betrachtungen über die Kirchenväter wieder aufnehmen und heute über den bedeutendsten lateinischen Kirchenvater, den heiligen Augustinus sprechen: als ein leidenschaftlicher Mann des Glaubens, als Mann von höchster Intelligenz und unermüdlichem pastoralem Eifer ist dieser große Heilige und Kirchenlehrer häufig – wenigstens dem Namen nach – auch denen bekannt, die das Christentum nicht kennen oder nicht mit ihm vertraut sind, da er das kulturelle Leben des Abendlandes und der ganzen Welt tief geprägt hat. Durch seine einzigartige Bedeutung hat der heilige Augustinus einen besonders weitreichenden Einfluss ausgeübt, und man könnte einerseits behaupten, dass alle Wege der lateinischen christlichen Literatur nach Hippo (heute Annaba an der Küste Algeriens) führen, dem Ort, an dem er Bischof war, und andererseits, dass von dieser Stadt der römischen Provinz Africa, deren Bischof Augustinus vom Jahr 395 bis zu seinem Tod im Jahr 430 war, in der Folge viele andere Straßen des Christentums sowie der gesamten abendländischen Kultur ausgehen.

Der produktivste unter den Kirchenvätern

Selten ist in einer Kultur ein so großer Geist anzutreffen, ein Geist, der ihre Werte zu erfassen und den ihr innewohnenden Reichtum durch das Hervorbringen von Ideen und Formen herauszustellen weiß, von denen die Nachfahren zehren sollten, wie auch Paul VI. herausgestellt hat: „Man kann sagen, dass das gesamte Denken des Altertums in seinem Werk zusammenfließt und dass aus ihm Denkströmungen entspringen, welche die gesamte Lehrtradition der folgenden Jahrhunderte durchdringen“ (AAS, 62, 1970, S. 426).

Augustinus ist außerdem der Kirchenvater, der das umfangreichste Werk hinterlassen hat. Sein Biograph Possidius sagt: es scheine unmöglich, dass ein einziger Mann so viele Dinge in seinem Leben schreiben könne. Über diese Werke werden wir bei einer der nächsten Begegnungen sprechen. Heute wollen wir unsere Aufmerksamkeit auf seinen Lebenslauf beschränken, der sich gut aus seinen Schriften und vor allem aus den „Bekenntnissen“ rekonstruieren lässt, jener außergewöhnlichen, zum Lobe Gottes geschriebenen geistigen Autobiografie, die sein berühmtestes Werk ist. Zu Recht, denn gerade die „Bekenntnisse“ des Augustinus stellen durch ihre Betonung von Innerlichkeit und Psychologie ein einzigartiges Beispiel in der abendländischen Literatur dar – nicht nur der abendländischen, auch der nicht religiösen Literatur, bis hin zur Moderne. Diese Betonung des geistigen Lebens, des Geheimnisses des Ich, des Geheimnisses Gottes, das sich im Ich verbirgt, ist etwas ganz Außergewöhnliches und Einzigartiges und wird immer ein geistiger Höhepunkt bleiben.

Doch wir wollen auf sein Leben zu sprechen kommen: Augustinus wurde am 13. November 354 in Thagaste – in der römischen Provinz Numidien in Afrika – als Sohn des Patrizius, eines Heiden, der dann Katechumene wurde, und der Monika, einer eifrigen Christin, geboren. Diese leidenschaftlich glaubende Frau, die als Heilige verehrt wird, hat einen äußerst großen Einfluss auf ihren Sohn ausgeübt und ihn im christlichen Glauben erzogen. Augustinus hatte auch das Salz als Zeichen der Aufnahme in das Katechumenat empfangen. Er war immer von der Figur Jesu Christi fasziniert, er sagt sogar, er habe Jesus stets geliebt, doch sich immer mehr vom Glauben der Kirche und von der kirchlichen Praxis entfernt, wie es auch heute noch bei vielen Jugendlichen geschieht.

Augustinus hatte auch einen Bruder, Navigius, und eine Schwester, deren Namen wir nicht kennen und die, nachdem sie verwitwet war, einem Frauenkloster vorgestanden hat. Der Junge von lebhaftester Intelligenz erhielt eine gute Ausbildung, auch wenn er nicht immer ein vorbildlicher Schüler war. Er hat zunächst in seiner Heimatstadt und dann in Madaura gründlich die Grammatik studiert sowie von 370 an Rhetorik in Karthago, der Hauptstadt der römischen Provinz Africa: Er lernte die perfekte Beherrschung der lateinischen Sprache, während es ihm nicht gelang, die gleiche Meisterschaft im Griechischen zu erreichen, und die punische Sprache, die von seinen Landsleuten gesprochen wurde, erlernte er nicht. In Karthago hat Augustinus zum ersten Mal den „Hortensius“ gelesen, ein später verlorengegangenes Werk von Cicero, das am Beginn seines Weges zur Bekehrung steht. Der Text Ciceros hat die Liebe zur Weisheit in ihm hervorgerufen, wie er – nunmehr Bischof – in seinen „Bekenntnissen“ schreibt: „Dieses Buch gab meiner ganzen Sinnesart eine andere Richtung... Plötzlich sanken mir alle eitlen Hoffnungen in nichts zusammen; mit unglaublicher innerer Glut verlangte ich nach unsterblicher Weisheit“ (III, 4, 7).

