ZENTRUM FÜR AUGUSTINUS-FORSCHUNG

AN DER JULIUS-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT WÜRZBURG

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Fecisti nos ad te, domine, et inquietum est cor nostrum donec requiescat in te.

Confessiones 1,1

Geschaffen hast du uns auf dich hin, o Herr, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.

Bekenntnisse 1,1

Alter Wein im neuen Schlauch

Trotzdem ein lesenswerter Klassiker: Agostino Trapès Augustinusbiographie

Von Christof Müller

Religiosität und Spiritualität sind gegenwärtig salonfähig; die Suche nach Sinn und Lebensorientierung hat zur Zeit Hochkonjunktur - nicht zuletzt auf dem Büchermarkt. In diesem zeitgeschichtlichen Kontext rücken auch die Sinnsucher aus dem Bereich des Christentums wieder stärker in das Bewusstsein und in das literarische Interesse ein. Auf solcherlei "Zeichen der Zeit" reagiert der Verlag Neue Stadt, München, mit einer Reihe von Biographien ausgewählter Gestalten der christlichen Glaubensgeschichte (unter anderem Bernhard von Clairvaux, Teresa von Avila und Ignatius von Loyola). In einem derartigen Buchprogramm darf selbstredend auch der große Sinnsucher und Gottsucher "par excellence" nicht fehlen: Augustinus von Hippo (354-430), hier vorgestellt von Agostino Trapè - einem der renommierten Namen nicht nur im Augustinerorden, sondern ebenso in der Augustinus-Forschung. Seine 1976 erschienene Biographie "S. Agostino. Luomo, il pastore, il mistico" - ein in zahlreiche Sprachen übertragenes Standardwerk - erscheint nun nach 1988 zum zweiten Mal in deutscher Übersetzung, wobei "Überarbeitung und Ergänzung" dieser Neuausgabe sich freilich in engen Grenzen halten (Trapè ist 1987 verstorben) und sich vorwiegend auf orthographische Aktualisierung und auf das Hinzufügen einer (äußerst knappen) Zeittafel, zweier Register sowie einiger neuerer Editionen und Übersetzungen augustinischer Werke beziehen. Der "alte Wein" der Biographie Trapès wurde hier flugs in einen "neuen Schlauch" gefüllt, so dass der Leser sich mit dem Forschungsstand (und der Forschungsliteratur) der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts begnügen muss. Dessen ungeachtet ist und bleibt das Lebensbild Augustins aus der Feder Trapès natürlich ein "Klassiker", dessen Lektüre allemal lohnt. Wie der Titel der lateinischen Originalausgabe bereits skizziert, stellt das Buch Augustinus als "Menschen", als "Hirten" und als "Mystiker" vor. Den "Menschen" Augustinus zeichnet Trapè in enger thematischer und atmosphärischer Anlehnung an Augustins eigenen Lebensbericht in den "Confessiones - Bekenntnissen" (vor allem Bücher 1 - 9), das Bild des "Hirten" rekonstruiert er mittels Szenen aus der "Vita Augustini" des Augustinus-Vertrauten und Bischofskollegen Possidius sowie einiger narrativ präsentierten Ergebnisse der Forschung zu Augustins Leben und Schriften. Eigenständiger entworfen und systematischer entwickelt wirkt der dritte Hauptteil: Augustinus als "Mystiker" - will sagen: als Christ, Amtsträger und Theologe, der nicht nur mit seinem wachen Verstand, sondern zuvörderst mit seinem wachen Herzen Gott sucht, Gott erfährt und Gott verkündet. Dem Geist der "Confessiones" folgend, ist die Darstellung Trapès in erster Linie nicht wissenschaftlich, analytisch und kritisch angelegt, sondern vielmehr erzählend, nacherzählend und erbaulich ausgerichtet - dies gilt ebenso für Inhalt und Methodik wie für Ton und Tenor des Buches. Gleichwohl gleitet Trapès Lebensbild des Aurelius Augustinus nie in fromme Hagiographie ab und dürfte somit auch diejenige Leserschaft ansprechen, für die Sinnsuche und Gottsuche nicht mehr - oder noch nicht - in eins fallen. Wer hingegen ein höheres Maß an wissenschaftlicher Aktualität und Neutralität sowie ein breiteres Spektrum an historischer Information wünscht, der sollte lieber beziehungsweise zusätzlich zur ebenso gelehrten wie geistreichen Augustinus-Biographie von Peter Brown greifen. Jene wurde ebenfalls ihrem Kern nach bereits in den 70er Jahren entworfen, doch zur Jahrtausendwende vom Verfasser selbst überarbeitet und erweitert (deutsche Ausgabe: München 2000), vor allem im Blick auf die vor rund einem Jahrzehnt neu entdeckten Predigten dieses wohl Bedeutendsten unter den abendländischen Kirchenvätern.

Agostino Trapè: Aurelius Augustinus. Ein Lebensbild. Übersetzung aus dem Italienischen von Uta Brehme (Große Gestalten des Glaubens). München/Zürich/Wien: Neue Stadt, 2006, 304 p.; ISBN: 978-3-87996-677-6.

© ‹Die Tagespost – Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur› vom 23.09.2006

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