Passion für die Patristik: Zum 90. Geburtstag von Cornelius Petrus Mayer OSA. Von REGINA EINIG

  • Professor Dr. Cornelius Petrus Mayer OSA
  • Die Arbeit am Augustinus-Lexikon wurde ihm zur Lebensaufgabe: Petrus Cornelius Mayer OSA. – Foto: ZAF

Christus und die Kirche zusammenzudenken stellt in der heutigen Theologie keine Selbstverständlichkeit dar. Doch gerade diese an deutschen Fakultäten mitunter vehement abgelehnte Perspektive fasziniert den Doyen der Würzburger Augustinusforschung. Cornelius Petrus Mayer OSA, der am 9. März neunzig wird, entdeckte seine Passion für die Patristik in der Dogmatikvorlesung. In Würzburg hörte er den promovierten Augustinisten Fritz Hofmann. In Augustins Schriften, so lehrte der Dogmatiker, sei die Lehre von der Kirche aufs engste mit der von Christus verzahnt. Ja, Gottes Wort sei deshalb Fleisch geworden, um das Haupt der Kirche zu werden, zitierte er aus Augustins Auslegung des Psalmes 148,8. Mayer begann, die Schriften Augustins zu lesen. Die paulinische Lehre von der Kirche als Christi Leib aufgreifend, rühmt der Bischof von Hippo die Würde der Christen als Glieder an diesem Leib. „Lasst uns also gegenseitig beglückwünschen, nicht nur Christen geworden zu sein, sondern Christus ... Ist nämlich jener das Haupt, so sind wir die Glieder des Leibes jenes Hauptes: Der ganze Mensch sind jener und wir“ heißt es in Augustins Auslegung des Johannesevangeliums. „Man kann sich die Begeisterung vorstellen, die Augustinus bei solchen Deutungen neutestamentlicher Texte ausgelöst haben mag“, sagt Mayer gegenüber dieser Zeitung.

Die Leidenschaft für die Theologie Augustins treibt ihn bis heute an. Ende der siebziger Jahre übernahm der in Ungarn geborene Gelehrte seine Lebensaufgabe: die Arbeit am Augustinus-Lexikon. Um die Schriften Augustins zeitgemäß zu vermitteln, sondierte Mayer frühzeitig digitale Möglichkeiten. Entscheidend war, dass er gleich zum Beginn der Arbeiten am Lexikon einen elektronischen Text aller Werke Augustins erstellte. Als Grundlage der Arbeit an den Stichworten des Lexikons entpuppte sich nämlich ein möglichst schneller Zugriff auf die Texte des Kirchenvaters. Elektronische Texterfassungen steckten zwar noch in den Kinderschuhen und waren teuer. Nach intensiven Verhandlungen mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gelang es ihm aber, diese vom Sinn und Nutzen einer elektronischen Wortkonkordanz zu überzeugen. Dieser Teil des Projektes sollte jedoch binnen zweier Jahre fertig sein. Die an der Universität Gießen auf den Markt gebrachte und Corpus Augustinianum Gissense (CAG) genannte CD-ROM löste in der Fachwelt eine unerwartete Resonanz aus: Sie sei ein absolutes Muss für wissenschaftliche Bibliotheken, aber auch für Wissenschaftler, die sich ernsthaft mit dem Kirchenvater beschäftigen wollen, hieß es in einer Rezension. Der erste Doppelfaszikel des Lexikons erschien am 28. August 1986, dem Gedenktag des Todes Augustins vor 1 600 Jahren. Sorgen um Finanzen und Mitarbeiterstellen gehören zum täglichen Brot geisteswissenschaftlicher Forschungsprojekte. So erging es auch Cornelius Petrus Mayer. Insbesondere die zeitaufwändige Lemmatisierung erwies sich als eine von vielen Hürden, die er und seine Mitarbeiter überwinden mussten. Freunde rieten zur Gründung eines Fördervereins. Eine wichtige Stütze des Zentrums für Augustinusforschung ist bis heute der Orden. Gearbeitet wird unter dem Dach der Würzburger Augustiner. Den täglichen Gang ins Büro lässt sich der Jubilar nicht nehmen, auch wenn er die wissenschaftliche Leitung des Zentrums und die Herausgeberschaft des Lexikons inzwischen seinem langjährigen Mitarbeiter Christof Müller übertragen hat.

Mehr als fünfzig Jahre intensiver wissenschaftlicher Arbeit haben aus Mayer, der selbst ein glänzender Rhetor ist, keinen weltfremden Bücherwurm gemacht. Hellwach verfolgt er das Zeitgeschehen im Allgemeinen und theologische Debatten im Besonderen. Sein Wissen vermittelt er dem Publikum im oberbayerischen Volkstheater ebenso souverän wie im Gespräch mit Studenten.

Das missionarische Potenzial der augustinischen Schriften überzeugt ihn. Augustinus als Multiplikator des Evangeliums in der säkularen wissenschaftlichen Öffentlichkeit bleibt für ihn unverändert aktuell. Wer Christus nicht kennt, stößt vielleicht durch die Philosophievorlesung über Heidegger auf den Bischof von Hippo. Für Mayer steht fest, dass es keinen Schriftsteller gegeben haben dürfte, der das christliche Abendland mit seinem Denken so geprägt hat wie Augustinus. „Man braucht nur einen Blick in sein epochalstes Werk, die 22 Bücher umfassende Schrift ,Über den Gottesstaat‘ werfen, um darin die in apologetisch-missionarischer Absicht intendierte Auseinandersetzung mit der Gesellschaft seiner Zeit zu erkennen“, erläutert er. „Augustin teilt die Gesellschaft aller Zeiten in einen ,irdischen‘ und in einen ,himmlischen Staat‘, wobei er den Begriff Staat nicht politisch, sondern religiös-weltanschaulich verstanden wissen will. In dialektischer Schärfe analysiert er die Gegensätze der beiden Staaten. Es sind dies die zwei Arten der Liebe: ,die bis zur Verachtung Gottes sich steigernde Selbstliebe‘ und ,die bis zur Selbstverachtung sich steigernde Gottesliebe‘. Gottesliebe ist indes nicht in dem Sinn dem Gottesstaat eigen, als hätten dessen Bürger sie aus eigener Kraft erworben, sie ist vielmehr im Sinne des Römerbriefs ,gnadenhaft ausgegossen in die Herzen der Glaubenden und Hoffenden‘. Als solche haben sie beispielhaft ihre missionarische Aufgabe in der Gesellschaft zu erfüllen.“

Wie sehr Mayers wissenschaftliche Arbeit geschätzt wird, zeigt die Liste der Gratulanten. Eines der ersten Glückwunschschreiben erreichte den Jubilar aus Rom: Der emeritierte Papst Benedikt XVI. würdigt damit ein Lebenswerk, das in der zeitgenössischen Theologie einzigartig ist. Im Internet: www.augustinus.de.

© Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur vom 07.03.2019, S. 27

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Weiterführende Links

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Gratulationsschreiben des emeritierten Papstes Benedikt XVI.