Ein Bekenntnis, das Karriereaussichten eröffnete

Doch da er überzeugt war, dass die Wahrheit ohne Jesus nicht wirklich zu finden sei und da ihm der Name Jesu in diesem Buch, das ihn begeisterte, fehlte, hat er gleich nach dessen Lektüre damit begonnen die Schrift, die Bibel zu lesen. Doch sie enttäuschte ihn. Nicht nur, weil der lateinische Stil der Bibelübersetzung Mängel aufwies, sondern auch weil der Inhalt ihm wenig befriedigend schien. In den biblischen Erzählungen von Kriegen und menschlichen Schicksalen fand er nicht die Größe der Philosophie, den Glanz der Suche nach der Wahrheit, der ihr innewohnt. Dennoch wollte er nicht ohne Gott leben, und so suchte er nach einer Religion, die sowohl seinem Wunsch nach Wahrheit entsprach, als auch seinem Wunsch, sich Jesus anzunähern. So geriet er in das Netz der Manichäer, die sich als Christen präsentierten und eine durch und durch rationale Religion versprachen. Sie behaupteten, die Welt sei in zwei Prinzipien aufgeteilt: das Böse und das Gute. So sei die ganze Komplexität der Menschheitsgeschichte zu erklären. Dem heiligen Augustinus gefiel auch die dualistische Moral, da sie für die Erwählten mit besonders hochstehenden Moralanforderungen verbunden war: jemandem, der wie er dieser Lehre anhing, wurde ein der zeitlichen Situation ausgesprochen angemessenes Leben ermöglicht, vor allem wenn es sich um einen jungen Mann handelte. Er wurde also Manichäer und war in jenem Moment davon überzeugt, er habe die Synthese von Vernünftigkeit, Wahrheitssuche und Liebe zu Jesus Christus gefunden. Für sein Leben hatte das auch einen konkreten Vorteil: das Bekenntnis zum Manichäismus eröffnete ihm gute Karriereaussichten. Das Bekenntnis zu jener Religion, der zahlreiche einflussreiche Persönlichkeiten anhingen, gestattete ihm, die mit einer Frau eingegangene Beziehung beizubehalten und weiter an seiner beruflichen Karriere zu arbeiten. Von dieser Frau hatte er einen sehr intelligenten Sohn, Adeodatus, der ihm sehr am Herzen lag und der bei der Taufvorbereitung am Comer See dabei sein und an jenen „Dialogen“ teilnehmen sollte, die der heilige Augustinus uns hinterlassen hat. Der Junge ist leider frühzeitig verstorben. Mit etwa zwanzig Jahren war Augustinus Grammatiklehrer in seiner Heimatstadt, doch bald kehrte er nach Karthago zurück, wo er ein brillanter und berühmter Rhetoriklehrer wurde. Mit der Zeit begann er sich jedoch vom Glauben der Manichäer abzuwenden, die ihn gerade in geistiger Hinsicht enttäuscht hatten, da es ihnen nicht gelungen war, seine Zweifel auszuräumen, und er begab sich nach Rom und schließlich nach Mailand, wo damals der Sitz des Kaiserhofes war und wo er, dank der Bemühungen und der Empfehlungen des Präfekten von Rom, des Heiden Symmachus, der dem Bischof von Mailand, dem heiligen Ambrosius, feindlich gegenüberstand, einen angesehenen Posten erhalten hatte.

In Mailand machte Augustinus es sich zur Gewohnheit – zu Beginn mit der Absicht, seinen rhetorischen Wissensschatz zu bereichern –, die wundervollen Predigten des Bischofs Ambrosius zu hören, der Vertreter der Kaisers in Norditalien gewesen war, und von den Worten des großen Mailänder Bischofs ließ sich der afrikanische Rhetor begeistern. Doch nicht nur die Rhetorik, vor allem der Inhalt hat sein Herz zunehmend berührt. Das große Problem des Alten Testaments, des Mangels an sprachlicher Schönheit und philosophischer Größe, wurde dank der typologischen Auslegung des Alten Testaments in den Predigten des heiligen Ambrosius gelöst: Augustinus erkannte, dass das gesamte Alte Testament zu Jesus Christus führt. So fand er den Schlüssel, um die Schönheit und auch die philosophische Tiefe des Alten Testaments zu verstehen sowie die Einheit des Geheimnisses Christi in der Geschichte und auch die Synthese von Philosophie, Vernünftigkeit und Glauben im „Logos“, in Christus, dem Ewigen Wort, das Mensch geworden war.

