WELCHER GLAUBE WIRD VON CHRISTEN GEFORDERT?

Predigt zur Perikope Röm 4,18-25

10. Sonntag im Jahreskreis ‹A›

Cornelius Petrus Mayer OSA

Vorspann

Im gegenwärtigen Lesejahr ‹A› der Liturgie legt uns die Kirche vom 9.- 24. Sonntag in der Zweiten Lesung jeweils Teile aus dem Römerbrief des Apostels Paulus vor.

Der Römerbrief gehört sowohl der Form wie auch dem Inhalt nach zu den faszinierendsten Texten des Neuen Testamentes. Er ist allerdings alles andere als eine Kaffeelektüre! Gerade deshalb sollen wir uns alle Mühe geben, um in die Tiefen und in die Schönheiten dieser Texte einzudringen.

Heute werden wir darin dahin belehrt, dass es der Glaube ist, der uns vor Gott gerecht macht. Und als Beispiel werden wir auf den Glauben Abrahams verwiesen. Unser Glaube soll dem Abrahams gleichen.

Was ist damit gemeint? Dieser Frage wollen wir in der Predigt nachgehen.

Predigt

Wie sollen wir in die Predigt über den Text unserer zweiten Lesung einsteigen? Ich denke so, dass wir uns zunächst über die zwei unterschiedlichen Arten des Glaubens in der Bibel Klarheit verschaffen.

Kein Geringerer als der hl. Augustinus hat darauf aufmerksam gemacht, dass das, was wir ‹Glauben› nennen, ein Zweifaches bedeuten kann. Einmal: etwas für wahr halten, was nicht bewiesen werden kann – z.B. dass es in Gott drei Personen gibt. Das Credo der Kirche, das wir nachher beten werden, ist ein solches Für-Wahr-Halten von Sätzen, die zu glauben uns zuerst bei der Taufe vorgelegt wurden. Wir bekennen, sagten wir bzw. die Taufpaten und meinten damit: wir stehen zu diesen Sätzen.

Die andere Art des Glaubens hat das Vertrauen zum Gegenstand. Dieses Vertrauen artikuliert sich nicht in Sätzen, sondern in einer Haltung; es zielt nicht auf ein Bekenntnis ab, sondern auf die Hingabe – eine Hingabe, die das Bekenntnis stets schon voraussetzt, es sozusagen hinter sich weiß. Davon ist in unserer Lesung die Rede, denn Beides, absolutes Vertrauen und bedingungslose Hingabe gelten keinem anderem als dem Gott des Bekenntnisses.

Weil die Hoffnung ein Kind des Glaubens ist, beginnt unsere Perikope mit dem vielsagenden Satz: «Gegen alle Hoffnung hat Abraham voll Hoffnung geglaubt, dass er der Vater vieler Völker werde».

Die Geschichte ist bekannt: an Abraham erging die Verheißung, dass er und Sara, beide schon hochbetagt, noch einen Sohn bekommen würden. Diese Verheißung einer Vater- und Mutterschaft in vorgerücktem Alter, ist sie nicht geradezu lächerlich? Abrahams Zeugungskraft war schon erloschen und auch aus Saras Schoß war nach menschlichem Ermessen kein Leben mehr zu erwarten.

Der Sinn dieser Geschichte liegt nach der Absicht des Römerbriefes nicht darin, dass der greise Abraham in der Tat noch Nachwuchs bekam, ihr Sinn liegt vielmehr darin, dass Abraham an der Verheißung bei allen Argumenten, die dagegen sprachen, letztlich doch nicht zweifelte, sondern, dass er in der Kraft der Verheißung ‹stark im Glauben wurde›. «Er erwies Gott die Ehre», das heißt, er vertraute Gott; er schob jeden Einwand der Vernunft beiseite, weil er «überzeugt war, dass Gott die Macht besitzt zu tun, was er verheißen hat».

Das ist der Vertrauensglaube, und der «wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet». ‹Gerechtigkeit› meint: Gott zugestehen, was ihm gebührt: die Allmacht.

Unsere Perikope ist damit noch nicht zu Ende. Der Apostel verkündigt ja nicht Abraham, sondern Christus, der aus Abrahams Samen über Isaak und zahlreiche Generationen aus dem Schoß Mariens hervorging. – Übrigens findet sich der gleiche Vertrauensglaube auch bei Maria, als sie sprach: «Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort».

Der gleiche Vertrauensglaube ist es schließlich, der auch von uns gefordert wird. Denn im Römerbrief geht es um unser Glaubensverhalten, das – dem Abrahams nicht unähnlich – das Vertrauen in Gottes Allmacht zur Voraussetzung hat.

Im Unterschied zur Abrahamgeschichte geht es in unserer Lebensgeschichte um den Glauben an das Leben nach dem Tode. «Dieser Glaube», so der Text, «soll auch uns angerechnet werden, die wir an den glauben, der Jesus, unseren Herrn, von den Toten auferweckt hat».

Der Rechtfertigungsglaube bezieht sich somit letztlich auf das Ostergeschehen. Als Christus am Kreuz mit dem Psalmvers auf den Lippen verschied: «Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist» (31,6), da formulierte auch er gleich Abraham als den Kern des Rechtfertigungsglaubens die totale Hingabe des Menschen an Gott, und zwar an jenen Gott, «der das, was nicht ist, ins Dasein ruft, und der die Toten lebendig macht».

Das Christentum hat wohl eine Ethik, und diese Ethik gipfelt im Liebesgebot. Aber gerade weil wir Christen dem Liebesgebot nicht nachkommen – nicht nachkommen können, da die Sünde immer noch in uns wirkt – erschöpft sich der christliche Glaube nicht in der Ethik. Der Christ betet mit dem Psalmisten zurecht: «Wolltest du auf die Sünden achten, Herr, wer könnte dann bestehen?» (129,3).

Nein, das Christentum steht und fällt mit dem Glauben an Christi Erlösungswerk: «Wegen unserer Verfehlungen wurde er hingegeben, wegen unserer Gerechtmachung wurde er auferweckt», so endet unsere Perikope.

Darauf also, auf unsere ‹Gerechtmachung› durch Christi Tod und Auferstehung – ganz und gar darauf unser Vertrauen setzen, das ist es, was der Römerbrief unter Glauben versteht: eine Haltung – eine Haltung, die das Wesen der christlichen Demut ausmacht. In dieser Glaubenshaltung wollen wir nun die Eucharistie, Christi Tod und Auferstehung, feiern, ‹gegen alle Hoffnung hoffend›, dass auch wir mit ihm leben werden. Amen.