In kurzer Zeit war er sich darüber im klaren, dass die allegorische Lesart der Bibel und die neuplatonische Philosophie des Bischofs von Mailand ihm ermöglichten, die gedanklichen Schwierigkeiten zu lösen, die ihm in jüngeren Jahren bei seiner ersten Begegnung mit den biblischen Texten als unüberwindbar erschienen waren. Der Lektüre der philosophischen Schriften ließ Augustinus so die erneuerte Lektüre der Bibel und vor allem der paulinischen Briefe folgen. Die Bekehrung zum Christentum am 15. August 386 stellt also den Höhepunkt eines langen und qualvollen inneren Weges dar, von dem wir in einer der nächsten Katechesen noch eingehender sprechen werden, und der Afrikaner zog – mit der Mutter Monika, dem Sohn Adeodatus und einer kleinen Gruppe von Freunden – nördlich von Mailand beim Comer See aufs Land, um sich auf die Taufe vorzubereiten. So wurde Augustinus im Alter von 32 Jahren am 24. April 387 während der Osternacht von Ambrosius in der Kathedrale von Mailand getauft.

Augustinus fühlte sich nicht zum Leben als Hirte berufen

Nach der Taufe beschloss Augustinus, mit den Freunden nach Afrika zurückzukehren und dort im Dienst für Gott nach klösterlichem Vorbild ein Leben in Gemeinschaft zu führen. Doch während sie in Ostia auf die Überfahrt warteten, wurde seine Mutter plötzlich krank und starb kurz darauf, was dem Sohn das Herz brach. Als der Bekehrte endlich in seine Heimat zurückkehrte, ließ er sich in Hippo nieder, um dort ein Kloster zu gründen. In dieser Stadt an der afrikanischen Küste wurde er trotz seines Widerstands im Jahr 391 zum Priester geweiht und nahm mit einigen seiner Gefährten das klösterliche Leben auf, an das er schon seit längerem dachte, um seine Zeit dem Gebet, dem Studium und der Verkündigung zu widmen. Er fühlte sich nicht zum Leben als Hirte berufen, sondern wollte sich ausschließlich in den Dienst der Wahrheit stellen, doch dann hat er eingesehen, dass Gott ihn dazu berufen hatte, als Hirte unter den anderen zu wirken und ihnen so das Geschenk der Wahrheit zu bringen. Vier Jahre später, im Jahr 395, wurde er in Hippo zum Bischof geweiht.

Während Augustinus weiterhin das Studium der Bibel und der anderen Texte der christlichen Überlieferung vertiefte, war er in seinem unermüdlichen pastoralen Einsatz als Bischof beispielhaft: Mehrmals in der Woche predigte er den Gläubigen, er unterstützte die Armen und Waisen und sorgte sich um die Ausbildung des Klerus sowie um die Organisation der Männer- und Frauenklöster. In kurzer Zeit behauptete sich der ehemalige Rhetoriklehrer als einer der wichtigsten Vertreter des Christentums jener Zeit: Der Bischof von Hippo, der äußerst engagiert seine Diözese leitete – was sich auch im zivilen Leben auf bemerkenswerte Weise auswirkte –, hat in den mehr als 35 Jahren seines Episkopats tatsächlich einen tiefen Einfluss auf die Führung der katholischen Kirche im römischen Afrika sowie im allgemeinen auf das Christentum seiner Zeit ausgeübt und ist den hartnäckigen und zersetzenden religiösen Strömungen und Irrlehren – wie dem Manichäismus, dem Donatismus und dem Pelagianismus – entgegengetreten, die eine Gefahr für den christlichen Glauben an den einen und barmherzigen Gott darstellten.

Jeden Tag bis zum Ende seines Lebens hat Augustinus sich Gott anvertraut: Als der Bischof unter Fieber litt, während sein Hippo seit etwa drei Monaten von einfallenden Vandalen belagert war – so erzählt der Freund Possidius in der „Vita Augustini“ – bat er darum, die Bußpsalmen mit großen Buchstaben aufzuschreiben „und ließ die Blätter an die Wand hängen, so dass er sie, während er krank im Bett lag, sehen und lesen konnte, wobei er ununterbrochen heiße Tränen vergoss“ (31, 2). So gingen die letzten Tage im Leben des Augustinus dahin, der noch vor der Vollendung seines 76. Lebensjahres am 28. August 430 verstarb. Unsere nächsten Begegnungen werden wir seinem Werk, seiner Botschaft und seiner inneren Entwicklung widmen.

Die Pilger deutscher Sprache begrüßte der Papst mit den Worten:

Von Herzen begrüße ich die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern. Der heilige Augustinus lebte immer in der Suche nach Gott, in der Suche, Jesus Christus näher und ähnlicher zu werden. Auch wir wollen stets die Nähe des Schöpfers und die Nähe Jesu Christi suchen, in dem Gott menschliches Antlitz hat und Ihm helfen, dass er uns bereit macht, das Gute selber zu tun und es in der Welt zu verbreiten. Der Herr geleite euch auf allen Wegen dieses noch jungen Jahres!

Übersetzung aus dem Italienischen von Claudia Reimüller

© Die Tagespost – Katholische Zeitung für Politik, Kultur und Gesellschaft und Kultur